Kaum jemand schreibt so großartige Dialoge wie Aaron Sorkin (der als Drehbuchautor u.a. die Vorlagen für „The Social Network“ und „Steve Jobs“ verfasst hat). Eine Stärke, die Sorkin auch in seinem neuen Film „Being the Ricardos“ wieder gekonnt ausspielt. Doch die Eigenproduktion von Amazon zeigt ebenfalls, dass tolle Dialoge auch eine Story und Figuren mit einem gewissen emotionalen Gewicht benötigen, um ihre ganze Kraft zu entfalten. Genau das fehlt dem Film leider – und so bleibt trotz großer Darstellernamen und einem wirklich interessanten Setting am Ende nicht viel von diesem zwar kurzweiligen, aber eben auch banalen Ausflug in die amerikanische TV-Geschichte hängen. Und am Ende kriegt sogar die Make-Up-Abteilung noch einen Rüffel.
Für seine dritte Regiearbeit (nach „Molly's Game“ und „The Trial of the Chicago 7“) widmet sich Aaron Sorkin hier nun der berühmten amerikanischen Sitcom-Queen Lucille Ball. Genauer gesagt einer ganz bestimmten Woche ihres Lebens am Set der Serie „I Love Lucy“. Die Sitcom ist in den 1950ern in den USA ein Straßenfeger, was vor allem an der temperamentvollen Hauptdarstellerin Lucille Ball (Nicole Kidman, „The Hours“, „Moulin Rouge“) liegt. Nicht weniger leidenschaftlich agiert ihr kubanischer Ehemann Desi Arnaz (Javier Bardem, „Skyfall“, „Das Meer in mir“), der in der TV-Serie ebenfalls Lucilles besser Hälfte spielt.
Während es auf dem Bildschirm allerdings eher konservativ-humorvoll zugeht, wird hinter den Kulissen durchaus etwas heftiger ausgeteilt. So richtig kommt Stimmung in die Bude, als ausgerechnet Lucille von einer Zeitung als Kommunistin gebrandmarkt wird – in dieser Zeit meist gleichbedeutend mit dem Karriereende. Doch das wird in dieser Woche beileibe nicht die einzige Entwicklung sein, die am Set den Puls nach oben treibt. Ob Lucilles Co-Stars William (J.K. Simmons, „Whiplash“, „Juno“) und Vivian (Nina Arianda) oder die junge Drehbuchautorin Madelyn (Alia Shawkat), diese Produktionswoche zehrt schon bald an den Nerven aller Beteiligten.
Man kann schon verstehen, was den Meister des Dialogfeuerwerks Aaron Sorkin an diesem Film so gereizt hat. Das Setting der 1950er Jahre TV-Landschaft ist ja noch ziemlich jungfräulich in Sachen Leinwandverfilmungen, und gerade für jemanden, der selbst ja durchaus eindrucksvoll seine Fußstapfen im seriellen Erzählen hinterlassen hat („The West Wing“), natürlich auch thematisch sehr reizvoll. Dazu verfügte „I love Lucy“ auch noch über eine energiegeladene und für ihr loses Mundwerk bekannte Hauptfigur – also eigentlich alles wie gemalt für Sorkin.
Es verwundert dann auch nicht, dass auch genau diese Aspekte mit die stärksten des Films sind. So ist der Blick hinter die Kulissen wirklich mit viel Liebe zum Detail umgesetzt. Elegant wird die Handlung dabei in den klassischen Produktionszyklus einer Sitcom eingeflochten – ein Genre, das „I Love Lucy“ damals quasi mit erfunden hat. So begleiten wir unsere Protagonisten vom ersten "Table Read" am Montag bis hin zur finalen Aufzeichnung einer Folge am Freitag. Die liebevolle Ausstattung und elegante Kameraarbeit verleihen dem ganzen Geschehen dabei einen wundervollen nostalgischen 1950er Jahre-Charme.
Kombiniert wird das mit jeder Menge bissiger Dialoge, bei dem die meiste Munition natürlich der Hauptfigur zur Verfügung gestellt wird. So gibt es zahlreiche typische Sorkin-Momente, bei denen Lucille ihre Gegenüber blitzschnell und mit einer selbstbewussten Mischung aus Ironie, Arroganz und Cleverness alt aussehen lässt. Wer genauer hinschaut merkt allerdings, dass die größte Sympathie des Films gefühlt bei einer anderen Figur liegt. Und zwar, und das kommt angesichts der Herkunft des Mannes auf dem Regiestuhl nun nicht ganz überraschend, bei der jungen Drehbuchautorin Madelyn.
Phasenweise hat man fast das Gefühl, als ob zumindest mit dem Gedanken gespielt wurde, Madelyn als zentrale Identifikationsfigur aufzubauen. Dafür bekommen sie und ihr Überlebenskampf in der Männerdomäne Fernsehen am Ende aber dann doch zu wenig Leinwandzeit spendiert. Angesichts der nun anzusprechenden Schwächen von "Being the Ricardos" ist das allerdings fast ein wenig ärgerlich.
So nett der Film dank dem Setting und manch flotter Dialoge nämlich auch anzusehen ist, so richtig emotional mitreißen kann „Being the Ricardos“ einen leider nie. Woran das liegt wird spätestens nach einer halben Stunde deutlich, wenn Madelyn bemerkt, wie unglaublich verrückt doch diese Arbeitswoche sei. Eine Aussage, der man eher mit einem Schulterzucken begegnet und bei der manche im Publikum wohl denken dürften, ob die junge Dame für das Erlebnis von echtem Trubel nicht mal lieber bei ihnen auf der Arbeit vorbeischauen möchte. So wirklich hat man hier nämlich nie das Gefühl, dass irgendetwas Wichtiges auf dem Spiel steht.
Lucille wird als Kommunistin bezeichnet? Sorgt für ein oder zwei kurze Krisensitzungen, rückt dann aber wieder in den Hintergrund. Ihr Mann hat eine Affäre? Kümmert eigentlich auch niemanden so richtig und wird vom ersten Moment an als Missverständnis aufgeklärt. Und ob das Thema Schwangerschaft in eine konservative Serie eingebaut werden darf oder nicht hat für Außenstehende jetzt auch nur bedingt das Potential für Sprengkraft. Am ehesten versteht man noch Lucilles Sehnsucht nach einem echten Zuhause. Doch angesichts der Tatsache, dass der guten Dame drei Villen gehören, taugt das eben jetzt auch nur bedingt dazu die Herzen des Publikums sperrangelweit zu öffnen.
Würde man dem allen mit einer gewissen Leichtigkeit und einem Schuss Selbstironie begegnen, wäre gegen dieses kleine Storykabinett der Nichtigkeiten ja gar nichts einzuwenden. Aber der Film versucht schon fast verzweifelt uns immer wieder davon zu überzeugen, wie dramatisch das doch alles sei. Und zwar wirklich immer wieder. So entscheidet man sich zum Beispiel dafür, quasi semi-dokumentarisch Interviews mit ehemaligen Beteiligten an der Produktion einzubauen, die im hohen Alter auf diese verrückte Woche in ihrem Leben zurückschauen. Und die immer wieder darauf pochen, wie crazy das alles damals doch war. Allerdings werden auch diese Figuren natürlich wieder von Darstellern gespielt, was irgendwie kontraproduktiv ist, wenn man möglichst authentisch der Story mehr emotionales Gewicht verleihen möchte.
Dass wir dem Treiben eher distanziert zuschauen hat aber leider auch mit dem Äußeren der Hauptfigur zu tun. Nicole Kidman ist eine wirklich großartige Schauspielerin, doch unter ihrem katastrophalen Make-Up ist davon hier leider nur bedingt etwas zu erkennen. Es ist einfach unglaublich irritierend in dieses Gesicht zu blicken, das stellenweise mehr an eine regungslose Barbie-Puppe als einen echten Menschen erinnert. Spätestens wenn Kidman in einigen Szenen dann eine noch jüngere Version ihrer Figur spielt (und selbst die Version der älteren Lucille war im echten Leben eigentlich zehn Jahre jünger als Kidman), ist das alles mehr als befremdlich. Und die Auswüchse von Hollywoods krankhaftem Schönheitswahn dürfte hier wohl leider auch ihren Anteil daran geleistet haben.
Das Schicksal bleibt Javier Bardem wiederum erspart. Der versprüht leichtfüßig in jeder seine Szenen eine gehörige Portion Charme, wobei der Film es allerdings verpasst dessen dunklere Seiten näher zu beleuchten. Auch an diese Figur kommt man emotional nie so richtig dicht ran, weil er am Ende eben doch nicht mehr ist als eine nette Nebenfigur. Und das steht dann fast sinnbildlich für einen Film, der irgendwie zwar ganz nett anzuschauen ist, aber einen nie so wirklich berühren kann. Vielleicht hätte es Sorkin ja eine Warnung sein müssen: Wenn ich mein Publikum immer wieder darauf hinweisen muss, wie packend meine Geschichte doch eigentlich sein soll, dann hätte man sich vielleicht doch noch mal ein klein wenig Zeit für einen weiteren bekannten Schritt aus dem Produktionszyklus nehmen sollen: den Rewrite.
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