MOH (86): 11. Oscars 1939 - "Jezebel – Die boshafte Lady"
In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".
Gerne wären wir in der letzten Woche mit Elan in die 11. Academy Awards des Jahres 1939 gestartet, doch so richtig Schwung wollte trotz musikalischer Unterstützung in "Alexander's Ragtime Band" nicht aufkommen. Heute erwartet uns in "Jezebel – Die boshafte Lady" zwar keine Band, aber eine Menge prominenter Namen vor und hinter der Kamera schüren im Vorfeld schon mal Optimismus.
Jezebel – Die boshafte Lady
Auf unserer kleinen Reise durch die Filmgeschichte dürfen wir heute zwei weitere prominente Gesichter erstmals in unserer Oscar-Reihe begrüßen. Mit "Jezebel – Die boshafte Lady" erwartet uns nämlich ein Frühwerk der beiden späteren Hollywood-Legenden Bette Davis und Henry Fonda. Hinter der Kamera geht es aber auch illuster zu. Auf dem Regiestuhl sitzt William Wyler, der mit 12 Oscar-Nominierungen noch heute den Rekord in der Kategorie "Beste Regie" hält. Einer der Drehbuchautoren ist dann auch noch kein Geringerer als John Huston, der als Regisseur später mit "Die Spur des Falken", "Der Schatz der Sierra Madre" und "African Queen" Filmgeschichte schreiben würde. Perfekte Voraussetzungen für einen tollen Film, möchte man meinen. Doch selbst eine großartige Schauspielleistung und eine gute Regie können die eklatanten Schwächen eines zu unentschlossenen und unnötig dramatisierenden Drehbuchs am Ende nicht aufwiegen.
"Jezebel – Die boshafte Lady" basiert, wie viele Filme der damaligen Zeit, auf einem Theaterstück. Die wohlhabende Südstaatlerin Julie (Bette Davis) genießt es im New Orleans des Jahres 1852 geradezu, die strengen Konventionen der Gesellschaft bewusst zu brechen – sehr zum Leidwesen ihrer Familie und vor allem ihres Verlobten Preston (Henry Fonda, "Spiel mir das Lied vom Tod"). Nachdem Julie ihn einmal zu viel in aller Öffentlichkeit blamiert hat, entscheidet sich Preston dazu, die Beziehung zu beenden und nach New York zu ziehen. Ein Jahr später kehrt er mit seiner neuen Frau Amy (Margaret Lindsay) in die Heimat zurück. Für Julie, die Preston noch immer nachtrauert, ist das neue Eheglück aber kein Grund, die Avancen nicht wieder aufzunehmen. Sie möchte den Mann ihres Lebens mit allen Mitteln zurückerobern – was durch eine drohende Gelbfieber-Epidemie in der Region und dem ebenfalls an Julie interessierten Buck (George Brent, "Die 42. Straße") nicht gerade einfacher wird.
Klingt ja erstmal durchaus unterhaltsam – vor allem, weil es so gut zu Bette Davis zu passen scheint. Zeit ihres Schauspiellebens brillierte diese vor allem in Rollen, die man wohlwollend als moralisch ambivalent bezeichnen könnte: Figuren, die oft von großem Ehrgeiz, aber nicht immer von edlen Motiven angetrieben wurden. Davis hatte wenige Jahre zuvor für "Dangerous" ihren ersten Oscar als beste weibliche Hauptdarstellerin gewonnen; nun sollte mit "Jezebel" der zweite und letzte Goldjunge ihrer langen Karriere folgen. Völlig verdient, denn Davis ist als manipulative Südstaaten-Schönheit hier einfach großartig und das große Ass des Filmes. Sie spielt schlichtweg in einer ganz anderen Schauspielliga als ihre Kolleginnen und Kollegen. Mit stets perfektem Timing zaubert sie eine Figur auf die Leinwand, deren intrigantem Taktieren sie geschickt einen Schleier unschuldiger Naivität überstülpt und so eine nicht gerade sympathische, aber spannende Hauptfigur schafft. Ein unglaublich reifer Auftritt für die damals ja gerade erst 30-Jährige, und es macht Spaß, ihr bei dieser Performance zuzuschauen.
So beeindruckend diese One-Woman-Show schauspielerisch auch ist, gegen einen Gegner kommt am Ende auch sie nicht an. Bereits zu Beginn zeigt sich nämlich, dass das Drehbuch wohl Probleme bekommen dürfte, mit der Qualität von Davis' Leistung Schritt zu halten. So lässt man Julie gleich am Anfang gegen die althergebrachten Sitten und Gebräuche der damaligen Gesellschaft aufbegehren, indem sie den konservativen Dresscode einer Abendveranstaltung auf provozierende Art und Weise konterkariert. Klingt erstmal nach einer sympathischen Dosis modernem Feminismus. Dass sie dabei ihren eigenen Verlobten auflaufen lässt und dessen Gesichtsverlust in Kauf nimmt, ist dann auf rücksichtslose Art konsequent – kann man aber machen. Nur leider passt das so gar nicht zu der Figur, die uns danach erwartet. Im Anschluss gibt sie nämlich wieder die ihren Mann schon fast vergötternde Geliebte, was angesichts ihrer vorherigen Handlungen schon sehr irritiert. Noch schwerer wiegt: Ein Grund, warum diese beiden Menschen so viel füreinander empfinden sollten oder überhaupt einst zusammengekommen sind, wird uns nie glaubhaft vermittelt – sodass schon die erste Viertelstunde des Filmes irgendwie sehr konstruiert wirkt.
Eine gewisse Schuld trägt dabei auch der im Film noch sehr junge Henry Fonda. Der wirkt vor allem zu Beginn ein wenig steif, und gerade für die Szenen mit Davis hätte es doch deutlich mehr Feuer und Leidenschaft gebraucht. Vielleicht war Fonda auch einfach nicht ganz bei der Sache, da er zeitgleich die Geburt seiner Tochter Jane erwartete (die später ebenfalls eine ordentliche Schauspielkarriere hinlegen sollte, u. a. in "Der Butler", "Ewige Jugend"). Auf jeden Fall will sich zwischen Julie und Preston einfach kein überzeugendes und glaubhaftes Spannungsfeld aufbauen – für den Film, angesichts der zentralen Bedeutung dieser Beziehung, keine gute Nachricht. Ebenso wie die Tatsache, dass die Handlung mit weiterer Laufzeit immer unfokussierter daherkommt.
Für sich genommen ist es ja durchaus löblich, dass die damaligen Sitten und Bräuche der Südstaaten, wie die Sklaverei oder das Duellieren auf Leben und Tod, im Mittelteil kritisch vom Film kommentiert werden. Wirklich elegant in die Story integriert sind diese Aspekte aber nicht, und kommen leider auch etwas oberflächlich daher. Es wirkt fast so, als ob manche davon, wie ein Duell mit tödlichem Ausgang oder die Gelbfieber-Epidemie, hier allein in der Hoffnung auf das größtmögliche Drama gewählt wurden – ohne uns aber wirklich viel über die damalige Zeit oder die Figuren der Geschichte vermitteln zu wollen. Etwas interessanter wird es zumindest, wenn Preston vor seinen alten Südstaaten-Bekannten ein vorsichtiges Plädoyer für die Abschaffung der Sklaverei hält. Jetzt passt dann auch das eher analytische und ruhige Spiel von Henry Fonda deutlich besser zu dessen Figur. Aber das ist leider nur ein kurzer Ausflug in spannendere Gefilde, der kurz darauf dann auch wieder durch die Beschönigung der Sklaverei im Film etwas konterkariert wird. Wie für die damalige Zeit oft üblich (siehe "Vom Winde verweht") scheinen die Sklaven hier alle eher ein lockeres Leben zu haben. Statt schwer von der Arbeit gezeichnet ins Bett zu kippen, trällern diese abends lieber fröhlich und entspannt mit ihrer weißen "Besitzerin" ein Liedchen.
Letztere Szene kann man dem Film aufgrund des historischen Kontextes natürlich nur bedingt zum Vorwurf machen. Dass durch diese kleinen Nebenschauplätze die zentrale Story rund um Julies Rückeroberungsplan von Preston noch weiter an Tempo verliert, aber schon. Statt einer packenden, melodramatischen Intrige ist man so mit einem Film konfrontiert, der nicht so richtig zu wissen scheint, worauf er denn jetzt eigentlich hinauswill: melodramatisches Rachedrama oder intelligente Gesellschaftskritik. Irgendwie beides, aber nichts davon gelingt so richtig. Immerhin ist das alles noch hübsch anzuschauen, da Regisseur William Wyler ziemlich elegant seine Protagonisten in Szene setzt und mit kleinen Kamerafahrten immer wieder das Geschehen auflockert.
So ist "Jezebel", gerade wegen der Leistungen von Wyler und vor allem Davis, am Ende vor allem eine verpasste Gelegenheit. Das Drehbuch dreht sich am Schluss dann auch noch selbst einen kleinen Strick, da man seine bis dato egoistische und manipulative Hauptfigur mit einer unglaubwürdigen letzten Wendung schnell noch in eine andere Richtung schubsen möchte. So bleibt ein Werk, das zwar punktuell durchaus interessant ist, in seiner Gänze aber einfach nicht überzeugen kann. Die Leistung von Bette Davis mag einen Blick auf den Streifen zwar durchaus rechtfertigen, mit einem Auge schielt und hofft der Autor dieser Zeilen aber auf den nächsten Jahrgang. Da holte sich Bette Davis für "Opfer einer großen Liebe" nämlich gleich die nächste Oscar-Nominierung ab – hoffentlich unterstützt von einem deutlich besseren Drehbuch.
"Jezebel – Die boshafte Lady" ist aktuell auf Prime Video (nur in deutsch) oder als DVD und Blu-ray auf Amazon in Deutschland verfügbar.
Trailer zu "Jezebel – Die boshafte Lady"
Promo-Clip mit Bette Davis zum Film
Bette Davis blickt im Jahr 1973 auf den Film und die Arbeit mit Regisseur Wyler zurück.
Ausblick
In unserer nächsten Folge ist die Stimmung deutlich entspannter. Dort galoppiert unser Held nämlich gut gelaunt durch ein knallbuntes Abenteuervergnügen mit einer klaren Mission: Den Reichen nehmen, den Armen geben.
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