Italien in den 60er Jahren: Guido Contini (Daniel Day-Lewis) gilt als einer der besten und berühmtesten Filmemacher der Welt, doch zehrt er zunehmend von verblassendem Ruhm. Seine letzten Filme waren Flops und viele trauen ihm kein neues Meisterwerk mehr zu. Die Zweifel sind berechtigt, denn der Meister befindet sich mitten in einer tiefen kreativen Krise und die diversen Frauen in seinem Leben machen die Sache zwar mitunter angenehmer, aber trotzdem nicht einfacher. Guido kann sich nur mit Mühe zusammenreißen und pendelt ständig zwischen Inspiration und Verzweiflung, Erinnerungen und Träumen. Als es konkret werden und der "große neue Film" endlich gedreht werden soll, stehen das Projekt und sein Regisseur schließlich auf sehr wackeligen Füßen.
Die Ehefrau (Marion Cotillard) und die Geliebte (Penelope Cruz), die Muse (Nicole Kidman) und die Journalistin (Kate Hudson), der erotische Jugendtraum (Stacey Ferguson), die gute Freundin (Judi Dench) und die große Mutterfigur (Sophia Loren) - an aufregenden und schönen Frauen herrscht wahrlich kein Mangel in diesem Film, aber wer die nennenswerten Damenrollen zusammenzählt, um sich so den Filmtitel zu erklären, kommt erstens "nur" auf Sieben und begibt sich auch auf die falsche Fährte. Die richtige führt zu einem Werk aus dem Jahre 1963 namens "8 ½", in dem es ebenfalls um die Schaffens- und Sinnkrise eines gefeierten Regisseurs ging, der von Marcello Mastroianni dargestellt wurde, aber nichts anderes war als das Alter Ego von Federico Fellini. Der hatte kurzerhand die eigene künstlerische Blockade zum Thema seines Films gemacht und diesen nach sechs Spiel- und drei Kurzfilmen als Titel einfach entsprechend nummeriert: "8 1/2" gilt seit Jahrzehnten als ein cineastisches Meisterwerk und als der wohl vielschichtigste und überzeugendste Versuch einer Reflektion der Welt des Kinos über sich selbst.
Nun also "Nine", eine Musical-Version dieses nicht gerade leichten Stoffes, die aber auf einer bereits 1982 entstandenen und auch recht erfolgreich gelaufenen Broadway-Inszenierung beruht. Konkreter Anlass für diese neue Adaption war die Suche nach einem weiteren Musical-Stoff für Rob Marshall, der nach seinem großen Erfolg mit "Chicago" weiter in diesem Genre aktiv bleiben wollte. Und da "Chicago" die Welt des Theaters abfeierte, "Nine" aber die des Kinos, war ein Zurückbringen des Themas auf die Leinwand sicher eine nachvollziehbare Überlegung.
Wie konnte es aber nun dazu kommen, dass diese mit viel Hoffnung auf diverse Auszeichnungen und ein großes Publikum von einem erfahrenen Team auf den Weg gebrachte Produktion beides letztendlich nicht erreichen konnte? Denn sowohl bei allen bedeutenden Nominierungsrunden, als auch an den US-Kinokassen wurde "Nine" weitestgehend mit Nichtbeachtung bestraft. Dafür gibt es zunächst einmal zwei Erklärungsansätze, die völlig unabhängig von der tatsächlichen Qualität des Films zu sehen sind. So bietet der hier gezeigte Einblick in die Luxusprobleme und Neurosen eitler Künstlerseelen sicher nur wenig Sympathie- und Identifikationspotential für den allergrößten Teil der potentiellen Zuschauer, und als Kritiker kann man natürlich leicht die Nase rümpfen über diese "Trivialisierung" eines doch eher intellektuellen Stoffes und dessen Verwandlung in einen oberflächlichen bunten Bilderreigen mit Musik und Tanz (gilt doch das Musical gemeinhin nicht gerade als anspruchs- und niveauvolles Filmgenre). Wer bitte soll sich das also anschauen wollen?
Nun, vielleicht all diejenigen, die sich einfach von der Komplexität und Tiefe der Vorlage trennen und trotzdem erkennen können, dass wir es auch hier mit einer echten Liebeserklärung an das Kino zu tun haben; die vielleicht Fellinis Film gar nicht kennen, dafür aber in Rob Marshalls Variante sehr wohl einzelne magische Momente mit Gänsehauteffekt finden werden. Denn davon gibt es einige, angefangen bei der wunderschön detaillierten Neuerschaffung einer faszinierenden Epoche in Form der glitzernden Welt überlebensgroßer Stars während der Hochphase des italienischen Autorenkinos. Die engen Gassen des 60er-Jahre-Roms, die Fahrt durch eine faszinierende Landschaft im blauen Alfa Spider, die farbenprächtige Bebilderung von Guido Continis Träumen, Erinnerungen und Fantasien.
Dazu Lieder, die zwar keinesfalls alle im Ohr und Gedächtnis bleiben, bei denen aber dennoch einige mit großer Wucht vorgetragen werden, wie etwa Kate Hudsons "Cinema Italiano" und "Be Italian" von Black Eyed Peas-Frontfrau Stacey Ferguson oder die bewegende Erkenntnis von Marion Cotillard, im Leben ihres Mannes letztlich immer nur die zweite Geige zu spielen, denn "My Husband makes Movies". Überhaupt gelingen in diesem Handlungsstrang die emotionalsten Momente, wenn etwa Guidos Ehefrau Luisa bei Probeaufnahmen zum neuen Film erkennen muss, dass selbst die Augenblicke, die sie für ihre ganz persönlichen und eigenen hielt, nichts weiter als eine Masche ihres Mannes sind, die er routiniert auch bei anderen, noch unbedarften Nachwuchsschauspielerinnen anwendet.
Sprachen wir schon über die beeindruckende Riege an weiblichen Darstellerinnen, die sich hier die Ehre gibt? Auch wenn nicht jede der sieben Damen eine wirklich tragende Rolle abbekommen hat, so bekommen doch alle ihre Momente und werden dabei unglaublich vorteilhaft von der Kamera eingefangen, und sogar der nahezu sprachlose Auftritt der Diva Sophia Loren verströmt dabei einfach nur Stil und Klasse. Und dann wäre da ja auch noch Daniel Day-Lewis, der Hahn im vielleicht attraktivsten Korb der Filmgeschichte, der zum wiederholten Male demonstriert was eigentlich den Begriff "Schauspieler" im Kern ausmacht, nämlich die Verkörperung völlig unterschiedlicher Charaktere in einer Perfektion, die den eigentlichen Darsteller dahinter komplett verschwinden lässt. Denn wer das Chamäleon Day-Lewis zuletzt in "There will be Blood" gesehen hat wird kaum glauben können, dass es sich hierbei um den gleichen Darsteller handelt.
Zugegeben, die Figuren in "Nine" sind nicht besonders liebenswert, schaffen sich ihre Probleme (von denen einfache Menschen nur träumen können) weitestgehend selbst und bestehen zumindest teilweise mehr aus allgemeinen Stereotypen, die man dann "die Muse" oder "die Versuchung" betiteln kann. Und auch dramaturgisch kann von einer echten Spannungskurve kaum die Rede sein. Aber dieser Film funktioniert eben nicht auf die klassische Weise, er lebt nicht von der Summe seiner Teile sondern von einzelnen, herausragenden Sequenzen. Das ist mitunter durchaus anstrengend, belohnt aber immer wieder mit wundervollen Momenten - auch und vor allem den Cineasten.
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