MOH (87): 11. Oscars 1939 - "Robin Hood – König der Vagabunden"
In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".
Letzte Woche hatten wir es ja mit einer etwas boshaften Protagonistin zu tun, diesmal zeigt sich unsere Oscar-Reihe dank dem Dauergrinsen von Errol Flynn und jeder Menge Farbenpracht aber wieder von seiner charmanten Seite.
Robin Hood – König der Vagabunden
Die Legende von Robin Hood hat Hollywood schon immer fasziniert. In den letzten Jahren versuchte man, die Figur vor allem für ein modernes Publikum aufzufrischen, doch weder die auf Realismus statt Spaß setzende Ridley-Scott-Version von 2010 noch die seelenlos auf hip getrimmte 2018er-Verfilmung mit Taron Egerton blieben wirklich in Erinnerung. Stattdessen ertappt man sich dabei, für einen entspannten Filmabend doch lieber zur simplen, aber deutlich unterhaltsameren Kevin-Costner-Interpretation aus den 1990ern zurückzugreifen. Manchmal ist der klassische und einfache Ansatz eben besser, und genau dieses Prinzip beherzigt keine Robin-Hood-Verfilmung so konsequent und liebevoll wie "Robin Hood – König der Vagabunden" aus dem Jahr 1938. Mit einer märchenhaften Naivität lieben, duellieren und grinsen sich die Protagonisten hier in albernen Outfits durch knallbunte, von Technicolor getränkte Settings. Das ist so charmant und ansteckend, dass man am Ende als Zuschauer genauso viel grinst wie Errol Flynn im Film. Es ist aber auch ein wundervolles Beispiel dafür, dass eine intelligent umgesetzte Schlichtheit reichen kann, um ein tolles Endprodukt zu produzieren. Und genau das macht "Robin Hood – König der Vagabunden" noch heute zur unterhaltsamsten Filmadaption dieses Stoffes.
Die Verfilmung vereint dabei verschiedene Elemente der Robin-Hood-Legende zu einer stringenten Geschichte, die späteren Adaptionen immer wieder als Vorlage diente. Nach der Gefangennahme von König Richard Löwenherz (Ian Hunter, "Ein Sommernachtstraum") im späten 12. Jahrhundert reißt dessen machthungriger Bruder Prinz John (Claude Rains, "Ein rastloses Leben") die Macht in England an sich. Unter seiner Herrschaft leidet vor allem die arme Bevölkerung, was den adligen Robin von Locksley (Errol Flynn, "Unter Piratenflagge") in den Widerstand treibt. Zusammen mit einer Gruppe von Gefährten – darunter Will Scarlet (Patric Knowles), Bruder Tuck (Eugene Pallette, "Shanghai-Express"), Little John (Alan Hale Sr.) und dem Müllerssohn Much (Herbert Mundin, "Meuterei auf der Bounty") – lebt Robin fortan als Outlaw im Sherwood Forest. Getreu dem Motto: „Den Reichen nehmen, den Armen geben.“ Das ruft wiederum den finsteren Sir Guy von Gisbourne (Basil Rathbone, "David Copperfield") auf den Plan, der im Namen von Prinz John alles daran setzt, Robin zu stoppen. Doch nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch in Herzensangelegenheiten wird Robin für diesen schon bald zu einem ernstzunehmenden Rivalen, da beide um die Gunst der jungen Lady Marian (Olivia de Havilland) konkurrieren.
Mitte der 1930er-Jahre stand das Studio Warner Brothers vor einem Problem. Abgesehen von einigen Busby-Berkeley-Musicals dominierten vor allem härtere Gangsterfilme und sozialkritische Werke das eigene Portfolio. Doch die Produktion dieser Filme gestaltete sich zunehmend schwierig, da der Production Code immer mehr an Bedeutung gewann und mit ihm die Einhaltung des neuen "moralischen Codes" von Hollywood. Um sich breiter aufzustellen, entschied man sich beim Studio, nun auch vermehrt "saubere" Prestigefilme zu produzieren. Der erste Versuch, die Shakespeare-Verfilmung "Ein Sommernachtstraum", war allerdings kein finanzieller Erfolg. Einer der daran beteiligten Kostümdesigner hatte aber die Idee, dass sich Star James Cagney doch ganz gut im Robin-Hood-Outfit schlagen würde. Das Studio wurde neugierig, doch während der Drehbuchentwicklung für eine solche Verfilmung geriet Cagney mit Warner Brothers in Streit. Die Alternativlösung: das Erfolgspaar Errol Flynn und Olivia de Havilland aus "Unter Piratenflagge" sollte es richten. Eine Entscheidung, die sich am Ende mehr als bezahlt machen sollte.
Abgesehen vom Casting fielen hinter den Kulissen allerdings noch zwei weitere wichtige Entscheidungen im Vorfeld des Films. Erstens entschloss man sich, es mit dem ursprünglich angedachten intellektuellen Anspruch des Drehbuchs nicht ganz so eng zu sehen. Erste Drehbuchentwürfe, die ihren Figuren noch ein sehr klassisches Englisch in den Mund gelegt hatten, wurden zugunsten einer einfachen Sprache über den Haufen geworfen. Zweitens entschied man sich, den Film mit dem Technicolor-Verfahren in Farbe zu drehen. Kein leichter Schritt, da wir in unserer Oscar-Reihe ja bereits gelernt haben, welchen Aufwand und welche Kosten dies für die damaligen Produktionen bedeutete (unter anderem eine eigene Spezial-Crew nur für die Bedienung der Kameras). Beide Entscheidungen entpuppten sich am Ende aber als goldrichtig.
Das Ergebnis ist nämlich ein Film, der in knalligen Farben und mit einer simplen Leichtigkeit daherkommt, die allein darauf abzielt, jede Menge Spaß zu haben – und dafür nur zu gerne historische Fakten und Realismus opfert. Fangen wir mit der Optik an: Mit Technicolor erhält man extrem satte Töne, kräftige Farbkontraste und eine Art Wohlfühlwärme. Oder wie es die Werbung damals versprach: Glorious Technicolor. Damit das im Film natürlich richtig zur Geltung kommt, braucht es entsprechende Sets und vor allem ordentlich Farbe bei den Kostümen. Und die kriegen wir hier. Natürlich könnte man sich jetzt fragen, wie viel Sinn es macht, wenn Kollege Will Scarlett sich als Outlaw im Wald versteckt, dabei aber stets ein knallrotes Outfit trägt. Und überhaupt, ist es weise, in diesen dünnen farbigen Strumpfhosen durchs Dickicht zu hüpfen? Egal – am Ende sieht es einfach cool aus und trägt zur lockeren, märchenhaften Atmosphäre des Films bei.
Denn genau das ist es, was dieser Film optisch vermitteln will: Wir sind hier im Märchenland. Realismus spielt eine untergeordnete Rolle, mit Ausnahme vielleicht einiger wirklich gut gelungener Matte Paintings (also auf Glas gemalte Hintergründe, die mit echtem Filmmaterial kombiniert wurden). Wenn aber hier im Wald ein Felsen liegt, auf den Robin geschwind hüpft, merkt man meistens sofort, dass dieser hier eigentlich nicht hingehört. Stören tut das aber nicht, sondern trägt vielmehr zur gekünstelten Märchenwelt des Films bei. Inhaltlich ist das Ganze auch relativ simpel angelegt und erinnert stark an den Story-Aufbau von "Unter Piratenflagge": Unser Outlaw kämpft auf der Seite der Moral gegen die Obrigkeit, muss seine große Liebe aber erst noch von seinen hehren Motiven überzeugen. Und ein Fechtduell mit Basil Rathbone gibt es auch wieder obendrauf.
Dass die Schauspieler hier weit entfernt von jeglichem Method Acting agieren und immer wieder in ein gekünsteltes Lachen ausbrechen – geschenkt. Das wirkt am Anfang für heutige Zuschauer zwar etwas befremdlich, steckt aber ziemlich schnell an und schwenkt schnell in gute Laune um. Allen voran dank einem gut aufgelegten Errol Flynn, der sich mit dem Film endgültig als einer der größten Stars der Traumfabrik etablierte. Schon in "Unter Piratenflagge" war sein Charisma ja beeindruckend, hier legt er aber noch mal eine Schippe drauf. Mit welcher gut gelaunten Selbstverständlichkeit er in seinem eigentlich ja lächerlichen Kostüm den unerschütterlichen Helden gibt, ist eine Hollywood-Masterclass in Sachen Präsenz und Ausstrahlung. Sein Robin Hood bekommt dabei vom Drehbuch gleich einen ganzen Haufen starker Szeneneinführungen serviert. Ob eleganter Pferdesprung oder cooler Schwung mit einer Liane, einen normalen Auftritt legt diese Figur nur selten hin. Höhepunkt ist aber dessen Hereinplatzen in ein Festmahl von Prinz John, bei dem Robin Hood mit einem toten Hirsch auf dem Rücken jeglichen Sinn für gesellschaftliche Konventionen vermissen lässt.
Genau diese Szene ist das perfekte Beispiel dafür, warum dieser Film so viel Spaß macht. Umzingelt von Feinden und mit einer eigentlich ernsten Botschaft ausgestattet, absolviert Flynn diesen Auftritt so cool und entspannt, dass man gar nicht anders kann, als zu seiner Figur neidisch und lächelnd heraufzuschauen. Egal wie gefährlich die Situation ist, dieser Robin Hood möchte einfach nur Spaß haben und sieht alle Herausforderungen als große Spielwiese für die eigenen Talente. Das zieht sich durch den gesamten Film – selbst als man ihm später bei einem Bogenschützenturnier eine offensichtliche Falle stellt. Warum nicht einfach direkt reinlaufen? Ein bisschen Abenteuer hat ja noch keinem geschadet.
Es ist diese naive Leichtigkeit, die hier 102 Minuten lang für Freude sorgt. Wenn im Sherwood Forest Robins Gefährten fröhlich Ringelreihen tanzen, kann man nicht anders, als zu grinsen. In dieses Setting passt dann auch die naive Liebesgeschichte zwischen Robin und Marian. Olivia de Havilland spielt ihre Rolle passenderweise mit einem unschuldigen Charme, dem man sich nur schwer entziehen kann. Aber auch auf der Seite der Bösewichte besticht der Film durch eine exzellente Besetzung. Der wie immer charismatische Claude Rains gibt süffisant Prinz John, der wie Robin so seine Freude an der Herausforderung durch den widerspenstigen Gegenspieler hat. Basil Rathbone findet sich zwar wieder einmal in der Rolle des unterkühlten Bösewichts wieder, ist aber gerade in den Fechteinlagen mit Flynn ziemlich überzeugend. Ein Extralob geht an Melville Cooper, der mit seinem herrlich feigen Sheriff von Nottingham einen wundervollen Comic Relief abgibt.
Unterfüttert wird das alles mit ein paar netten Stunts und Kampfszenen, bei denen das Fechtduell zwischen Flynn und Rathbone dieses Mal auch deutlich packender als noch in "Unter Piratenflagge" ausfällt. Mit Howard Hill hatte man damals auch noch den berühmtesten Bogenschützen der Welt als Berater engagiert, der hier gleich mehrere neue Techniken für den filmischen Einsatz von Pfeil und Bogen einführte. Untermalt wird das alles noch von dem schmissigen Soundtrack von Erich Wolfgang Korngold, der die perfekte Mischung aus Pathos und Leichtigkeit liefert.
Was dem Film jedoch negativ anzumerken ist, ist das Produktionschaos hinter den Kulissen. Da das Budget und die Drehtage schnell überschritten wurden, musste das Drehbuch gleich mehrmals kurzfristig geändert werden. Zudem entschloss man sich mitten im Film, den Regisseur zu wechseln, da man William Keighley vor allem bei den großen Actionszenen nicht zutraute, diese adäquat umzusetzen. Michael Curtiz übernahm, der als harter Hund galt und von Flynn nicht besonders geschätzt wurde. Dennoch bringt Curtiz einige sehr schöne Kamerafahrten und kreative Shots mit Silhouetten ins Spiel. Allerdings wirkt der Film durch die vielen Änderungen stellenweise etwas abrupt bei seinen Übergängen und die Geschichte zu episodenhaft. Auch bei den Dialogen hätte man sich noch ein paar bessere Wortgefechte gewünscht – andere Filme dieser Zeit haben hier schon mehr geliefert. Und mit dem blassen Patric Knowles als Will Scarlett leistet man sich zumindest einen kleinen schauspielerischen Fehlgriff.
Dennoch lässt sich das alles angesichts der Leichtigkeit, des unterhaltsamen Trubels und der Farbenpracht auf dem Bildschirm gut verkraften. Gerade aus heutiger Sicht birgt die Geschichte zwar kaum große Überraschungen, aber darum geht es ja auch nicht. Sondern einfach darum, 102 Minuten entspannten Filmspaß zu haben. Und genau das liefert der Film. So überrascht es nicht, dass gerade "Robin Hood: König der Vagabunden" im Zweiten Weltkrieg zum Lieblingsfilm der amerikanischen Soldaten fernab der Heimat wurde. Schließlich ist es ja die große Stärke des Kinos, die Sorgen des Alltags vergessen zu machen und uns in eine andere Welt oder Zeit zu entführen. Das gelingt dem Film vorzüglich – und dann auch noch in beeindruckender Farbenpracht. Glorious Technicolor, glorious Entertainment.
"Robin Hood – König der Vagabunden" ist aktuell in einer großartigen Blu-ray-Special-Edition auf Amazon in Deutschland verfügbar.
Trailer des Films
Bogenschütze Howard Hill (Berater beim FIlm) zeigt seine Künste.
Ausblick
In unserer nächsten Folge treffen wir gleich wieder auf Regisseur Michael Curtiz – und auch die Stimmung bleibt heiter.
Neuen Kommentar hinzufügen