Schlagende Wetter

MOH (124): 14. Oscars 1942 - "Schlagende Wetter"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 9. September 2025

In unserer letzten Folge brachte uns "Die Spur des Falken" einen Film-noir-Klassiker. Derart hohe Qualität erreicht "Schlagende Wetter", der "Best Picture"-Gewinner dieses Oscar-Jahres, leider nicht ganz.

Schlagende Wetter

Originaltitel
How Green was my Valley
Land
Jahr
1941
Laufzeit
118 min
Genre
Regie
Release Date
Oscar
Gewinner "Outstanding Production"
Bewertung
7
7/10

Man muss ehrlich sein: Ein bisschen voreingenommen geht man ja schon in diesen Film. Das soll also der Streifen sein, der "Citizen Kane“ bei der Verleihung 1942 die wohlverdiente Trophäe vor der Nase weggeschnappt hat? Für die temporäre Verblendung der Academy kann "Schlagende Wetter“ (dessen Originaltitel "How Green Was My Valley“ vermutlich mehr Menschen geläufig ist) natürlich nichts. Aber selbst mit möglichst "neutralem" Blick bleibt unterm Strich festzuhalten, dass John Fords Drama über eine walisische Bergbaufamilie zwar visuell stark, dramaturgisch aber etwas schwach auf der Brust und vor allem zu unfokussiert daherkommt. Und vermutlich schon damals das war, was wir heute als klassisches Oscar-Bait bezeichnen würden – ein Film, der viel Prestige ausstrahlt, aber nicht genug Tiefgang mitbringt.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebt der junge Huw Morgan (Roddy McDowall) mit seiner Familie in einem walisischen Tal, das vom Kohlebergbau geprägt ist. Der Alltag der Bergarbeitergemeinschaft ist von harter Arbeit, familiärem Zusammenhalt und tief verwurzelten Traditionen bestimmt. Huws Vater Gwilym (Donald Crisp, "Jezebel – Die boshafte Lady", "Das Leben des Emile Zola") ist ein ehrenwerter und standhafter Mann, der großen Wert auf Moral und Gemeinschaft legt, während seine Mutter Beth (Sara Allgood) mit viel Wärme und Stärke das Familienleben prägt. Während alle fünf Brüder von Huw im Bergwerk arbeiten, hilft Huws einzige Schwester Angharad (Maureen O’Hara) pflichtbewusst ihrer Mutter im Haushalt, beginnt aber gleichzeitig, Gefühle für den idealistischen Dorfpfarrer Mr. Gruffydd (Walter Pidgeon, "Blüten im Staub") zu entwickeln. Mit diesem freundet sich Huw bald an, genauso wie mit der zukünftigen Schwägerin Bronwyn (Anna Lee). Doch große wirtschaftliche Veränderungen und mehrere Schicksalsschläge stellen Huws Leben schon bald auf den Kopf, sowie den Familienzusammenhalt als auch den des ganzen Tales auf die Probe.
 


Wie schon öfters in dieser Oscar-Reihe beobachtet, legt man auch hier wieder die Lebensgeschichte des Protagonisten als eine einzige große Rückblende an. In diesem Fall ist es ein älterer Huw, der uns zu Beginn des Filmes verspricht, nun fast 50 Jahre an Erinnerungen über das Leben im Tal mit uns zu teilen. Ein Versprechen, das am Ende so aber nicht wirklich eingelöst wird, womit wir auch schon auf eine der größten Schwächen des Filmes stoßen. Um diese aber genauer zu verstehen, lohnt sich erst einmal ein Blick auf die Entstehungsgeschichte des Films.

Der Film basiert, wie das Hollywood gerade damals so gerne hatte, auf einem unglaublich erfolgreichen Buch. In "How Green Was My Valley" des englischen Autors Richard Llewellyn aus dem Jahr 1939 wird die Lebensgeschichte von Huw und der Wandel im Tal von diesem über viele Jahre hinweg erzählt. 20th Century Fox Boss Darryl F. Zanuck, der gerne groß dachte, sicherte sich damals die Buchrechte und träumte von einem 4h-Technicolor-Epos – da wollte wohl jemand sein eigenes "Vom Winde verweht" haben. Mit William Wyler wurde dafür dann auch direkt der prestigeträchtigste Regisseur des Studios beauftragt, doch unter anderem der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges machte Zanuck dann einen finanziellen Strich durch die Rechnung. Eine kleinere Lösung musste her, in dessen Folge das Drehbuch drastisch gekürzt wurde und der für seine Extravaganz bekannte Wyler durch den „effizienteren“ John Ford ("Ringo", "Arrowsmith") ersetzt wurde.
 


Doch wie die ausufernde Geschichte in die halbe Laufzeit packen? Die Lösung: Man eliminierte das Kapitel rund um den älteren Huw und fokussierte sich ganz auf dessen Kindheit. So ganz wollte man die Leser des Buches aber nicht vergraulen und entschied sich dafür, möglichst viele der eigentlich später stattfindenden Ereignisse dort auch noch irgendwie unterzubringen. Das würde sich, wie wir später sehen werden, zwar noch rächen, hat aber auch durchaus einen positiven Effekt. So vermeidet man dadurch einen eventuell kritischen Schauspielerwechsel und präsentiert uns durchgehend den gleichen Darsteller in der Hauptrolle – was die Identifikation mit dieser natürlich vereinfacht.

Diese Rechnung scheint zu Beginn mehr als aufzugehen, da man mit Roddy McDowall auch noch einen wirklich überzeugenden Kinderdarsteller gefunden hat. Dieser spielt weder nervig noch zu clever oder theatralisch, stattdessen angenehm zurückhaltend, kindlich und sympathisch. Durchaus verdient also, dass McDowall im späteren Erwachsenenalter ebenfalls noch erfolgreich war – und uns heute durch seine Rolle als Dr. Cornelius (und später dessen Sohn Caesar) in der "Planet-der-Affen-"Reihe in Erinnerung geblieben ist. Dass gerade die erste halbe Stunde von "Schlagende Wetter" ziemlich gut funktioniert, liegt dann auch an dem charismatischen McDowall und vor allem auch Regisseur John Ford. Der führt unsere Hauptfigur und Familie nämlich sehr gefühlvoll ein, wobei Fords Inszenierung sich hier schon fast als charaktergeprägter Stummfilm bezeichnen lässt. Es wird wenig gesprochen, viel der Kommunikation erfolgt über Gesten und gut eingefangene Blicke, durch die man ein gutes Gefühl für die interne Familiendynamik erhält. Überhaupt ist die Entscheidung für Ford als Regisseur durchaus clever, denn der hatte ja gerade erst das großartige Drama "Früchte des Zorns" abgeliefert, in dem ja auch wirtschaftliche Zwänge den Zusammenhalt einer ärmeren Großfamilie bedrohten.
 


So gelingen auch hier Ford immer wieder ein paar gefühlvolle Charaktermomente, die gerade dank dem Blick durch Huws Nostalgiebrille nochmal eine angenehme Dosis Wärme erhalten. Oft sind das dabei nur kleine Begebenheiten, wie Huws erster Tag in der Schule, bei dem wundervoll dessen Zweifel und Ängste beim Betreten des Schulgebäudes eingefangen werden. Wie gesagt, das alles funktioniert am Anfang prächtig, weil hier auch konsequent immer darauf geachtet wird, dass Huw irgendwie dabei ist und, wenn manchmal auch nur passiv, uns stets als Ankerpunkt dient. Doch dann beginnt die Geschichte diesen Fokus auf Huw immer mehr zu verlieren und splittert sich in verschiedene, leider nicht immer interessante Nebenschauplätze auf. Da wäre allen voran die Liebesgeschichte zwischen unserem Dorfpfarrer und Angharad, die leider kaum Charme entwickelt oder vom Fleck kommt. Und der Strang rund um den wirtschaftlichen Niedergang des Bergbaus in dem Tal, bei dem sich innerhalb der Familie Fronten auftun, hat zwar großes Potenzial, hätte aber viel mehr Zeit gebraucht, um wirklich dessen Komplexität Rechnung zu tragen.

Dass dann auch gerade ein paar der Antagonisten viel zu theatralisch gespielt werden, macht die Sache auch nicht besser. Der einzige Lichtblick ist gerade in der zweiten Hälfte des Films eigentlich nur die irgendwie niedliche Freundschaft zwischen Huw und unserem Dorfpfarrer, der schon bald für Huw eine Art Mentorrolle übernimmt. Da hätte man mal lieber den vollen Fokus der Handlung drauflegen sollen, doch auch diese Beziehung ist leider nur ein Strang von vielen. Was schade ist, da gerade Walter Pidgeon, der sich hier von einer sehr charismatischen Seite zeigt, als genauso liebevoller wie nachdenklicher Mentor gut funktioniert. Auch wenn sich Pidgeon, im Gegensatz zum Rest der Cast, gar nicht erst die Mühe gibt, hier irgendwie einen walisischen Akzent nachzuahmen.
 


So ist nach vielversprechendem Beginn hier zwar weiterhin immer viel los, wirklich mitreißend wird es aber nur noch selten. Die Entscheidung, die Kindheit von Huw mit Ereignissen aus späteren Passagen des Buches zu bepacken, hat dann leider auch noch einen entscheidenden Nachteil. Das anfängliche Versprechen, hier ein Dorf über lange Zeit zu begleiten und sozusagen die Veränderungen über die Zeit mitzuerleben, wird schlicht nicht eingelöst. Es wirkt stattdessen eher merkwürdig, dass so viel passiert, Huw aber scheinbar keine Sekunde dabei altert. Das gibt einem irgendwie auch das Gefühl, dass die Ereignisse schon fast spurlos an Huw vorübergehen – was für eine zentrale Identifikationsfigur nun nicht gerade wünschenswert ist. Und so beraubt man sich hier selbst der Möglichkeit, wie ursprünglich anvisiert, ein Gefühl von Epos zu generieren und verhebt sich bei dem Versuch, alle Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.

Es gibt aber einen Bereich, in dem "Schlagende Wetter" am Ende doch wirklich Oscar-Kaliber hat. Denn dieser Film ist eindeutig einer der visuell schönsten, die ich bisher in dieser Reihe rezensieren durfte. Und das liegt nicht nur an der toll aufbereiteten Blu-ray, die zeigt, wie unglaublich schön Schwarz-Weiß-Filme aussehen können, wenn man diese nicht lieblos "vergammeln" lässt. Dank des tollen Auges von Ford und dessen Kameramann Arthur C. Miller verwöhnt man uns hier nämlich geradezu mit tollen Kompositionen und wundervoll kontrastreichen und stimmungsvollen Bildern, die schon fast etwas von Gemälden haben. Und wenn dann, was leider viel zu selten passiert, auch der emotionale Beat der Geschichte stimmt, dann generiert der Film wirklich eindrucksvolle Momente – gut zu sehen am Ende, wenn bei einem weiteren großen Schicksalsschlag für Huw endlich mal die Qualität von Bild und Story Hand in Hand gehen.
 


Am Ende ist das aber dann doch zu wenig, um so richtig ins Schwärmen zu kommen. Die Mitglieder der Academy sahen das damals aber anders (was auch an einer aggressiven Presse-Kampagne gegen "Citizen Kane" lag) und so gewann "Schlagende Wetter" am Ende gleich fünf Oscars ("Bester Film", "Beste Regie", "Beste Kamera", "Bestes Szenenbild" und "Bester Nebendarsteller"). Für mich dagegen scheitert "Schlagende Wetter" vor allem dank eines unfokussierten Drehbuchs daran, ein wirklich wuchtiges Filmerlebnis zu schaffen. Womit also der Ärger über die Academy, "Citizen Kane" nur mit der Trophäe für Bestes Originaldrehbuch abgespeist zu haben, berechtigt ist. Aber zumindest die Filmgeschichte hat diesen Fauxpas ja in Sachen Ansehen inzwischen korrigiert.

"Schlagende Wetter" ist aktuell als Import-DVD und Import-Bluray auf Amazon in Deutschland verfügbar. Auf Prime Video steht der Film ebenfalls digital (nur deutsche Tonspur!) zur Verfügung.
 


Trailer des Films
 


Szene aus dem Film: Unsere genesene Mutter erhält ein kleines Ständchen
 


Interviews mit den Beteiligten zum 50-jährigen Jubiläum des Filmes. 
 


Überblick 14. Academy Awards
Alle nominierten Filme der Kategorie “Outstanding Picture“ der 14. Academy Awards 1942 nochmal auf einen Blick – sortiert nach meiner persönlichen Rangliste des Jahres (fettgedruckt = Gewinner „Bester Film“).

  1. "Citizen Kane" (10/10)
  2. "Die kleinen Füchse" (9/10)
  3. "Die Spur des Falken" (9/10)
  4. "Verdacht" (8/10)
  5. "Sergeant York" (7/10)
  6. "Schlagende Wetter" (7/10)
  7. "Das goldene Tor" (7/10)
  8. "Blüten im Staub" (6/10)
  9. "Urlaub vom Himmel" (6/10)
  10. "Mit einem Fuß im Himmel" (5/10)

In unserer nächsten Folge klappt das mit dem Epos zumindest auf der musikalischen Ebene ziemlich beeindruckend, wenn wir in die 15. Academy Awards des Jahres 1943 starten.

Bilder: Copyright

Hi Matthias, dir ist ein kleiner Fehler unterlaufen. Bei Regie steht statt John Ford, der gute John Huston.

Permalink

Antwort auf von Jessi

Hallo Jessi,
irgendwie bringe ich im Schreibfluss die beiden Johns immer mal wieder durcheinander, diesmal hast du aber besser aufgepasst als ich;-) Danke für den Hinweis, habe ich direkt korrigiert.

Grüße

Matthias

Permalink

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.