Nachdem die filmische Zusammenführung ihrer größten Superhelden in Form von "The Avengers" die ohnehin schon phänomenale Erfolgswelle der Marvel Studios zu neuen Höhen spülte und somit eigentlich sicher war, dass sämtliche mit dieser Truppe verbundenen Fortsetzungen ebenfalls mehr als ihr Geld einspielen würden, war die Zeit wohl reif für ein Wagnis. Und dass man bei Marvel (bzw. Disney, die sich die Comic-Produktionsfirma ja mittlerweile einverleibt haben) in der Tat ein wenig nervös ob dieses Wagnisses war, lässt sich auch daran ablesen, dass man im vergangenen halben Jahr dem Trailer zu "Guardians of the Galaxy" kaum entkommen konnte - gefühlt vor jedem Kinobesuch lief er über die Leinwand. Der immense Werbeaufwand war indes verständlich, denn im Gegensatz zu Marvels bisherigen Leinwand-stürmenden Superhelden war der Wiedererkennungswert für die "Guardians" quasi gleich Null. Natürlich gibt es auch hierfür eine Comic-Vorlage, aber die kann sich wahrlich nicht größerer Berühmtheit erfreuen. Weshalb man es sich zum einen erlauben konnte, mit der Vorlage recht frei umzugehen, zum anderen aber eben auch nichts außer einem doch etwas bemüht auf lustig machenden Trailer in der Hand hatte, um das Publikum neugierig zu stimmen. Ein durchaus riskanter Wurf - der jedoch hundertprozentig ins Ziel traf. Mit einem US-Startwochenende jenseits der 90 Millionen Dollar schlugen die "Guardians of the Galaxy" ein wie eine Bombe, und das vollkommen zurecht. Denn was die Marvel Studios hier raus gehauen haben, ist so ziemlich das launigste und lustigste Stück formvollendeter Mainstream-Unterhaltung, was man aus dieser Quelle bisher gesehen hat. Und das will bei der Konkurrenz schon was heißen.
Zum ersten Mal überrascht wird man hier bereits in der ersten Minute, denn "Guardians" wartet mit einer Eröffnungsszene auf, die man so ganz sicher nicht in einem spaßigen Comic-SciFi-Spektakel erwartet hat. Trotzdem ist sie immens wichtig, um einem Film einen emotionalen Unterboden zu verpassen, der für die restlichen zwei Stunden seiner Laufzeit nicht wirklich passenden Raum dafür hat, müsste er sich doch ganz schön aus einem Tonfall allgemeiner, absurder Quatschigkeit herauslehnen. Es ist entsprechend die erste von sehr vielen klugen Ideen von Regisseur und Drehbuchautor James Gunn, den dramatisch-emotionalen Resonanzkörper seiner Geschichte schon derart früh zum schwingen zu bringen, um dessen Nachhall dann anhand eines sehr simplen Gegenstands immer wieder ins Gedächtnis des Zuschauers zu rufen.
Diese Resonanz könnte sonst auch sehr leicht verloren gehen in einer Geschichte, die sich - erstmal angekommen an ihrem eigentlichen Handlungsort, den unendlichen Weiten des Weltraums mit seinen teils ziemlich abgefahrenen Bewohnern - mit Wonne an ihrer eigenen Albernheit ergötzt, und das bestens amüsierte Publikum daran teilhaben lässt. Der Erdling Peter Quill (Chris Pratt) nennt sich selbst großkotzig "Starlord", ist aber im galaktischen Vergleich eigentlich nur eine Mischung aus Kleinganove und Reliktejäger. Bis ihn ein Auftrags-Diebstahl unfreiwillig ins Zentrum der Aufmerksamkeit des halben Kosmos katapultiert, denn Quill requiriert unwissentlich eine Super-Waffe, die in den falschen Händen ganz schön viel Unheil anrichten könnte. Während seiner Versuche, mit heiler Haut davon zu kommen, ergattert Quinn eher zufällig eine Handvoll Kampfgefährten. Die haben zwar alle ihre ganz eigenen Antriebsmotive, ihre daraus resultierenden Ziele erweisen sich für den Moment aber als soweit deckungsgleich, dass man sich notgedrungen zusammentut. Und so kämpft Quill nun gemeinsam mit der mysteriösen Super-Kriegerin Gamora (Zoe Saldana, nach ihrem blauhäutigen Motion-Capture-Auftritt in "Avatar" diesmal in Ganzkörper-Grün), dem rachsüchtigen roten Muskelberg Drax (Dave Bautista), dem so redefreudigen wie kampfeslustigen Waschbär Rocket (im Original gesprochen von Bradley Cooper) und seinem Begleiter, dem Baummensch Groot (dessen sehr eingeschränkte Dialoge im Original Vin Diesel übernommen hat). Eine mehr als absurde Truppe. Und von denen soll nun ernsthaft die Rettung der Galaxis abhängen?
Wenn Ensemble-Chemie eine effektive Waffe gegen Superbösewichte ist (und irgendwie ist sie das ja auch), dann muss man sich hier um die Galaxis nicht eine Sekunde Sorgen machen. Man mag es kaum glauben, aber die "Guardians" funktionieren als Truppe fast noch besser als ihre irdischen Studio-Kollegen von den "Avengers". Die Dynamik dieser mit ihren unterschiedlichen Agenden aufeinanderprallenden Figuren ist furios, das Komik-Potential besonders bei den als Sidekicks angelegten Racoon, Groot und Drax (der Metaphern nicht als solche versteht und immer wortwörtlich nimmt) gigantisch, und der Nutzwert, den James Gunn aus beidem zu generieren versteht, schlicht phänomenal. Bemerkenswert ist dabei vor allem die immense Menge an trockener, sehr irdischer Ironie, die Gunn in einen Film hinein bekommt, der mit der Erde und ihren Bewohnern eigentlich gar nichts zu tun hat. Setting-technisch bewegen wir uns hier an sich im selben Spielfeld wie "Star Wars": Welten und Wesen ganz weit weg von allem Irdischen. Bis eben auf Quill und jenes ganz besondere Artefakt, das uns seit der Eröffnungsszene durch den Film begleitet, und den galaktischen SciFi-Konflikt, der sich hier entspinnt, immer wieder schön standfest im Sound des 20. Jahrhunderts erdet.
Es ist ein Kniff, der das Publikum in regelmäßigen Abständen daran erinnert, diese ganze Chose bitte bloß nicht ernst zu nehmen. Und weil auch die Macher das nicht getan haben, ist der ganze Quatsch so formidabel gelungen. Gunn, der Marvels immer länger werdende Liste an gewonnenen Risiko-Wetten bei der Regiestuhl-Besetzung fortsetzt, hat sich seine Sporen im B-Movie-Bereich verdient, hat entsprechend große Freude am Jonglieren mit Genre-Versatzstücken und weiß ganz genau, dass diese sich ganz ausgezeichnet dazu eignen, Spaß mit ihnen zu treiben. Dem sind sich auch die Darsteller bewusst, und gerade die berühmtesten Ensemble-Mitglieder - namentlich: Glenn Close als die Präsidentin des "guten", bedrohten Planeten, John C. Reilly als Polizist und Benicio del Toro als exzentrischer Sammler - legen ihre kleinen Rollen gekonnt in dem Wissen an, dass ihre Parts elegante Karikaturen von Genre-Klischees sind. Und so durchzieht fast jede Szene von "Guardians" ein mehr oder weniger deutliches, schelmisches Augenzwinkern, das sich so effektiv aufs Publikum überträgt, dass man streckenweise aus dem amüsierten Grinsen gar nicht mehr rauskommt.
Man könnte jetzt hingehen und pingelig die kleinen Makel des Films herauspicken. Man könnte darüber diskutieren, ob die eine oder andere Action-Sequenz doch erahnen lässt, dass Gunn das handwerkliche Geschick für das ganz große Spektakel fehlt (weshalb der Film sich im Gesamtvergleich dann doch hinter Marvels bisher herausragendsten Großtaten einreihen muss), oder ob der Showdown nicht doch etwas zu groß und ausladend angelegt ist für einen Film, der wirkliche Dramatik gemieden hat wie der Teufel das Weihwasser. Oder man freut sich einfach, dass die Blockbuster-Saison in diesem Jahr so bemerkenswert gut ist, und Marvel schon wieder ein Stück Popcorn-Kino abgeliefert hat, an dem wirklich so ziemlich alles stimmt. Die Fortsetzung ist bereits angekündigt für 2017. Immer her damit. Von diesem Quintett sehen wir uns sehr gerne noch mehr an.
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