Vergessen wir bitte sofort das uninspirierte Filmchen „Die Erfolgsstory des Steve Jobs“, in dem ein dafür völlig ungeeigneter Ashton Kutcher versuchte den legendären Apple-Gründer darzustellen und es mit diesem Schnellschuss kurz nach dem Tod von Jobs nicht einmal in unsere Kinos schaffte. Zu Recht, denn der „echte“ Kinofilm über Steve Jobs folgt erst jetzt und wird dem Charismatiker nun auch gerecht – was nicht überraschen sollte, wenn man einen Blick auf den Namen des Regisseurs sowie des Drehbuchautors wirft. Denn ein weiteres Mal erschafft Danny Boyle ("Slumdog Millionaire“, Trance") einen visuell höchst eigenständigen und faszinierenden Film und lotet Aaron Sorkin - nach Facebook-Gründer Mark Zuckerberg in „The Social Network“ - erneut den prägenden Charakter hinter dem globalen Erfolg eines der mächtigsten Unternehmen unserer Zeit aus.
Schon der Ansatz der beiden Kreativköpfe unterscheidet sich radikal vom üblichen Vorgehen beim Verfassen eines „Biopics“, in dem für gewöhnlich die entscheidenden Lebenssituationen der zu betrachtenden Figur über Jahrzehnte hinweg bebildert und nacherzählt werden. Denn obwohl auch „Steve Jobs“ über einen Zeitraum von immerhin fünfzehn Jahren spielt, so erleben wir hier doch im Grunde nur eine einzige Situation mehrmals hintereinander. Insgesamt dreimal begleiten wir die Titelfigur kurz vor einer ihrer berühmten Präsentationen einer technischen Neuentwicklung und zwar in den Jahren 1984 (MacIntosh-PC), 1988 (NeXT-Computer) sowie 1999 (iMac). Bei jeder dieser Vorführungen laufen Jobs die wichtigsten Personen aus seinem Umfeld über den Weg, es gibt kurzfristige Probleme zu diskutieren und soziale Spannungen zu bewältigen. Drei einzelne Akte, die uns trotz des stark begrenzten Handlungsortes im Backstagebereich eines Veranstaltungszentrums das Phänomen Steve Jobs ziemlich nahe bringen.
So innovativ ein solcher Ansatz anmutet, ganz neu ist er nur im Genre Biographie. Denn wie sich hier die Protagonisten kurz vor der Show durch die Gänge bewegen, sich kurz begegnen, verbal duellieren und dabei unter einer Art permanenter Anspannung stehen – das erinnert schon recht stark an das Konzept des diesjährigen Oscar-Hauptgewinners „Birdman“. Aber Boyles Film ist fast genauso stark geraten, schafft es ebenfalls durch Schnitte, Bewegung und die im Hintergrund wummernde Musikbegleitung eine durchgehende, elektrisierende Spannung zu erzeugen, die einen beinahe vergessen lässt, dass man es hier mit einem Film zu tun hat in dem eigentlich die ganze Zeit nur geredet wird.
Nur ganz selten greift man in kurzen Rückblicken auf Szenen außerhalb des jeweiligen Veranstaltungsortes zurück. Ansonsten ist Reduzierung angesagt, visuell austoben tut sich Regisseur Boyle dieses Mal hauptsächlich bei der Wahl des verwendeten Filmmaterials für die einzelnen Sequenzen und der unterschiedlichen Farbgebung. So starten wir mit dem grobkörnigen Look von 16mm Zelluloid aus den Achtzigern, wechseln dann zum großzügigeren 35mm-Format und landen schließlich 1999 bei der Digitalkamera (gut, damit wäre Jobs auch in diesem Fall dann der Zeit ein wenig voraus gewesen).
Einzig aus der Art wie Steve Jobs auf die in seiner Umgebung auf- und abtauchenden Personen reagiert bildet sich schließlich das Bild eines Mannes, der ganz zweifelsohne ein paar gewaltige Defizite im zwischenmenschlichen Bereich aufzuweisen hatte. Für den die Menschen stets hinter dem jeweiligen Projekt zurück zu stehen hatten und der wenig Rücksicht auf irgendwelche Befindlichkeiten Anderer nahm. Am brutalsten kommt diese Charaktereigenschaft im Konflikt mit seinem ehemaligen Partner Steve Wozniak (Seth Rogen) zum Vorschein, dem Jobs in einer geplanten Rede auch nur einen einzigen Satz der Würdigung und Anerkennung für geleistete Verdienste verweigert – ganz einfach weil er nicht bereit ist mit einem einzigen Wort zurück zu schauen, sondern stets nur nach vorne. Nicht weniger hart, wie er seiner in die Bedürftigkeit abgerutschten Ex-Freundin samt gemeinsamer Tochter deutlich macht wie wenig ihn deren Situation kümmert und dabei ein gerade mal fünfjähriges Mädchen bewusst verletzt.
Es ist wahrlich kein besonders positives Bild der Kultfigur, welches Boyle & Sorkin hier zeichnen. Stattdessen präsentieren sie einen rücksichtslosen Egomanen, zeitweise brillant in der Entwicklung und Vermarktung von neuen Technologien, aber fast schon ein Soziopath im Umgang mit Anderen. Dass man als Betrachter trotzdem fasziniert zuschaut und sich nicht irgendwann desinteressiert von diesem „Schurken“ abwendet, das ist wiederum in erster Linie das Verdienst von Hauptdarsteller Michael Fassbender.
Der feiert seit Jahren eh einen schauspielerischen Triumph nach dem anderen und macht sich in dieser Kunst aktuell auch noch selbst Konkurrenz, ist doch seine Macbeth-Interpretation nicht weniger beeindruckend. Mit Steve Jobs hat Fassbender zwar nur wenig optische Ähnlichkeit und erinnert auch nur im letzten Drittel, wenn er sich dann endlich einen der berühmten Rollkragenpullover überzieht, an das im kollektiven Gedächtnis verankerte Bild seiner Rolle. Doch das vergisst man nach wenigen Minuten, wenn der Schauspieler Fassbender wieder einmal ganz hinter seiner Figur verschwindet, sich deren Essenz mit kurzen Sätzen und wohldosierten Gesten aneignet und das Portrait einer schillernden Persönlichkeit entwirft. Geerdet wird diese nur gelegentlich von Jobs Assistentin und „Mädchen für Alles“ Joanna Hoffman, die in der Verkörperung durch Kate Winslet so ziemlich die Einzige ist, der es hier gelingt durchgehend ihre Würde zu bewahren.
Ob das kritische, wenn nicht gar bedenkliche Bild, welches der Film von Steve Jobs zeichnet, ziemlich genau oder doch nur in Teilen der Realität entspricht, das werden wohl nur wenige wirklich beurteilen können. Und zum Finale hin wirkt es ein wenig, als hätten die so versierten Macher doch ein wenig Angst vor der eigenen Courage bekommen, ihr Publikum mit diesem arg negativen Eindruck zu entlassen. So gibt sich das Ende dann zu versöhnlich, suggeriert eine Veränderung und Entwicklung im Charakter der Titelfigur, die etwas zu plötzlich daherkommt um wirklich zu überzeugen. Das wäre nicht unbedingt nötig gewesen, mindert aber nur marginal die Qualität des Films. Die beruflich erfolgreichsten und besten Jahre des Steve Jobs sollten dann erst noch kommen, die schwierigen und weitaus interessanteren aber gibt es hier zu sehen.
Neuen Kommentar hinzufügen