MOH (122): 14. Oscars 1942 - "Urlaub vom Himmel"
In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".
In unserer letzten Folge hatte eine starke Olivia de Havilland ein durchschnittliches Drehbuch mit Leben gefüllt, im heutigen "Urlaub vom Himmel" sind es dagegen zu viele Schwächen, als dass selbst ein (wie immer) unglaublich charismatischer Claude Rains sie übertünchen könnte.
Urlaub vom Himmel

Ich habe in dieser Reihe ja schon öfter gesagt, dass, wenn ein Film mit einer cleveren Anfangsszene loslegt, ich in der Regel am Ende nicht enttäuscht werde. Nun, Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. "Urlaub vom Himmel" beginnt mit einem sympathisch-cleveren Gag und bringt sogar eine charmante Grundidee mit, schafft es aber dann trotzdem, eher frustrierend auf der Stelle zu treten. Da kann auch ein charismatisch aufspielender Claude Rains in einer Nebenrolle nur bedingt etwas daran ändern. Stattdessen verkompliziert der Film seine nette Ausgangsidee dramaturgisch unnötig und erklärt das Geschehen oft so ausführlich, dass die Leichtigkeit oft doch flöten geht – mal ganz abgesehen davon, dass unsere Hauptfigur hier nur bedingt zur sympathischen Identifikationsfigur taugt.
Diese Hauptfigur ist Joe Pendleton (Robert Montgomery, "Hölle hinter Gittern", "The Divorcee"), ein aufstrebender Boxer, der kurz vor seinem großen Kampf bei einem tragischen Flugzeugabsturz ums Leben kommt. Naja, zumindest landet er im Himmel. Denn der an dem Tag verantwortliche Engel (Edward Everett Horton, "Ich tanz’ mich in dein Herz hinein", "In den Fesseln von Shangri-La") hat leider einen kleinen Fehler gemacht und Joes Seele zu früh aus einem eigentlich noch überlebensfähigen Körper geholt. Dafür gibt es vom Vorgesetzten Mr. Jordan (Claude Rains, "Vater dirigiert", "Robin Hood – König der Vagabunden") eine Rüge und die Aufforderung, doch bitte den guten Joe wieder in seinen alten Körper zu stecken.

Leider ist dieser Körper aber von Joes Manager Max (James Gleason) bereits eingeäschert worden. Grund genug, dass sich Mr. Jordan von nun an persönlich dem Fall annimmt und Joe bei der Suche nach einer neuen "Hülle" begleitet. Fündig wird man schließlich beim skrupellosen Bankier Farnsworth, der von seiner Frau (Rita Johnson) und deren Geliebtem (John Emery) ermordet wurde. Im neuen Körper angekommen, verliebt sich Joe sogleich in die attraktive Bette (Evelyn Keyes), deren Vater durch Farnsworths Taten vor dem Ruin steht. Zum Entsetzen seiner Geschäftskollegen ist der "neue" Farnsworth nun aber auf einmal aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Joe will aber nicht nur die Ungerechtigkeiten Farnsworths rückgängig machen, sondern auch im neuen Körper seinen Traum vom großen Boxtitel ausleben. Kein einfaches Unterfangen, auch weil Farnsworths Frau und deren Geliebter über dessen überraschende "Auferstehung" nicht gerade erfreut sind.
Immer wieder habe ich mir bei diesem Film eine Frage gestellt: Was hätte wohl ein Frank Capra auf dem Regiestuhl mit dieser Idee gemacht? In der Story blitzen Motive aus dessen Filmen "Ist das Leben nicht schön" und "Mr. Deeds geht in die Stadt" auf, nur werden sie leider weder sonderlich charismatisch noch konsequent aufgegriffen. Dabei geht es eigentlich ganz vielversprechend los. Zu heimeliger Musik werden uns zu Beginn Bilder einer Naturidylle des "Paradise Valley" gezeigt, Texteinblendungen schwärmen von der Harmonie und Liebe des Ortes, bevor dann ein drastischer Stimmungswechsel erfolgt, die Szenerie einen Boxring mitten in der Natur offenbart und zwei Kämpfer sich ordentlich die Fresse polieren.

Das ist ein frecher und cleverer Beginn, der Lust auf mehr macht. Blöd nur, dass dieses Versprechen nie so richtig eingelöst wird. Dabei ist Joes Ankunft im Himmel gerade visuell eigentlich ganz nett umgesetzt, wenn er von unserem Engel durch ein Wolkenmeer zu einem ganz besonderen Flugzeug begleitet wird, mit dem er seine Reise fortsetzen soll. Dort stehen schon brav andere Verstorbene in der Warteschlange, und irgendwie ist dieses Szenario simpel aber süß umgesetzt. Doch genau wie Joe mit diesem Flugzeug nicht wirklich abheben wird, kommt auch der Film nie so richtig vom Boden los. Und schon relativ schnell zeigen sich die zwei zentralen Probleme des Filmes, die genau das verhindern.
Da wäre einmal ein Drehbuch, das irgendwie alles unnötig komplizierter macht als notwendig und dabei auch noch etwas ziellos daherkommt. Immer wieder sagt Mr. Jordan im Film, dass das Schicksal von Joe genau vorbestimmt ist. Solch eine Planung wünschte man sich auch von der Story, die immer wieder etwas ungelenk die Richtung wechselt und nie etwas so richtig konsequent durchzieht. Die schöne Idee, dass Jordan und Joe zum Beispiel gemeinsam neue Körper begutachten, wird einfach lieblos im Off erledigt – was für eine verpasste Chance. Stattdessen steckt man Joe schnell in den Körper unseres Businessmannes, wo nun eine klassische Fish-out-of-Water-Geschichte zu starten scheint: der einfache und moralisch integre Joe legt sich mit knallharten Machtmenschen an. Doch auch diese Storyline bricht man dann abrupt ab, ohne sie jemals richtig erzählt zu haben. Stattdessen kümmert man sich eher halbgar um die Liebesgeschichte zwischen Bette und Joe und vor allem um dessen Traum, im Boxring erfolgreich zu sein. So richtig scheint Joe aber auch nicht zu wissen, was er jetzt eigentlich will, und so wirkt vieles, was hier passiert, einfach irgendwie beliebig.

Dieses wilde Zickzack ist emotional relativ unbefriedigend, weil man nicht das Gefühl hat, hier wirklich zielgerichtet von den Filmemachern geführt zu werden. In einem anderen Bereich würde man sich dagegen deutlich weniger "Führung" wünschen, denn immer wieder werden uns in "Urlaub vom Himmel" Dinge erklärt, die wir schon längst wissen. Da erläutern Figuren ausführlich, warum sie jetzt genau das tun was sie tun, und es werden uns immer wieder die nun wirklich nicht komplexen Regeln beim Übergang vom Totenreich in das der Lebenden erklärt. Unsere Hauptfigur scheint das aber selbst nach hundertfachem Erklären immer noch nicht zu verstehen. Joe beschimpft weiter munter Leute, obwohl ihn Mr. Jordan schon mehrmals darauf hingewiesen hat, dass ihn auf der Erde doch keiner hören kann, solange er noch keinem Körper zugeteilt ist.
Das ist auf Dauer nicht nur ermüdend, sondern lässt unsere Hauptfigur auch ziemlich dumm aussehen, was wiederum ein Problem darstellt, wenn man bei dessen Schicksal mitfiebern soll. Es soll wohl teilweise lustig sein, zieht die Szenen aber auch immer wieder unnötig in die Länge und raubt ihnen an Leichtigkeit. Eine Leichtigkeit, die vor allem der Hauptfigur fehlt. Joe kommt hier wirklich als ziemlich tumber, immer wieder herumpöbelnder Charakter rüber. Diese Art Haudrauf-Hallodri, der ungern nachdenkt und stattdessen seinen emotionalen Kontrollverlust vor allem durch Beleidigungen auslebt, ist mir schon bei anderen Filmen dieser Zeit untergekommen. War damals wohl irgendwie attraktiv bei Männern, wirkt heute aber eher abstoßend. Und es ist einfach auch nervig, dass selbst nach der Hälfte des Filmes diese Figur scheinbar einfachste Zusammenhänge nicht begreift und sich weigert, auch nur ein bisschen den Grips anzustrengen.

Leider hat Robert Montgomery dann auch einfach nicht genug Charisma, um das irgendwie auf andere Weise aufzufangen. Und so fragt man sich, wie viel besser es gewesen wäre, wenn hier ein Jimmy Stewart vor und ein Frank Capra hinter der Kamera gestanden hätte. Denn auch das Comedy-Timing von Regisseur Alexander Hall basiert eher auf Zufall. Ein paar nett umgesetzte Gags sind zwar eingestreut, aber gerade weil sich viele Szenen lange ziehen (und manch Running Gag halt einfach nicht funktioniert), kommt nur vereinzelt mal Freude auf. Kombiniert mit ein paar viel zu theatralisch agierenden Nebenfiguren, wie einem Polizeiinspektor, stellt sich sogar auch schnell mal etwas Frust ein.
Wobei der Frust sicher auch damit erklärt ist, dass eben immer wieder das Potenzial der Geschichte doch mal kurz aufploppt. Und dadurch, dass man noch einen Schauspieler an Bord hat, der einem bei jeder Szene dann doch wieder viel Freude bereitet. Bette Davis hat einmal gesagt, dass das goldene Zeitalter Hollywoods für sie mit dem Tod von Claude Rains starb. Das mag ein bisschen pathetisch klingen, aber Rains ist wirklich einer der herausragenden Schauspieler dieser Zeit, der jedem Film immer eine gewisse Klasse verlieh, selbst wenn dieser sie eigentlich nicht verdient hatte. Und das gelingt ihm selbst in diesem dramaturgischen Wirrwarr auch hier wieder. Es reicht, wenn er einfach nur lächelnd als Beobachter im Hintergrund steht, und einem geht das Herz auf angesichts so viel Aura. Er bringt genau die Ruhe und Souveränität in den Film, die alle anderen Beteiligten besser ebenfalls an den Tag gelegt hätten.

Aber es ist halt am Ende nur eine Nebenrolle für Rains. Das reicht irgendwie, um diesen Film immer noch halbwegs annehmbar zu machen – was auch meine, angesichts der ganzen harschen Kritik, immer noch kulante Wertung erklärt. Gefühlt ist man angesichts des Potenzials dieser Geschichte am Ende aber eher frustriert als gut unterhalten. Vielleicht ist die filmische Umsetzung der Geschichte ja Warren Beatty, der den Stoff 1978 als Regisseur und Hauptdarsteller umsetzte, besser gelungen. Diese Version aus dem Jahr 1941 ist aber viel zu sehr verschenktes Potenzial und kann von der Filmgeschichte darum getrost ignoriert werden.
"Urlaub vom Himmel" ist aktuell als Blu-ray- und DVD-Import auf Amazon in Deutschland verfügbar, sowie (nur deutscher Ton) auf Amazon Prime Video. Alternativ ist der Film auch auf der Webseite des Internet Archive kostenlos abrufbar.
Trailer des Films.
Szene: Verwirrung bei der Ankunft im Himmel
Szene: War der eigentlich nicht tod? Das Auftauchen von Farnsworth verwirrt Julia und Tony – und liefert tatsächlich auch einen guten Gag.
Ausblick
In unserer nächsten Folge gibt es endlich mal wieder einen Klassiker und den verdienten Durchbruch für eine der größten Schauspielikonen Hollywoods.
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