Lange Zeit glich der Auftakt in den Kinosommer ja rein finanziell einem Schneckenrennen. Insbesondere Filme wie “The Fall Guy“ oder “Furiosa“ blieben in Sachen Einspielergebnis schon sehr deutlich unter ihren Erwartungen. Ein wenig überraschend sprang dafür nun Pixars “Alles steht Kopf 2“ in die Presche und überschritt als erster Film des Jahres in Rekordzeit die magische Grenze von einer Milliarde Dollar an den weltweiten Kinokassen. Ein Ergebnis, das aber nicht nur Kinobetreiber, sondern auch das Publikum freuen darf. Denn obwohl die Fortsetzung nicht die Frische des Originals erreicht, entpuppt sich “Alles steht Kopf 2“ als ziemlich unterhaltsames Sequel, das sein Herz am rechten Fleck trägt.
Am gleichen Fleck wie früher sitzen auf jeden Fall zu Beginn unsere aus dem Vorgänger schon vertrauten fünf Emotionen: Kummer (Phyllis Smith), Wut (Lewis Black, “Oh je, du Fröhliche“), Ekel (Liza Lapira), Angst (Tony Hale, “American Ultra“, “A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“) und Freude (Amy Poehler, “Neid“). Nämlich immer noch im farbenprächtigen Kontrollzentrum des Gehirns der nun im Teenageralter angekommenen Riley (Kensington Tallman). Das geregelte Leben der fünf Gefährten ändert sich aber schlagartig, als Riley in die Pubertät kommt und mit dieser ein Haufen neuer Emotionen die Kommandobrücke stürmt. Ziemlich schnell ist klar, dass neue Emotionen wie Zweifel (Maya Hawke, “Maestro“, “Do Revenge“), Neid (Ayo Edebiri) oder Peinlich (Paul Walter Hauser) den Arbeitsalltag nicht gerade einfacher machen werden. Und so wird dann auch ein Wochenendausflug von Riley zu einem Eishockey-Nachwuchscamp gleich zu einer ersten großen Belastungsprobe – und sorgt dafür, dass unsere ursprüngliche Crew schon bald die überfüllte Kommandozentrale für ein nächstes großes Abenteuer räumen muss.
Die kreative Kommandobrücke des Filmes hat wiederum Pixar-Urgestein Pete Docter (“Soul“, “Oben“) verlassen, der beim Vorgänger noch als Regisseur und Autor am Werk war. Stattdessen darf Pixar-Eigengewächs Kelsey Mann sein Spielfilmdebüt auf dem Regiestuhl feiern. Dem Look und Feel des Filmes merkt man diesen Wechsel kaum an, gerade Fans des Erstlings werden sich hier sehr schnell zu Hause fühlen. Das fängt schon bei der Optik an, denn ein allzu großer visueller Unterschied fällt (zumindest dem Laien) im Vergleich zum ja immerhin fast zehn Jahre alten Vorgänger nicht auf. Nicht falsch verstehen, wie immer bei Pixar sehen die Animationen blendend und gerade in diesem Fall auch sehr farbenprächtig aus. Aber es gibt jetzt auch keinen Moment, der im Vergleich zum ersten Teil rein visuell so richtig heraussticht.
Da aber schon der großartige Vorgänger (für den Autor dieser Zeilen der bisher beste Pixar-Film) vor allem dank seiner kreativen Ideen und einem riesengroßen Herz punkten konnte, ist dies aber nun wirklich vernachlässigbares Jammern auf höchstem Niveau. Allerdings muss man zugeben, dass auch der Wow-Effekt in Sachen inhaltlichem World Building hier natürlich ebenfalls kleiner ausfällt. Wie das halt der Fall ist, wenn eine brillante Idee noch ein zweites Mal genutzt wird – Einzigartigkeit lässt sich eben nicht kopieren. So sind wir mit vielen Mechanismen dieser Welt bereits vertraut, haben manche Locations schon gesehen und sind einigen kreativen Einfällen, wie dem Auftauchen unterdrückter Kindheitserinnerungen oder dem Bruch mit dem modernen Animationsstil, so schon einmal in ähnlicher Form begegnet.
Das ist jetzt oft die Stelle in einer Filmkritik, bei der man sich über den seelenlosen Fortsetzungswahn Hollywoods beschwert. Davon sind wir hier aber glücklicherweise ganz weit weg. Wir haben es hier nämlich nicht mit dem Pixar der “Cars“-Reihe zu tun, bei dem der Fokus gefühlt mehr auf dem Cash Flow als kreativen Einfällen liegt. Stattdessen erinnert der Spirit mehr an die “Toy Story“-Reihe und damit an das Bedürfnis, auch bei einer Fortsetzung soviel Herzblut und Hirnschmalz wie möglich einfliessen zu lassen. Gerade in der ersten halben Stunde ist das besonders gut zu spüren, da die Mischung aus Humor, Intelligenz und Wärme einfach wundervoll funktioniert. Vom unglaublich charmanten Auftritt einer vergessenen Computerspielfigur bis hin zu den genauso witzigen wie cleveren Wortgefechten zwischen alter und neuer Crew, man kommt hier einfach nicht aus dem Dauergrinsen heraus.
Dazu kommen immer wieder diese wundervollen Pixar-Momente, die noch mal ein Level tiefer gehen und grundsätzliche menschliche Eigenschaften und Wahrheiten auf so clevere Weise aufgreifen, dass es sich lohnt kurz innezuhalten und über seine eigenen Lebenserfahrungen zu reflektieren. Wohl am Besten im Film in einer Sequenz getroffen, in dem die einst kindliche Kreativität von Riley auf einmal von der Zweifel-Figur einem ganz neuen Einsatzbereich zugewiesen wird. Aber auch ganz kleine Ideen, wie ein kurzer Emotions-Cameo im Hauptquartier, lassen beim Publikum sowohl Herz als auch Kopf höherschlagen.
Über weite Strecken kann man dem Film also eigentlich nur “vorwerfen“, die Einzigartigkeit des Vorgängers und das damit verbundene Staunen des Publikums nicht wiederholen zu können – eine aber von Beginn an unmögliche Mission. Ein paar kleine zusätzliche Schwächen leistet man sich im Lauf der 96 Minuten dann aber leider doch noch. Gefühlt fällt der Mitteilteil mit der Zeit ein wenig ab, da er hier und da etwas zu hektisch wirkt und besser noch ein paar ruhigere Momente vertragen hätte. Und gegen Ende wirkt die Auflösung dann, gerade angesichts des sonst so interessant gestalteten Zusammenspiels der verschiedenen Emotionen, ein klein wenig zu glatt und einfach. Das hat man im ersten Teil dann doch mit etwas mehr Grautönen interessanter hinbekommen.
Nichtsdestotrotz bleibt auch am Ende von “Alles steht Kopf 2“ kein Auge trocken. Und das bei einem Film, der sich ja eigentlich “nur“ den Gefühlsirrungen eines kleinen Mädchens an einem einzigen Wochenende widmet. Womit wir uns am Ende nicht nur wieder ein bisschen in Riley, sondern auch in das in den letzten Jahren ja etwas unbeständiger auftretende Pixar verlieben. Dass ausgerechnet dieser Film jetzt einen solchen finanziellen Erfolg feiert macht dann auch Hoffnung. So sehr wir uns natürlich Originalstoffe statt Fortsetzungen wünschen, wenn man schon auf Sequels setzt, dann bitte mit dem gleichen Herzblut umgesetzt wie hier. Das ist hoffentlich auch Disney für die Zukunft eine Lehre, denn mit diesem Einspielergebnis ist ein dritter Teil vermutlich nicht abzuwenden (eine Serie ist für Disney+ ja bereits in Arbeit). Mit “Toy Story 3“ hat Pixar allerdings ja schon bewiesen, dass so etwas nicht zwangsläufig etwas Schlechtes sein muss. Hoffentlich sitzt beim Verfassen der Kritik dann, wie bei den beiden bisherigen Teilen, im Gehirn des Rezensenten auch wieder “Freude“ an der Kommandokonsole.
Neuen Kommentar hinzufügen