Aktuell findet in den Kinos ja ein fast brachialer Rundumschlag gegen alle selbstverliebten Mitglieder der High-Society statt. In “Triangle of Sadness“ wird humorvoll in der Erbärmlichkeit ihrer Existenz gesuhlt, in “The Menu“ enden diese gar selbst auf der Schlachtplatte und nun zieht auch noch “Glass Onion – A Knives Out Mystery“ ihnen genüsslich die Hosen runter. Rian Johnsons Nachfolger zur gefeierten Agatha Christie-Hommage “Knives Out“ nutzt dabei sein Setting in der abgehobenen Welt der Schönen und Reichen für eine wundervoll leichtfüßige und witzige Mörderjagd, bei der sich vor allem wieder einmal die ungebremste Spielfreude von Daniel Craig nahezu eins zu eins auf das Publikum überträgt.
Dieses Mal verschlägt es den Meisterdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) auf die luxuriöse Insel des Tech-Milliardärs Miles Bron (Edward Norton). Als Stargast darf Blanc dort an einem Murder Mystery Dinner teilnehmen, das Bron für eine illustre Gruppe alter Freunde organisiert hat. Miträtseln dürfen unter anderem auch noch der muskelbepackte Influencer Duke (Dave Bautista, “Army of the Dead“, “Guardians of the Galaxy“), das ehemalige Model Birdie (Kate Hudson, “Almost Famous“, “Nine“), die aufstrebende Politikerin Claire (Kathryn Hahn, “Captain Fantastic“, “So was wie Liebe“), Brons Chefentwickler Lionel (Leslie Odom Jr., “One Night in Miami“) sowie Brons ehemalige Geschäftspartnerin Andi Brand (Janelle Monáe, „Moonlight“). Angesichts der Spannungen vor Ort ist sich Benoit Blanc aber schon bald sicher: dieses Krimidinner wird deutlich blutiger ausfallen als geplant.
Vor zwei Jahren gelang Regisseur Rian Johnson (“Looper“, “Star Wars: Die letzten Jedi“) mit “Knives Out“ eine sowohl von der Kritik als auch dem Publikum gefeierte elegante Liebeserklärung an den Detektivfilm. In seiner ja schon fast verzweifelten Suche nach einer funktionierenden Franchise griff dann Netflix zu und sicherte sich für einen Rekordbetrag gleich die Rechte an zwei weiteren Fortsetzungen. Dies dürfte angesichts dessen, was Johnson nun mit dem ersten Nachfolger "Glass Onion – A Knives Out Mystery“ abliefert, wohl eine der besseren Business-Entscheidungen des gerade kriselnden Streaming-Dienstes gewesen sein. Viele Stärken aus dem ersten Film werden nämlich auch in Benoit Blancs zweitem Fall wieder gekonnt ausgespielt. Gleichzeitig gelingt aber alleine schon durch den Wechsel des Settings und manch dramaturgische Entscheidung ein frischer Farbanstrich, der den Film nicht wie einen billigen Abklatsch seines Vorgängers wirken lässt.
So kommt der Film deutlich energiegeladener und peppiger daher als sein eher klassisch-betulich wirkender Vorgänger (nicht, dass dies damals ein Nachteil war). Los geht es mit einer flotten und sehr verspielt inszenierten Einführungssequenz, in der unsere Protagonisten ihre Einladung zu Brons mysteriöser Party erhalten. Dort offenbart sich dann auch schnell, dass die meisten der Partygäste eher mit ihrem überbordenden Hang zur Selbstdarstellung als mit Intelligenz punkten können. Aus dieser Tatsache zieht der Film dann auch den Großteil seines Humors, der sich vor allem über die Selbstverliebtheit der Protagonisten und ihre begrenzte Kapazität für kompliziertere Gedankengänge lustig macht. Zugegeben, der abgehobene Lebensstil eines Tech-Milliardärs oder die Oberflächlichkeit eines Social-Media-Sternchens sind natürlich ein ziemlich einfaches Ziel, und so wirkt der Witz in "Glass Onion – A Knives Out Mystery“ nicht mehr ganz so subtil-entlarvend wie in manchen Momenten des Vorgängers.
Dafür ist die Gagdichte diesmal aber spürbar höher und die Witze teilweise übertrieben surrealer, passend eben auch zur dargestellten Klientel. Da die meisten Pointen aber richtig gut sitzen, ist "Glass Onion“ auch diesmal wieder ein extrem kurzweiliges Vergnügen geworden, dessen größte Stärke am Ende aber immer noch die Figur in der Mitte dieses abgedrehten Mikro-Kosmos ist. Schon in den letzten Jahren hat Daniel Craig mit seiner Rollenwahl abseits der “James Bond“-Reihe versucht, eine Festlegung auf den ikonischen Geheimagenten mit allen Mitteln zu verhindern. Wer sich einmal die aktuelle Werbekampagne einer bekannten Wodka-Marke mit Craig anschaut, der merkt wie drastisch Craig darin vorgeht, sein öffentliches Image in eine andere Richtung zu lenken. Das erklärt dann auch die unglaubliche Spielfreude, die Craig bei Benoit Blanc an den Tag legt. Mit seinem flamboyanten Charme und einer liebevollen Arroganz erschafft Craig einen Charakter, dem man so einfach nicht oft auf der Leinwand begegnet. Und der einen Heiden Spaß macht – Craig und dem Publikum. Dabei hat Craig auch das Glück, dass das Drehbuch die stärksten Szenen für ihn reserviert und ihm gleich mehrmals die perfekte Bühne für den ganz großen Auftritt bereitet.
Tolle Dialoge, eine flotte Inszenierung und ein Daniel Craig in bester Spiellaune – und trotzdem reicht "Glass Onion – A Knives Out Mystery“ am Ende nicht ganz an den Vorgänger heran. Das liegt vor allem an der Art der Nebenfiguren. Die sind zwar alle ziemlich überzeugend gespielt, doch angesichts ihrer Charakterzüge entwickelt man nur wenig Empathie für sie und empfindet die Figuren auch als deutlich oberflächlicher und langweiliger als im Vorgänger. Und mit Claire hat man auch noch einen Charakter an Bord, dessen ständige Aufgekratztheit dann doch vereinzelt etwas zu nervig wirkt. Manche Zuschauer dürften ebenfalls auch etwas frustriert davon sein, dass es diesmal deutlich schwieriger ist aktiv mitzurätseln. Das liegt vor allem an einem kleinen dramaturgischen Kniff in der Mitte des Films, der auf der einen Seite unglaublich erfrischend ist und den Film noch einmal auf ein neues Level hebt, Ratefüchsen aber ein wenig den Boden unter den Füßen wegzieht.
Den positiven Gesamteindruck kann das aber nur ein klein wenig schmälern. Und so darf am Ende sowohl Netflix als auch das Publikum glücklich sein. Endlich eine Franchise, bei der man sich jetzt schon uneingeschränkt auf das nächste Kapitel freuen darf.
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