Auf ungewöhnliche, bizarre und übernatürliche Fälle setzt ein Geheimbund des Vatikans seinen besten Mann an: Gabriel Van Helsing (Hugh Jackman), Monsterjäger ohne Gedächtnis, die perfekte Waffe. Sein neuester Fall hat es aber in sich: In Transsylvanien treibt ein gewisser Graf Dracula (Richard Roxburgh) sein Unwesen. Zusammen mit dem furchtsamen, aber hilfreichen Waffenschmied Carl (David Wenham, im Gegensatz zu seiner heroischen Faramir-Rolle in "Herr der Ringe" kaum wiederzuerkennen) macht sich Van Helsing auf die Jagd nach dem Blutsauger und seinen drei Bräuten. Dabei trifft er Anna Valerious (Kate Beckinsale), die auf der Abschussliste (genauer: Anbeißliste) des Vampirfürsten steht. Gemeinsam geraten sie in das Abenteuer ihres Lebens, bei dem auch die Erfindungen eines gewissen Dr. Frankenstein und ein mysteriöser Wolfsmann eine Rolle spielen....
Ein Film, der die gleichen Schwächen hat wie der letztjährige "Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen", gegen den sich das Sean Connery-Vehikel aber trotzdem wie ein Meisterwerk der Filmgeschichte ausnimmt, hat Probleme. Richtige Probleme. Wir reden hier von "Ich bin Texaner und schiebe Schicht im Alamo"-Problemen. Ehrlich, wenn es was Gutes zu "Van Helsing" zu sagen gäbe, der Rezensent würde es hier tun. Mal überlegen, vielleicht gibts da ja doch was. Okay, der Film war "nur" etwas über zwei Stunden lang. Man hätte uns ja auch drei Stunden lang quälen können. Die schwarzweiße Anfangssequenz war atmosphärisch dicht und eine schöne Hommage. Oh, und Miss Beckinsale sieht natürlich auch hier wieder sehr attraktiv aus. Man kann sich immerhin an ein, zwei Einstellungen, die ihre attraktive Kehrseite in den Mittelpunkt rücken, erfreuen (für die Frauen gibt's Hugh Jackmans nackten Oberkörper). Bei diesem Film muss man wahrlich nach kleinen Freuden Ausschau halten. Da können die Kollegen aus so manchen Printmagazinen nach Ansicht des Trailers "Van Helsing" schon mal prophylaktisch zum ersten großen Filmereignis des Jahres er- bzw. verklären, nüchtern betrachtet ist dieser Film ein einziges Katastrophengebiet. Schrottige CGI, grottige Dialoge - hier geht so gut wie gar nix mehr.
Nie hatte der Begriff "Das Gehirn an der Garderobe abgeben" mehr Bedeutung als hier. Da aber bereits die Macher dieser Aufforderung nachkamen, setzt dieser Film mit einem IQ knapp über dem einer Knoblauchzehe voraus, dass die Zuschauer ebenso dumm sind. Sorry, liebe "Van Helsing"-Macher, so doof ist hoffentlich keiner. Dabei liegt das Desaströse des Films nicht einmal in der zugegebenermaßen gewagten plottechnischen Verwurstung der größten Monster aus dem Universal-Filmarchiv (Dracula, Wolfsmann, Frankensteins Monster). Die ist nämlich trotz unzähligen Logiklöchern gar nicht mal komplett schlecht. Aber sie funktioniert zu keiner Sekunde, was zu gleichen Maßen an Stephen Sommers' Vorliebe für käsige CGI und seine peinlichen Versuche, dem Zuschauer menschliches Drama zu kredenzen, liegt.
Fangen wir mit den Effekten an, von denen alle zwei Minuten was zu sehen ist. Zu sehen ist vor allem, wie unecht manche Grafik ist und wie albern die meisten der computergenerierten Monster daherkommen. Schaut man sich Sommers' "Die Mumie"-Filme an, so fällt einem auf, dass der Regisseur nicht an Realismus im herkömmlichen Sinne, am völligen Verschmelzen von Effekt und Realfotographie interessiert ist wie es beispielsweise Peter Jackson bei seinem "Herr der Ringe"-Epos war. Hier sticht das Unechte, Comic-hafte der Effekte hervor. Sommers findet das wohl charmant. Ist es ja irgendwo vielleicht auch, aber nur im dazu passenden Film. Im selbstironischen, nur mäßig ernst gemeinten "Die Mumie" klappte das noch vorzüglich. Aber es funktioniert überhaupt nicht in einem Film, der sich bitterernst nimmt. Da krankt es dann nicht nur an den in einem "ernsten" Kontext albern wirkenden Effekten, sondern auch an der Geschichte selbst.
Eine dermaßen verwegene Story wie diese kann man nicht wirklich ernst meinen, und hätte Sommers sich für einen trashigen, selbstironischen Spaß entschieden, "Van Helsing" hätte vielleicht funktioniert. Aber so? Inmitten der käsigen CGI noch großes menschliches Drama kreieren, und das mit dem Schreibtalent eines Neunjährigen? Dieses Drehbuch hat einige der unfreiwillig komischsten Szenen der letzten Jahre und viele wirklich fürchterliche One-Liner zu bieten, aber Dramatik, Tragik und Pathos? Tragisch einzig das Scheitern von Sommers als Autor von zumutbaren Dialogen. Am schlimmsten hat es Kate Beckinsale erwischt, denn die darf Peinlichkeiten gleich im Dutzend aufsagen. Schönstes Beispiel: Inmitten der Werwolfjagd fällt Anna ganz unvermittelt folgendes ein: "Ich habe noch nie das Meer gesehen. Da muss es wunderschön sein". Mm-hmm, einmal Capri sehen und sterben, schon klar. Und so geht es konstant weiter. Carl fragt das Frankensteinsche Monster möchtegernwitzig "Hast Du schon mal in den Spiegel gesehen?", das Monster selbst ist bibelfest und beschimpft Vampire als "verdammte Untote" (Preisfrage: Was zum Geier ist er dann?) und der eigentlich mundfaule, obercoole Van Helsing will später auf einmal Moral und Toleranz und eine bessere Welt predigen.
So schaufeln sich die ernstgemeinten Passagen fleißig ihr eigenes Grab. Einzig Richard Roxburgh ist ein Lichtblick. Der hat nämlich das Ganze durchschaut und spielt seinen Dracula so maniriert und tuntig, als wäre er noch immer im "Moulin Rouge". Seine süffisant-übertriebene Art des Sprechens lässt seine hölzernen Texte wenigstens unterhaltsam erscheinen, was man von dem verbissenen Aufsagen seitens der Hauptdarsteller nicht behaupten kann. Apropos: Frau Beckinsale war doch gerade erst in einem schlechten Werwolf/Vampir-Streifen ("Underworld"), warum musste da der zweite gleich hinterherkommen? Man kommt nicht umhin, festzustellen, dass die wirklich talentierte Frau Beckinsale sich offensichtlich nur noch an Schund verschwendet ("Pearl Harbour"), zumindest aber kein glückliches Händchen bei der Wahl ihrer Mainstream-Projekte hat.
Tja, und für Hugh Jackman muss sich das beim Pitch großartig angehört haben: Spiel mit im Abräumer des Jahres und zementiere nach "X-Men" deinen Status als Actionheld mit Herz! Doch der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist wieder mal groß. Zumal man auch bei der Charakterisierung sehr bequem war und dieser Gabriel Van Helsing eigentlich nur Wolverine ohne Krallen und mit längeren Haaren ist. Das leitet dann gleich über zur nächsten unfreiwilligen Albernheit, wenn sich in Van Helsing gegen Ende Animalisches regen soll und sein Fauchen klingt wie Wolverine mit Sodbrennen. Beckinsale und Jackman versuchen, sich noch kompetent aus der Affäre zu ziehen, aber ihren Figuren und gerade der Liebesgeschichte zwischen den beiden ist einfach nicht beizukommen. Selten hat man in einer Pressevorführung einen Filmkuss erlebt, den die versammelten Journalisten derart mit hämischem Beifall und Zurufen bedachten.
Völlig jenseitig ist auch das Zeitgefüge in "Van Helsing". Man ist ja bei dieser Art des Films gewillt, über Unlogik und Unrealismus großzügig hinwegzusehen, etwa wenn ständig irgendwelche Seile und Kabel äußerst günstig parat sind, an denen sich die Helden in der Not emporschwingen können. Aber übertreiben darf man's trotzdem nicht. Und vor allem sollte man nicht Sachen storybegründet in den Mittelpunkt stellen, die sich als kompletter Mumpitz erweisen. So nehmen die Macher wohl an, dass es keinem Zuschauer auffällt, dass hier zwischen zwei Vollmondnächten nicht ein ganzer Monat liegt, sondern höchstens fünf Tage.
Wo man hier zu schnell unterwegs ist, geht es dafür im Finale zu langsam. Absolut absurd: Da wird groß die Bedeutung des zwölf mitternächtlichen Glockenschläge aufgebauscht, mit wichtigen Ereignissen, die zwischen dem ersten und letzten Glockenschlag liegen müssen. Der erste Schlag wird dann von Van Helsing noch extra deutlich angezählt ("Eins!") damit das auch jeder mitkriegt. Dann geht's erst mal zum viertelstündigen Schlussgefecht, bei dem die Zeit jetzt offenbar sehr langsam läuft. Zu überprüfen ist das nicht, denn der ach so wichtige letzte Glockenschlag - findet gar nicht statt. Genauso wie die zehn anderen dazwischen. Da fragt man sich wieder, was das jetzt eigentlich sollte. Aber beim Erreichen des im ernstgemeinten Kitsch komplett unfassbaren Schlussbildes ist das auch schon egal. Da will man nur noch raus.
Nur um das noch mal klar zu sagen: Es könnte ja alles Schwachsinn hoch zehn sein, wenn man sich denn wenigstens gut unterhalten würde. Aber dieser Film zieht sich über sehr lange zwei Stunden ohne große Höhepunkte hinweg. Klar, ständig kracht und knallt es und irgendwelche CGI-Viecher fliegen kreischend durch die Gegend. Aber das alles ist dennoch so dermaßen stereotyp, vorhersagbar und lahm. Und dadurch auch schade. Denn die alte Figur des Vampirjägers neu zu erfinden, so wie es vor ein paar Jahren "Blade" tat, das wäre doch was gewesen. Wenn man sich aber nur anderswo bedient und nicht eine frische, originelle Idee einbringt, dann kommt nur ein weiterer hirnloser Popcornfilm heraus, den die Welt nicht braucht.
"Van Helsing" ist schlecht konstruiert, furchtbar geschrieben, hölzern gespielt, hat höchstens mittelprächtige Spezialeffekte und einen Spaßfaktor, der im Verlaufe des Films immer mehr gegen Null tendiert. Es gibt guten und schlechten Trash und dann gibt es auch so was wie "Van Helsing" - dies ist "100 Millionen Dollar für Scheiße ausgegeben"-Trash. "Das Abenteuer hat einen Namen" plärrt reißerisch der Untertitel und Werbeslogan. Korrekter wäre: Die Langeweile hat einen Namen. Überlang, überdämlich, überflüssig.
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