Das Sundance Festival in den USA ist die Plattform für Independent-Filmer, die Kritik am prüden, weißen, konsumsüchtigen oder kriegführenden Amerika üben. Das war und ist vor allem bei den Dokumentationen der Fall: Michael Moores "Fahrenheit 9/11", Morgan Spurlocks "Super Size Me" oder auch der diesjährige Dokupreis-Gewinner "God grew tired of us" (ein Film über den Kulturschock sudanesischer Flüchtlinge in Amerika) von Christopher Dillon Quinn. Mit "Glück in kleinen Dosen" stellte sich Regisseur Arie Posin im letzten Jahr auf dem Sundance Festival an die Seite der Gesellschaftskritiker - diesmal mit einer fiktiven Geschichte über die drogenbedingte Heiterkeit einer kalifornischen Vorstadt - und hat dabei immerhin eins geschafft: Selten entsprach ein Filmtitel so sehr der Meinung des Kritikers.
In der kalifornischen Vorstadt Hillside herrscht die vollständige Glückseligkeit. Der Zustand trügt, sorgt doch der Teenager Troy und sein Drogenhandel für die glücklichen Mienen zum eigentlich grauen und monotonen Alltag. Die Fassade beginnt zu bröckeln, als sich der junge Dealer erhängt und von seinem Freund Dean Stiffle (Jamie Bell, "Billy Elliot") entdeckt wird. Dean beginnt an seiner Umwelt zu zweifeln und auch Troys Mutter (Glenn Close) kann ihre Trauer bald nicht mehr hinter ihrem Lächeln verbergen. Gleichzeitig beginnen, unfreiwillig vom Drogennachschub abgeschnitten, seine Schulkameraden unter der Führung von Billy (James Chatwin, "Krieg der Welten") mit der Entführung von Deans "Bruder", um von Dean die Drogenvorräte Troys zu erpressen. Das Kidnapping droht zu eskalieren, als sich herausstellt, dass es sich bei dem Entführten um den Sohn des Bürgermeisters Ebbs ("Der ewige Gärtner" Ralph Fiennes) handelt.
Gleich zu Beginn stellt der Film die Bedeutung der Realität der Ereignisse in Frage. Auf einer Pixellandschaft entstehen gleichförmige Häuser. Nach und nach kommen einförmige Straßen und quadratische Gärten dazu. Eine elektronische Stimme aus dem Off führt in das Setting ein. Aus der Videospiellandschaft wird plötzlich ein realer Ort, Menschen in gleißend-pastellfarbenen Kleidern laufen bei strahlendem Sonnenschein durch ihre Stadt. Hillside ist eine knallbunte Bonbonwelt. Das ist vielleicht spätestens seit dem allweihnachtlichen "Edward mit den Scherenhänden" keine neue Idee mehr, doch die grenzenlose Überspitzung durch die Überschneidung von Realität und Fiktion, wirkt auch hier als passende Vorlage für eine Gesellschaftssatire à la "American Beauty".
In typischer Weise einer Satire sind auch die Charaktere gezeichnet. Es sind die Erwachsenen, die sich bis zum Schluss dieser Scheinwelt durch den Drogenkonsum ergeben. Deans Mutter verkauft selbst Pillen, die den "elementaren Energiespiegel" erhöhen, sein Vater ist Autor einer Art Anleitung zur Glückseligkeit und betrachtet Dean als Studienobjekt. Die Kinder, allen voran Dean, erkennen als erste das falsche Spiel und beginnen einen Kampf gegen die elterliche Vernachlässigung.
Doch hier offenbart der Film erste Schwächen. Der Wandel Deans vom Drogenkonsument zum Drogenbekämpfer ist nicht wirklich nachvollziehbar. Zu sperrig ist der Film zu Beginn, zu viel Zeit geht verloren, um den Überfluss an Charakteren einzuführen. Die Folge: die Figur Dean ist dem Zuschauer einfach zu egal, um seine Gefühle beim Anblick seines erhängten Freundes Troy (und somit seine Ablehnung gegen die Drogen) zu verstehen. Die Motivation aller Charaktere, so auch die Fortführung des gescheiterten Kidnappings des Bürgermeistersohns, bleibt nur zu vermuten. Vielleicht passt dieses teilnahmslose, unbegründete Handeln konsequenterweise in die Scheinwelt von "Glück in kleinen Dosen", dem Zuschauer bleibt dieses aber aufgrund der unzureichenden Einführung der Charaktere verborgen.
Gegen Ende schafft es "Glück in kleinen Dosen" dann doch, den Zuschauer in seine surrealistische Videospielwelt zu fesseln. Der Film nimmt Fahrt und Spannung auf. Jamie Bell als Dean darf dann auch endlich mehr von seinem Talent einsetzen. Sein fast mienenfreies Spiel (wie auch in "Dear Wendy") am Anfang weicht einem starken Ausdruck, der ganz der Zerrissenheit seines Charakters am Ende entspricht. Auch Hollywood-Veteranin Glenn Close als Miss Johnson besticht durch ihre herrlich-zynische Art. "Trinity" Carrie Anne-Moss als laszive, jung gebliebene Mittvierzigerin und Ralph Fiennes als sektärer Bürgermeister in ungewohnten Rollen komplettieren die hochkäratige Besetzung.
Nach und nach scheint sich doch noch alles zu einem stimmigen Ganzen zusammenzufügen. Doch die übertrieben deutliche Moral am Ende (schließlich geht es bei derlei Drogenkonsum und elterlicher Vernachlässigung nicht anders) wirkt in der Surrealität des Films dann doch irgendwie fehl am Platze.
Insgesamt also bietet der Film das Glück nur in kleinen Dosen. Seine Optik und die guten Darsteller machen ihn aber zu einem interessanten Kleinod unter den kommenden Neuerscheinungen -allerdings aber auch nicht mehr.
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