Mit einem Fuß im Himmel

MOH (118): 14. Oscars 1942 - "Mit einem Fuß im Himmel"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 29. Juli 2025

In unserer letzten Folge hatte Religion unseren Protagonisten auf den rechten Pfad geführt, heute wiederum stellt sie unsere Hauptfigur vor große Herausforderungen.

Mit einem Fuß im Himmel

Originaltitel
One Foot in Heaven
Land
Jahr
1941
Laufzeit
108 min
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
5
5/10

Für die gute Sache sollten wir alle doch besser kürzertreten – mit genau dieser Botschaft bereitete Hollywood, nicht ganz ohne sanften Regierungsdruck (wie wir hier ja bereits beleuchtet haben), Anfang der 1940er Jahre das amerikanische Publikum auf den Eintritt in den Zweiten Weltkrieg vor. Ein Paradebeispiel für diese neue inhaltliche Stoßrichtung ist das Drama "Mit einem Fuß im Himmel", das sich der Lebens- und Leidensgeschichte eines methodistischen Pfarrers im frühen 20. Jahrhundert widmet. Warum ausgerechnet dieser Stoff für die große Leinwand auserkoren wurde, erschließt sich einem auf den ersten Blick erst mal nicht. Eine wirklich interessante Handlung ist nicht vorhanden, spannende Konflikte bleiben Mangelware. Klar wird die Entscheidung für die Produktion des Films erst, wenn man die Leidensfähigkeit der Hauptfigur als zentrale Botschaft an das amerikanische Volk versteht. Was einem in Sachen Unterhaltungsfaktor aber auch nicht viel bringt, denn selbst zwei durchaus charismatische Hauptdarsteller können das erzählerische Vakuum hier nur schwer mit Leben füllen.

Um ein wirklich erfülltes Leben zu leben hängt in den frühen 1900er-Jahren William Spence (Fredric March, "Ein Stern geht auf", "Die Elenden") sein Medizinstudium an den Nagel, da er eine starke religiöse Berufung verspürt. Zusammen mit seiner Verlobten Hope (Martha Scott, "Unsere kleine Stadt") beginnt er ein Leben als wandernder Methodistenpfarrer in mehreren kleinen Gemeinden im Mittleren Westen der USA. Mit bescheidenen Mitteln und in oft halb verfallenen Pfarrhäusern lebend schlägt sich die schon bald anwachsende Familie in den kommenden Jahren irgendwie durch. Als ob der Job aber nicht schon schwer genug wäre, hat William dann auch noch mit verstaubten Vorstellungen und Machtgelüsten verschiedener Gemeindemitglieder zu kämpfen. Mit seiner Vision, eine neue Kirche zu bauen und dabei manch alte Zöpfe abzuschneiden, handelt er sich so schnell Ärger mit einer wichtigen Mäzenin (Beulah Bondi), einer selbstverliebten Chorleiterin (Laura Hope Crews) und deren mächtigem Ehemann (Gene Lockhart) ein. Aber William entpuppt sich als leidensfähig und gibt nicht auf – selbst wenn dies für ihn und seine Familie negative Konsequenzen nach sich zieht.
 


Exemplarisch für mein Problem mit "Mit einem Fuß im Himmel" ist eine Szene gegen Ende des Filmes. Nach all den Entbehrungen und Prüfungen scheint unsere kleine Familie hier endlich ihr großes Glück gefunden zu haben. Doch der liebe William, durchzogen von religiösem Eifer, wirft dieses lieber ohne Umschweife weg, anstatt der Familie endlich die dringend nötige Verschnaufpause zu gönnen – koste es, was es wolle. Anstatt das seine Frau Hope aber endlich gegenüber ihrem Mann aufbegehrt, wirft diese sich lieber in dessen Arme und verspricht ewigen blinden Gehorsam. Zumindest ein kleines Wörtchen der Kritik hätte man sich da gewünscht, doch das ist eben nicht die Botschaft dieses Filmes. Komplette Selbstaufgabe für die gute Sache dagegen schon.

Über diese Botschaft könnte man ja nun angeregt diskutieren, wenn das alles weniger mit dem Holzhammer und vor allem emotional mitreißender erzählt wäre. Doch der Film krankt lange daran, dass außer dem permanenten Leiden unserer Kleinfamilie kaum etwas Spannendes passiert. So lebt diese in Armut, kämpft sich irgendwie so durch und lässt ihr Schicksal meist mit einer als heldenhaft gezeichneten Stoik über sich ergehen. Auch das wäre ja noch halb so wild, wenn zumindest die dahinterstehende Botschaft etwas mehr Nuancen hätte. Hat sie aber eben nicht.
Einen ersten Eindruck davon erhält man schon zu Beginn des Filmes, als William seiner Hope mit Unterstützung einiger Bibelzitate mitteilt, ab sofort die Religion dem Medizinstudium vorzuziehen.
 


Als sei das nicht schon pathetisch genug, zündet im Hintergrund exakt in dem Moment jemand eine Lampe an, damit sich ein schöner Heiligenschein über die Szene legt. Subtil geht anders. Solche Momente gibt’s hier zuhauf. Etwa wenn ein aufgebrachter William vom Chauffeur der reichen Lydia Sandow eine kleine Lektion in Sachen Aggressionsabbau erhält. Anstatt seine Erkenntnis einfach wirken zu lassen, stellt sich William danach bedeutungsschwanger hin, um noch mal haarklein zu erklären, was er da gerade gelernt hat. Was die Szene dann leider nicht tiefer, sondern bloß oberflächlicher wirken lässt. Und was sehr schade ist, denn eben dieser Chauffeur wird vom wundervollen Harry Davenport ("Hölle, wo ist dein Sieg", "Der Auslandskorrespondent") gespielt, einem tollen Charakterdarsteller, dessen Wärme und Charme mir in dieser Reihe nun schon mehrmals Freude bereitet hat.

Am deutlichsten zeigt sich dieses „Wir sagen lieber alles noch mal laut“ aber bei Williams Appell an seine Gemeinde nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. In einer Ansprache, die zu deutlich vor allem an das Publikum im Kinosaal adressiert ist, mahnt er vor dem Ausbruch eines weiteren Krieges. Und weist schon mal darauf hin, dass man demokratische Werte stets mit Mut und Entschlossenheit verteidigen muss. Kriegseintritt, ich höre dich trapsen. Auch musikalisch wird die patriotische Gesinnung von Max Steiners Score mir gefühlt eine Spur zu dick aufgetragen. Womit "Mit einem Fuß im Himmel" dann doch relativ schnell in die Richtung Propagandafilm kippt.
 


Am ärgerlichsten ist aber die Rolle von Hope in dem Film. Diese quittiert die Entscheidungen ihres Mannes die meiste Zeit mit kompletter Gefolgstreue. Was teilweise sehr schwer zu schlucken ist, da sich William bei genauerem Hinsehen nicht unbedingt als der selbstlose Geistliche entpuppt, der dieser gerne sein möchte. Gott mag für ihn an erster Stelle stehen, danach kommt aber auf jeden Fall mal er selbst und nicht etwa die eigene Familie. Das grenzt in manchen Momenten dabei schon an psychischen Missbrauch. Als Hope ihren Mann darum anfleht, zumindest für das zweite Kind den Namen mitbestimmen zu können, gibt dieser scheinbar klein bei – nur um dann bei der Taufe schon fast mit einem Grinsen sein eigenes Ding durchzuziehen. Was für ein manipulatives Arschloch.

Genau diese fragwürdigen Charakterzüge ploppen immer mal wieder auf. Wenn William zum Beispiel bei einem Hausbrand erst mal an die eigenen Bücher und erst dann an die eigene Familie denkt. Diesen Aspekt hätte man natürlich für ein faszinierendes Porträt gefährlicher religiöser Selbstverblendung nehmen können, doch das Drehbuch scheint dies eher als nebensächlichen Kollateralschaden zu verstehen und zeichnet William weiterhin lieber in heldenhafterem Licht. Immer wenn zwischen Ehefrau und Ehemann hier nun so etwas wie ein Konflikt aufblitzt, wird der auch schnell wieder glattgebügelt. Hope gibt stets nach, egal was kommt. 
 


So dümpelt die Handlung konfliktarm vor sich hin, bis gegen Ende immerhin ein paar Spannungen mit örtlichen Gemeindemitgliedern rund um den Bau einer neuen Kirche auftauchen. So richtig spannend umgesetzt ist aber auch das nicht gerade. Dass man trotz all dieser Schwächen bei all dem aber nicht völlig das Interesse verliert, liegt an zwei Dingen. Erstens hat der Film ein recht hohes Tempo. Es mag nicht viel Spannendes passieren, aber das passiert zumindest sehr flott. Das liegt  natürlich mit am Schnitt des Filmes, an dem übrigens mit Don Siegel der spätere Regisseur von "Dirty Harry" beteiligt war. Zweitens wären da noch Fredric March und Martha Scott. Beide zeigen hier wirklich gute Leistungen und schaffen es immer wieder, in gemeinsamen Momenten auch eine gewisse Wärme zu erzeugen – was sich im Fall dieses banalen Drehbuches allerdings auch als ein Kampf gegen Windmühlen entpuppt.

Und dann versteckt sich im Film zumindest noch ein ganz kleines Highlight für Cineasten, wenn Vater und Sohn eine Kinovorführung des (echten) Stummfilms "The Silent Man" (1917) besuchen. Rein dramaturgisch ist die Szene auch wieder eher banal, hat aber rein atmosphärisch so ihren Charme. Da der Film ja noch relativ nah dran an der Stummfilmzeit ist, versprüht die Szene einen nostalgisch-realistischen Flair, der irgendwie Freude macht. Wenn sich aber solch eine kleine Szene bereits als eines der wenigen Highlights eines Filmes entpuppt, sagt das schon einiges über das Gesamtprodukt aus. Deshalb zum Abschluss – ganz im Geiste des Films – eine klare Botschaft an alle Leserinnen und Leser: Diesen Oscar-Kandidaten kann man sich wirklich sparen.

 

"Mit einem Fuß im Himmel" ist aktuell als DVD auf Amazon in Deutschland verfügbar. 


Trailer des Films.
 


Szene aus dem Film: Glaube vs. Wissenschaft – Eine kleine Diskussion unter Freunden
 


Ausblick
In unserer nächsten Folge erwartet uns Großes. Ganz Großes.

Bilder: Copyright

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