Die Erwartungen sind hoch: Mit "Batman Begins" wird eine Franchise revitalisiert, die mit ihren ersten beiden Teilen (skurril inszeniert von Tim Burton) Standards der Blockbuster-Kultur der 90er definierte, mit ihren folgenden Sequels 3 und 4 (mainstream-freundlich inszeniert von Joel Schumacher) jedoch ebenso schnell an ihrem eigenen Overkill erstickte (mehr zur bisherigen Leinwand-Geschichte von "Batman" in unserem dazugehörigen >>> Spotlight). Gerade der knallig bonbonbunte "Batman & Robin" hatte gezeigt, wie seelenlos Popcorn-Kino verkommen kann, wenn es nur noch aus knackigen One-Linern, grellen Sets, Kostümen und Action-Szenen besteht. Am Ende wurde es einer der legendärsten Flops der 90er, und die Franchise wurde von den Fans zu Grabe getragen (Einige Spruchbänder verkündeten: "Nie wieder Schumacher!").
Acht Jahre nach dem Desaster hat sich der Rauch jedoch einigermaßen verzogen, und nach diversen Plänen für eine Revitalisierung der Reihe mit grundlegender Neuorientierung (anfänglich war auch einmal "Requiem for a Dream"-Regisseur Darren Aronofsky im Gespräch) entschied man sich schließlich für den englischen Regie-Hotshot Christopher Nolan. Der hat es nach seinem No-Budget-Festivalerfolg "Following", dem meisterhaften weltweiten Independent-Hit "Memento" und dem stilvoll umgesetzten Krimi-Remake "Insomnia" in Rekordzeit auf die A-Liste Hollywoods geschafft, und beweist auch bei "Batman Begins" erneut seine besten Qualitäten: Eine tiefgehende Auseinandersetzung mit dem eigenen Stoff, den Figuren und ihren Motivationen; eine visuell stilsichere, aber niemals selbstverliebte Inszenierung; und perfektes erzählerisches Handwerk.
Mit dem bedachtvollen Voll-Profi Nolan an der kreativen Kontrolle wird aus "Batman Begins" dann in der Tat die angestrebte Kehrtwendung: 180 Grad in die andere Richtung vom Schumacher-Batman, auf halbem Weg Richtung Burton abbiegen, und einen ganz neuen Weg erkunden. Das Ergebnis ist der vielleicht beste Film der gesamten Franchise.
"Batman Begins" tut genau das, was der Titel verspricht: Er erzählt die Anfänge des dunklen Ritters, und liefert als sein zentrales Handlungselement damit bereits ab, was allen bisherigen Batman-Filmen als dickes Minus angekreidet wurde: Die Auseinandersetzung mit der eigentlichen Hauptfigur. Noch in jedem bisherigen Teil war der nominale Superheld seinen schurkischen Gegenübern in Sachen Charisma und Charaktertiefe meilenweit unterlegen. Was dort fehlte, wird jetzt überreichlich nachgeholt: Im ersten Drittel des neuen Films wird die komplette Hintergrundgeschichte von Bruce Wayne (Christian Bale) erläutert - von seinem Sturz in eine Fledermaus-Höhle als kleiner Junge, über den tragischen Tod seiner steinreichen und sozial engagierten Eltern, hin zu seiner fast zwei Jahrzehnte langen, verzweifelten Suche nach einer Möglichkeit, diese traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten.
Diese führen Wayne schließlich aus einem nepalesischen Gefängnis zu dem mächtigen Geheimbund "Liga der Schatten", der unter seinem Anführer Ra's Al Ghul (Ken Watanabe aus "The Last Samurai") seit Jahrtausenden in Selbstjustiz die größten Herde des Bösen auf der Welt vernichtet. Nachdem Bruce von seinem Ausbilder Ducard (Liam Neeson) in die Kampfkunst der Schattenkrieger eingeführt wurde, kommt es aufgrund ethischer Differenzen jedoch zur handkräftigen Auseinandersetzung, und Bruce kehrt als Solo-Schattenkrieger in seine Heimatstadt Gotham City zurück. Dort baut er sich mit Hilfe seines Butlers Alfred (Michael Caine) und dem Forschungsabteilungsleiter seines Familienunternehmens Lucius Fox (Morgan Freeman) eine Zweit-Existenz als dunkler Ritter auf - Batman ist geboren.
Die logistischen Aspekte der Kreierung von Batman bilden einen Schwerpunkt des zweiten Filmdrittels, und unterstreichen den von Regisseur Nolan durchweg angelegten Realismus-Anspruch des Films: Schluss mit dem dusseligen Firlefanz der Vorgänger-Filme, Hinbesinnung zu den Tatsachen. Batman ist der einzige Superheld ohne Superkräfte - und dadurch besonders abhängig von einer Super-Ausrüstung. Die somit notwendige Entdeckung, Erschließung und Ausstattung der berühmten "Bat-Höhle" wird entsprechend ausgiebig dokumentiert, was sogar für den einen oder anderen Lacher gut ist, wenn Bruce Wayne und Alfred mit den Vor- und Nachteilen größerer Bestellmengen beim Einzelteil-Zulieferer kämpfen.
Erst, als der Held fertig eingerichtet und ausgestattet ist, konzentriert sich "Batman Begins" auf seinen ersten großen Kampf gegen das organisierte Verbrechen, der bis hier her in geschickten Subplots etabliert worden war: Im Zentrum stehen der Mafiaboss Carmine Falcone (Tom Wilkinson, "In the Bedroom"), der korrupte Psychiater Dr. Jonathan Crane (Cillian Murphy, "28 Days later") - und ein paar alte Bekannte, die mit dem Korruptions- und Verbrechenssumpf in Gotham City mit sehr rabiaten Mitteln aufräumen wollen. Außerdem mit von der Partie: Der alte Haudegen Rutger Hauer als Richard Earle, der in Bruces Abwesenheit die Geschicke von Wayne Enterprises lenkte und sich hübsch an der Firma bereichern will; Gary Oldman als Batmans einziger Verbündeter bei der korrupten Gothamer Polizei, der aufrichtige Leutnant Jim Gordon; und Katie Holmes als Bruces Jugendfreundin und nun Assistenz-Staatsanwältin Rachel Dawes.
Ein mächtiges Line-Up namhafter Darsteller, das da zusammengetragen wurde, doch auch hier sind gewichtige Unterschiede zur Casting-Strategie der Vorgänger-Filme zu erkennen: Anstatt Ikonen-hafter Superstars á là Arnold Schwarzenegger, Jim Carrey oder George Clooney, die jeden subtilen Aspekt ihrer Comic-Figuren ersticken, setzte man hier vor allem auf Charakter-Darsteller, die für die angepeilte Figurentiefe entscheidenden Beitrag leisten. Größen wie Michael Caine und Morgan Freeman zum Beispiel können allein bereits einen Standard-Blockbuster-Film durch eine gelungene Nebenrolle hochspielen. Dazu kommen noch kluge "Gegen den Strich"-Besetzungen: Liam Neeson darf als zwielichtiger Lehrmeister Ducard endlich mal unterschwellig böse sein, und Gary Oldman war anscheinend so glücklich, nicht für noch einen Blockbuster als Bösewicht dienen zu müssen, dass seine zurückhaltende Vorstellung als schrulliger Leutnant Gordon fast schon zum leisen Höhepunkt des Films wird. Katie Holmes setzt als eigenständige Frauenfigur, deren Plotfunktion übers bloße Püppchen-Potential hinausgeht, ebenfalls wichtige Akzente weg vom Blondinen-Babe-Faktor der Vorgänger-Filme.
Eine hochkarätige, durchweg hervorragend agierende Darsteller-Riege also, an deren Spitze sich Christian Bale als Idealbesetzung für den Titelhelden erweist. Während die inneren Konflikte und Dämonen von Batman hinter den glatten Gesichtern von Michael Keaton, Val Kilmer und George Clooney stets verborgen blieben, gelingt es dem Ausnahme-Mimen Bale, genau diese hervorzubringen. Als Veteran solch komplexer Figuren wie in "American Psycho", "The Machinist" oder "Equilibrium" kann sein Bruce Wayne/Batman endlich der zerrissenen, geplagten Seele gerecht werden, die die Fans der Comic-Vorlage stets von den Verfilmungen einklagten, aber bisher nie bekamen.
Der Drang nach mehr Substanz und Realitätsnähe zieht sich auch durch das gesamte Design des Films: Keine Bösewichter mit komischen Spitznamen und in albernen Kostümen - außer Batman wandet sich hier niemand außergewöhnlich, und auch die Bat-Uniform ist deutlich funktional angelegt und hat nichts mehr mit den peinlichen Nippel-Panzern aus "Batman & Robin" zu tun. Gewichtigste Änderung: Das Bat-Mobil sieht nicht mehr aus wie ein zu lang gezogener, zu tief gelegter Sportwagen, sondern erscheint als recht klobiger Zwitter zwischen einem Porsche und einem Hummer-Geländewagen doch weitaus realistischer und eher wie ein Auto, mit dem man auch Kurven fahren und über Dächer springen kann. Gotham City ist zwar immer noch mächtig "gothic", aber durch zurückhaltendes Set Design im Vergleich zum knallbunten "Batman & Robin" und eine Reduktion auf ein fast monochromes Farbspektrum ist die Stadt auch wieder als leicht überhöhte Version real existierender Urban-Metropolen zu erkennen.
Alles ganz anders, und alles im Trend: In der aktuellen Comicfilm-Renaissance steht "Batman Begins" deutlich in der Schule von "Spider-Man 2", denn auch hier wird vornehmlich versucht, die komplexen Charaktere der Vorlage auf die Leinwand zu transportieren, und nicht mehr dumpf und ausschließlich mit buntem Spektakel zu punkten. Action weicht verstärkt dem Drama, und auch wenn das eine fürs Genre herzlich zu begrüßende Entwicklung ist, bringt sie auch ihre Schwachpunkte mit sich: Durch seine Konzentration auf die Figuren wirkt "Batman Begins" in Sachen Action geradezu schwach auf der Brust. Die Kämpfe werden kurz gehalten und Nolan schneidet sie so, dass Batman auch fürs Publikum meistens als dunkler Ritter erscheint - er schlägt ungesehen zu und ist auch ungesehen wieder weg. Das ist atmosphärisch toll, aber letztlich zu unspektakulär für einen Film, dem ein richtig satter Action-Höhepunkt fehlt (da hat "Spider-Man 2", bei allem Charakter-Tralala im Mittelteil, immer noch dick aufgelegt).
Auch die fortwährenden Debatten über Bruce/Batmans Gemütszustand sind irgendwann genug: Zu viele kleine Ansprachen mit großen Worten machen "Batman Begins" zu redselig und zeigen auf, dass sich Christopher Nolan und sein Co-Autor David S. Goyer (bisher verantwortlich für die rhetorisch und charakterlich eher unterentwickelten "Blade"-Filme) mit dem pathetischen Grundton der Batman-Saga ein wenig schwer tun. Eine Schwäche, die sie allerdings mit ihrer ansonsten handwerklich exzellenten Erzählung wieder wett machen: Wie effizient und schnörkellos sie in der ersten halben Stunde die Hintergrundgeschichte von Bruce Wayne abklären, dabei schon einmal elegant alle wichtigen Hauptcharaktere auftauchen lassen, auch wenn diese erst viel später relevant werden, und hierbei auch noch eine verschachtelte Vor- und Rückblende-Struktur verwenden, die niemals zu Verwirrungen führt aber konstant Spannung und Interesse oben hält - das ist schlichtweg großartig erzählt.
Popcorn- und Action-Fans also bitte aufgepasst: "Batman Begins" ist ein intelligentes (!) Charakter-Drama (!!) mit hervorragenden Schauspielern (!!!) und vielen Dialogen (!!!!). Schlägereien und Action-Szenen gibt es auch einige, aber sie stehen fern ab vom Zentrum. Mit vollem Bewusstsein lenkt Nolan die unter zuviel Popcorn begrabene Batman-Franchise in die entgegen gesetzte Richtung und setzt ein deutliches Statement für die Zukunft - dem Trend folgend, bei Comic-Verfilmungen die Vorlage mehr und mehr als Quelle komplexer Charaktere und Konflikte zu verstehen, denn als bloßen Lieferant spektakulärer Action-Szenarien.
"Batman Begins" wird vielleicht keine 200 Millionen Dollar einspielen, aber er wird viele treue Fans versöhnen und zufrieden stimmen, wenn nicht sogar begeistern. Und mehr kann man sich für die Revitalisierung einer Franchise wahrlich nicht wünschen.
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