Die gute Nachricht: Den beachtlichen Ausstoß des deutschen Kinos an Regie-Talenten in den letzten Jahren hat man auch in Hollywood bemerkt, und hiesige Regisseure sind in der Traumfabrik gerade "in". Die schlechte Nachricht: Wie schon die asiatischen Filmemacher, die dank des Trends japanischer Horrorstreifen in den letzten Jahren von Hollywood eingekauft wurden (siehe z.B. der ebenfalls diese Woche startende "The Messengers" von den Pang Brothers), werden auch die deutschen Exilanten als Auftragsarbeiter für Genreware engagiert, mit der sie sich einen Namen gemacht haben, ohne dass die Qualität der neuen Stoffe von der Hollywood-Stange mit ihren vorherigen Werken mithalten kann.
Robert Schwentke ("Tattoo", "Eierdiebe") hatte da mit "Flight Plan" (2005) noch Glück und landete einen überzeugenden Hit. Mennan Yapo ("Lautlos") musste hingegen mit der kruden Mystery-Gurke "Die Vorahnung" vorlieb nehmen, die jüngst verdientermaßen floppte, und auch Oliver Hirschbiegel ("Das Experiment", "Der Untergang") ereilte nun ein ähnliches Schicksal an der Kinokasse.
Wobei bei seinem Hollywood-Debüt der desaströse Ausgang schon von Beginn an zu befürchten war, denn "Invasion" fällt schon per se in die Kategorie "Filme, die die Welt nicht braucht". Denn wer hat schon auf eine fünfte Verfilmung des Science-Fiction-Klassikers "Die Körperfresser kommen" gewartet? Der Roman von Jack Finney von 1956 war bereits im Jahr seines Erscheinens unter dem Originaltitel "Invasion of the Body Snatchers" verfilmt worden. 1978 und 1993 legten Philip Kaufman und Abel Ferrara neue Versionen nach, und Robert Rodriguez machte aus dem Stoff mit "Faculty" 1998 sogar einen ironischen Teenie-Horror-Film.
Wozu also noch eine Adaption, vor allem wenn sie - wie "Invasion" - die metaphorischen Stärken der Vorgänger komplett unter den Tisch fallen lässt? Die Mär von der außerirdischen Macht, die von den Körpern der Menschen Besitz ergreift und sich so unbemerkt immer weiter ausbreitet, bis die gesamte Gesellschaft aus emotionslosen, entindividualisierten Hüllenmenschen besteht, verstand sich in jeder Neuerzählung als Allegorie auf die tatsächlichen Verhältnisse in unserer Welt. Das Original aus den 50ern ließ sich ebenso als propagandistische Warnung vor einer Invasion des "entmenschlichenden" Kommunismus lesen wie als Kommentar auf die Auswirkungen der damaligen Kommunistenhatz in den USA, die jegliche frei denkenden, kritischen Stimmen zu unterdrücken versuchte und uniformes Verhalten förderte. Auch in den späten 70ern spiegelte "Invasion of the Body Snatchers" das Misstrauen gegen den auf Gehorsam und Gleichförmigkeit drängenden Staat wider, während die 1993er Version auf einem Militärstützpunkt vor dem Hintergrund der Entmenschlichung der Soldaten durch die Armee spielte. Selbst "Faculty" wurde diesen Wurzeln gerecht, indem er die typischen Außenseiter des High-School-Universums gegen die Invasion der Konformität ankämpfen ließ.
An sich könnte man meinen, dass solch eine Allegorie auch in der jede Kritik mit Patriotismus-Gebrüll erstickenden Bush-Ära funktionieren würde, doch bedauerlicherweise ist die einzige aktuelle Angst, welche die Macher von "Invasion" zu schüren versuchen, die vor einer Pandemie durch einen unentdeckten Virus. Dabei versaubeutelt der Film jeglichen Ansatz von effektivem Spannungsaufbau schon von Anfang an, da der außerirdische Virus mit einem abgestürzten Space Shuttle auf die Erde kommt und sich mit den Wrackteilen bereits über einen Radius von hunderten Kilometern verteilt. Damit ist das Ziel der Protagonisten in allen Vorgängern - nämlich die Invasion aufhalten oder ihr entkommen und die Außenwelt warnen, bevor das Virus die Stadt/den Stützpunkt verlassen kann - bereits erledigt, bevor der Film überhaupt richtig angefangen hat.
Dementsprechend fällt die Motivation zur Flucht für Dr. Carol Bennell (Nicole Kidman) hier auch etwas bescheidener aus. Nachdem die Psychologin bei einigen Patienten und Bekannten - zu vorderst ihr Ex-Mann Tucker (Jeremy Northam) - sehr merkwürdiges Verhalten bemerkt und mit Hilfe ihres Mediziner-Kollegen und potentiellen Liebhabers Ben Driscoll ("James Bond" Daniel Craig) dem außerirdischen Virus auf die Spur gekommen ist, will Carol sich und ihren kleinen Sohn vor der Infizierung retten. Was gar nicht so leicht ist in einer schon fast vollständig übernommenen Welt, in der man sich komplett gefühllos geben muss, um nicht aufzufallen, und auf keinen Fall einschlafen darf….
Warum das leider über 90 Minuten überhaupt nicht zu fesseln vermag, hat vor allem zwei Gründe: Fehlende Spannung und fehlende Logik. Da der Film suggeriert, dass sich der Virus quasi schon in der ganzen Welt ausgebreitet hat, hat Carol eigentlich sowieso keine Chance. Entweder gelingt es Driscolls Kollegen, rechtzeitig ein Gegenmittel für das Virus zu entwickeln (worauf Carol nach der Hälfte des Films jeglichen Einfluss verliert) und sie ist gerettet wie alle anderen, oder eben nicht - ein wirkliches Entkommen gibt es nicht mehr. Während Carol also genau genommen ziemlich sinnlos gegen den Schlaf kämpft, stellt sich der Film mit einer extrem holprigen Logik selbst ein Bein. Da wandert Nicole Kidman mit schön versteinerter Miene durch die Massen der Hüllenmenschen, um nicht aufzufallen, um bald darauf mit panisch rasenden Augen trotzdem unbehelligt zu bleiben. Da erscheinen die fremdkontrollierten Menschen als emotionslos, doch als im Fernsehen von den Friedensverträgen berichtet wird, die durch den "Aggressionshemmenden" außerirdischen Einfluss in der ganzen Welt abgeschlossen werden, sieht man allerorts jubelnde Menschenmassen. Sollten die nicht eigentlich komplett gleichgültig bleiben? Da sich der Film nicht darum schert, das tatsächliche Ausmaß der Invasion genauer zu benennen, bleibt das Publikum konstant verwirrt, wie groß die Bedrohung nun eigentlich ist - und entsprechend, wie viel Hoffnung noch übrig bleibt.
Hier geht Effekt komplett vor Sinnhaftigkeit, und es ist wohl Produzent Joel Silver zu verdanken, dass "Invasion" zu einem platten Horror-Thriller verkommt, der einzig darauf bedacht ist, soviel Genre-Grusel wie nur geht herauszuholen. Da werden die Hüllenmenschen auch gern mal wie in einem Zombie-Film inszeniert (die sind ja schließlich gerade wieder "in"), und für ein paar plakative Schreck-Szenen schmeißt man schon früh bereitwillig die paranoide Atmosphäre des Stoffes über Bord.
Währenddessen sieht man Nicole Kidman zu, die sich in diese Rolle wirft, als gehe es um den nächsten Oscar. Was in dieser Intensität dann fast schon wieder etwas lächerlich wirkt, zumal sich ihre Kollegen des Trashs, in dem sie sich bewegen, weitaus bewusster zu sein scheinen. Daniel Craig ist kolossal blass, Jeffrey Wright ("Syriana") beschränkt sich auf das Notwendigste. Einzig der geniale Jeremy Northam beweist erneut, dass er wie kaum ein anderer "creepy" spielen kann.
Hirschbiegel muss man zugute halten, dass er sich redlich müht, die Inszenierung einfallsreich und wirkungsvoll zu gestalten, und es gelingt ihm, den Film wesentlich besser aussehen zu lassen, als er eigentlich ist. Man kann sich "Invasion" also schon ansehen für handwerklich gut gemachte Zerstreuung mit etwas Nervenkitzel, verschwendete Zeit wäre es trotzdem. Dieselbe Geschichte ist eben schon vier Mal besser erzählt worden, ohne dass sie im Stuss versank und die eigene Spannung torpedierte. Und was die deutschen Regisseure in Hollywood betrifft, so bleibt zu hoffen, dass Christian Alvart ("Antikörper") mit Renee Zellweger in "Case 39" nächstes Jahr mehr Glück hat. Sonst könnte dieser Trend so schnell wieder vorbei sein, wie er begonnen hat.
Neuen Kommentar hinzufügen