„Der Butler“ wirkt wie eine ernsthafte Form von „Forrest Gump“: Ein afroamerikanischer Butler erlebt über Jahrzehnte observierend und servierend alle wichtigen Szenen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Weißen Haus mit, in denen es um den Umgang mit Afroamerikanern geht, während sein Sohn zeitgleich bei allen wichtigen Momenten der Bürgerrechtsbewegung in den USA präsent ist. Der Regisseur Lee Daniels liefert hier einen Geschichtskurs im Schnelldurchgang, gibt aber vielen afroamerikanischen Schauspielern endlich einmal große Rollen in einem Film für das Massenpublikum und schafft es, das Maximum aus diesen großartigen Schauspielern herauszuholen.
Im Jahr 1926 arbeitet der kleine Cecil im Tiefen Süden auf einer Baumwollplantage, während seine Mutter (Mariah Carey) vom Plantagenbesitzer missbraucht wird. Als sein Vater sich dagegen auflehnt, wird er vom Plantagenbesitzer erschossen. Die alte Matriarchin der Plantage (Vanessa Redgrave) nimmt Cecil von da an mit ins Haus und lehrt ihn ein guter Butler zu sein. Später verlässt er die Farm, wird Butler in einem Hotel, kommt dann nach Washington, D. C., wo ihn jemand aus dem Weißen Haus servieren sieht und ihn für die Arbeit im Amtssitz des Präsidenten vorschlägt. Cecil (nun gespielt von Forest Whitaker) wird dort jahrzehntelang unter sieben Präsidenten arbeiten und kaum zu Hause sein, während seine Frau Gloria (Oprah Winfrey) zu Hause allein die Kinder erzieht sowie dem Alkohol und einem schmierigen Nachbarn (Terrence Howard) verfällt. Kaum erwachsen, schließt sich Sohn Louis (David Oyelowo) der Bürgerrechtsbewegung an. Sein kleiner Bruder Charlie geht als Soldat nach Vietnam.
Lee Daniels liebt es sein Publikum zu schockieren, wie zum Beispiel in seinem letzten Film „The Paperboy“, von dem wohl niemand noch etwas erinnert außer der Szene, in der Nicole Kidman im White-Trash-Barbie-Outfit auf Zac Efron uriniert. Bei „Der Butler“ musste Daniels sich mit so etwas zurückhalten, konnte aber seinen Hang zu großem Melodrama und der jeweils größten maximalen emotionalen Wirkung ausleben. Das Drehbuch von Danny Strong („Game Change“) basiert auf der stark fiktionalisierten Geschichte des echten Butlers Eugene Allen, dessen Biografie die drei Tage nach der Wahl Barack Obamas in der Washington Post unter dem Titel „A Butler Well Served“ beschrieben wurde. Eugene Allen hatte im Weißen Haus unter acht Präsidenten gearbeitet (von 1952 bis 1986, von Truman bis Reagan). Seine Filmversion namens Cecil Gaines beginnt einen Präsidenten später, mit Dwight D. Eisenhower, zu einer Zeit, in der der Präsident Soldaten ausschickte, um ein maßgebliches Urteil des Verfassungsgerichtes durchzusetzen, welches die Rassentrennung an Schulen abgeschafft hatte.
Forest Whitaker liefert hier die stärkste schauspielerische Leistung ab, die man bislang von diesem Oscarpreisträger (für „Der letzte König von Schottland“) sah. Er spielt einen Mann, dessen Arbeit ihm folgendermaßen erklärt wird: „Du siehst nichts, du hörst nichts, du bedienst nur“. Seine Würde und Ruhe, sein stiller Blick schaffen es sogar diesem quasi unsichtbaren Butler Komplexität zu geben, was viele andere Schauspieler überfordert hätte.
“Der Butler” hat seine stärksten Momente, wenn die abgeschottete Welt des Weißen Hauses der Welt von Cecils Sohn Louis inmitten der Bürgerrechtsbewegung gegenübergestellt wird. So sieht man zum Beispiel Cecil einmal mit weißen Handschuhen servieren, während sein Sohn mit seinen Kommilitonen in einem Diner in Nashville dort sitzt, wo nur weiße Gäste sitzen dürfen, und dafür misshandelt und angeschrien wird. Die Spannungen zwischen Cecil, der gelernt hat, dass es einen am meisten voranbringt, wenn man schweigt, die Regeln befolgt und hart arbeitet, und seinem Sohn Louis, der an allen Protesten teilnimmt und sich gegen die Regeln zur Wehr sitzt, zeigen eindrücklich die im Kino bisher nur selten gezeigte Lebenswelt afroamerikanischer Familien zu dieser Zeit. Während Cecil quasi unsichtbar serviert, wird Louis vom Ku Klux Klan angegriffen, als er mit einem „Freedom Rider“-Bus unterwegs ist, sitzt mit Martin Luther King im Hotelzimmer, bevor dieser ermordet wird und landet schließlich bei den Black Panthers.
Oprah Winfrey sieht man hier nach langer Zeit mal wieder als Schauspielerin und ihre Gloria ist großartig. Winfrey produzierte schon Lee Daniels“ Film „Precious“ und sagte wie so viele der Schauspieler (die zum Teil Tourneen und andere Projekte unterbrachen, um dabei sein zu können) sofort für diesen Film zu. Vollkommen irrwitzig erscheint hingegen die Besetzung der Präsidenten, die nicht unbedingt Ähnlichkeit mit der realen Person erforderte, sondern eher einen eigenwilligen politischen Witz des Regisseurs darstellt: Robin Williams spielt Eisenhower, James Marsden JFK, Liev Schreiber Lyndon B. Johnson, John Cusack Richard Nixon, Alan Rickman Ronald Reagan. Großartig unter diesen ist nur Jane Fonda als Nancy Reagan, die anderen werden eher wie Karikaturen dargestellt. Nancy Reagan lud tatsächlich den Butler Eugene Allen und seine Frau zu einem Staatsbankett anlässlich des Besuches des deutschen Kanzlers Helmut Kohl ein.
Trotz seines Rasens durch die Zeit (70 Jahre in etwa zwei Stunden Film) und der damit einhergehenden Dramatisierung des Geschehens sollte man “Der Butler” aufgrund des fantastischen Forest Whitaker und als Zeugnis der afroamerikanischen Geschichte gesehen haben. Wie weit der Weg zu einem afroamerikanischen Präsidenten der USA war, wurde noch nie so wie hier auf der Leinwand erfahrbar.
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