Die Verfilmung des Bestsellers "Die Geisha" des amerikanischen Autors Arthur Golden von Rob Marshall ("Chicago") ist zwar wunderschön anzuschauen, zeigt aber einen Orient, den es so nie gab: Willkommen in Geishaland, dem Asien-Themenpark Hollywoods, in dem Chinesinnen Japanerinnen spielen, der hohe Preis für die zwangsverkaufte Jungfräulichkeit ein Grund zum Feiern ist und man als kleines Mädchen Eis von Fremden annimmt, in die man sich sofort unsterblich verliebt.
1929 wird die Fischertochter Chiyo mit ihrer Schwester zusammen von ihren Eltern verkauft. Während Chiyo in einem Geisha-Haus in Kyoto landet, trifft es ihre Schwester übler: Sie landet gleich im Puff. Chiyo muss niedere Tätigkeiten verrichten, bis man herausfindet, dass sie das Zeug zu einer Geisha hat und fortan in den schönen Künsten ausgebildet wird. Schon als Kind trifft sie den Vorsitzenden (Ken Watanabe, "Der letzte Samurai", "Batman Begins" als der Mann mit dem Eis), den sie fortan unsterblich lieben wird und für den sie nun Geisha werden will. Immer angefeindet von der schönen Hatsumomo (Li Gong, "2046") muss Chiyo einiges ertragen, bis sie schließlich zu Sayuri (Ziyi Zhang, "House of Flying Daggers", "Hero", "Tiger & Dragon") wird, der begehrtesten Geisha von Kyoto.
Die Besetzung von zentralen Geisha-Frauenrollen mit chinesischen Schauspielerinnen sorgte an mehreren Fronten für Ärger. Dabei ist es eigentlich nicht neu, dass Hollywood Schauspieler anderer Herkunft als ihre Rollen besetzt (zum Beispiel Omar Sharif in "Dr. Schiwago" oder Ralph Fiennes in "Schindlers Liste"). Doch die Besetzung dieses stolz mit seiner "All-Asian Cast" vermarkteten Japan-Märchens macht manche Japaner wütend darüber, dass "ihre" Geishas von Chinesinnen gespielt werden, während auf der anderen Seite die Chinesen ihre Schauspielerinnen dafür beschimpfen, dass sie sich für den ehemaligen Kriegsfeind Japan ausnutzen lassen. So ist die Premiere des Films in China auch erst einmal auf unbekannte Zeit verschoben worden.
Angesichts des seit Jahren hochkochenden Nationalismus in Japan und China sind diese Reaktionen nicht verwunderlich. Doch auch auf westlicher Seite gibt es Kritik, ob diese Besetzung nicht rassistisch sei, weil impliziert werde, dass alle "Schlitzaugen" ja eigentlich gleich aussehen.
Die Schauspieler sind alle hervorragend, da gibt es nichts auszusetzen, doch eindimensionale Charaktere sind nicht unbedingt die anspruchsvollsten Herausforderungen. Sayuri ist das Aschenputtel, Hatsumomo eine böse Hexe, der Vorsitzende ist ein schöner Prinz und Mameha (Michelle Yeoh, "Tiger & Dragon") eine gute Fee. Man kann diese Liste mit den übrigen Charakteren weiterführen, vom Quasimodo (Nobu) bis zum Frosch (Dr. Crab) wird man noch einiges finden. Da ist es plötzlich nicht mehr verwunderlich, dass Aschenputtels/Sayuris beste Freundin "Kürbis" heißt. Bei Frauenkämpfen und Vortanzen sieht man aber doch einige schöne Schauspielmomente, bei denen die Damen zeigen können, dass sie mehr sind als nur Anziehpuppen.
Auch die Bilder von Kameramann Dion Beebe ("Chicago") sind sehenswert. Dieser verklärte Blick auf japanische Traditionen ist zumindest visuell ein Genuss. Besonders der Tanz von Sayuri ist in großartigen Bildern eingefangen, doch auch regennassen Straßen verleiht Beebe Atmosphäre. Die Kamera erinnert hier an die Epen der großen Hollywoodzeit, und Größe erreicht auch die wunderbare Musik, für die John Williams den Golden Globe einheimste.
Zusammen mit den schönen Frauen, Bildern, Kostümen, der prächtigen Ausstattung und den großen (wenn auch eher märchenhaft-überzeichneten) Gefühlen ist "Die Geisha" somit kein schlechter Film - wenn auch manchmal gepflegte Langeweile herrscht.
Arthur Goldens Buch "Die Geisha" kann man pseudorealistisch nennen, weil der Autor am Anfang einen Übersetzer erfindet, der die "wahre Geschichte" der Sayuri aufzeichnet und erst am Ende auflöst, dass er sie sich komplett ausgedacht hat - dafür aber behauptet, dass die von ihm erschaffene Welt realistisch ist. Doch dafür gab es schon bald nach der Veröffentlichung Schelte. Die von ihm während der Recherche interviewte ehemalige Geiko (Geisha ist ein eher negativ besetzter Begriff, den die Damen nicht verwenden würden) Mineko Iwasaki verklagte ihn wegen Vertragsbruchs, weil er ihren Namen in der Danksagung als Quelle erwähnte und ihre Erfahrungen und Erinnerungen negativ umgedichtet hatte. So wurde laut Iwasaki nicht nur ihre Jungfräulichkeit nicht versteigert, sondern existierte auch dieser Brauch überhaupt nicht in ihrer Provinz. Mag dies jetzt auch spitzfindig sein, so zeigt es doch, dass der Roman vorgibt etwas zu sein, was er nicht ist: authentisch.
Da ist es eigentlich ein Fortschritt, dass Rob Marshall den Film gleich als Fabel bezeichnet und diesen Pseudorealismus nicht unterschreibt. Doch stattdessen ist der Film noch märchenhafter als die Vorlage. Das Leben einer Geisha spielt sich in hübschen Dekorationen ab, in denen sie tanzen, musizieren und hübsch auszusehen übt und dabei nur durch die bösen Frauen um sie herum gefährdet ist. Dieser sicher-kuschelige Hafen mit gelegentlichen Ausbrüchen von Zickenterror ist so schön anzusehen, dass der Zuschauer kaum merkt, dass hier so ganz nebenbei Kinderverkauf durch die eigenen Eltern und Zwangsprostitution (wie sonst soll man die Versteigerung der Jungfräulichkeit nennen?) vorkommen.
Dramatisch überhöht und westlich-verklärt, ist "Die Geisha" mit Puccinis Oper "Madame Butterfly" oder der Musicalversion "Miss Saigon" zu vergleichen. Wer Lust auf ein exotisches Aschenputtelmärchen hat oder wem schöne Bilder, Kostüme und Musik genügen, wird diesen Film genießen. Kulturell an Japan Interessierte jedoch sollten schleunigst das Weite suchen.
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