"A Beautiful Mind" ist ein Film wie sein Thema. Diese lose
Biographie des Mathematikgenies John Nash, der sich
durch
jahrelange Schizophrenie und Paranoia kämpfen
musste, um dann
letztendlich einen Nobelpreis für seine
Verdienste in Empfang zu nehmen, ist ein wenig wie
Nash selbst:
Die Brillanz brodelt ständig unter der Oberfläche,
aber sie
wird von anderen Einflüssen davon abgehalten, sich
voll zu
entfalten. Dieser Film, in all seiner
Kalkuliertheit, seiner
Umsetzung mit der Oscarnominierung im Hinterkopf,
sollte nicht
funktionieren - und tut es erstaunlicherweise über
weite Strecken
doch.
Gleichwohl stellt "A Beautiful Mind" jeden
Rezensenten vor
ein enormes Problem. Zuviel über die Geschichte und
ihre verzwickte
eigene Logik zu verraten, hieße ihn seiner Stärke zu
berauben.
Mit erstaunlich vielen kleinen dunklen Momenten für
einen
Feelgood-Regisseur wie Ron Howard schreitet dieser
Film fort.
Dabei ist das Geheimnis von "A Beautiful Mind" nicht
so sehr
eine Pointe im Sinne von "The Sixth
Sense" sondern vielmehr die Essenz der
Geschichte. Howards
Regie und das brillante Spiel machen es in den
intensivsten
Szenen möglich, das Gefühl von Schizophrenie nicht
nur erzählt
zu bekommen, sondern zu erleben. Leider gibt es für
jede dieser
Szenen eine Szene voll unnötiger Hollywoodroutine.
Gerade
im letzten Drittel des Films schlagen Howards ("Der
Grinch", "Apollo 13") übliche Untugenden,
beispielsweise
das Überziehen seiner Geschichten mit einer
gehörigen Portion
Schmalz, deutlich durch und hier wird dann ein
tränenschwangerer
Seifenopernmoment an den anderen gehängt. Was
freilich die
vorausgehenden
knapp zwei Stunden nicht weniger intensiv oder
interessant
macht, den Gesamteindruck jedoch deutlich stört.
Zumal man
sich den größten Fehltritt mit der Filmmusik von
James Horner
leistet, einer seiernden pompösen
Kitschangelegenheit, die
dann nur noch getoppt wird von dem wahrlich
unglaublichen
Schmachtfetzen "All Love can be" - ein Graus von
einem Lied
- von der "niedlichen" Charlotte Church, direkt aus
Amerikas
Wunderkind-Klonfabrik.
Das musikalische Dilemma kennzeichnet das Dilemma
des Films,
der in sich selbst ein wenig schizophren ist: In
seinen besten
Momenten - beispielsweise der auch visuell
brillanten Umsetzung
von Nashs Gabe, für andere unersichtliche Codes zu
erkennen
- erreicht Howard eine kaum für möglich gehaltene
Spannung
und Dramatik, die sich eben nicht aus
aufmerksamkeitsheischendem
Sensationalismus ergibt. Gleichzeitig scheint eine
andere,
weitaus bekanntere und berüchtigte Seite Howards
nach eben
diesen, jenen "großen Filmmomenten", zu schreien,
einen Impuls
dem der Regisseur Gott sei dank erst spät nachgibt.
Der beste
Teil des Films ist der düstere Mittelteil, in dem
den Zuschauern
und Charakteren gleichermaßen die erschreckenden
Wahrheiten
in Nashs brillantem Hirn offenbart werden, in dem
die vorher
seltsam klischeehaft anmutenden Figuren und
Geschehnisse aus
der ersten Hälfte plötzlich Sinn bekommen, eine
verquere wie
in sich stimmige Logik entsponnen wird.
Was diesen wie ein menschliches Gehirn wahnsinnig
fragilen,
stellenweise brillanten, stellenweise trivialen Film
zusammenhält
sind die Schauspielerleistungen. Dass Russell Crowe
den Oscar
für seine Rolle in "Gladiator"
im
letzten Jahr bekam, weil er ihm unfairerweise ein
Jahr zuvor
für "The Insider"
verwehrt
wurde, ist ein offenes Geheimnis. Dass Crowe diesen
Darsteller-Oscar
für den völlig falschen Film bekommen hat ist
spätestens jetzt
ein Faktum. Seine Verwandlung hier versetzt ein
weiteres Mal
in blankes Staunen. Bei der Besetzung eines
exzentrischen,
introvertierten und linkischen Mathematikers wird
wohl den
wenigsten als erstes der bullige Australier in den
Sinn kommen.
Aber mit jeder Geste, jedem scheuen Blick zu Boden,
vollbringt
Crowe seine Meisterleistung in einer subtilen
Darstellung,
die man ihm - diesem Büffel von einem Mann - nie
zugetraut
hätte. Nicht weniger großartig Jennifer Connelly als
Nashs
mutige und lang leidende Frau Alicia.
Karrierehöhepunkt, schlicht
und einfach. Dass beide Darsteller für ihre Rollen
Golden
Globes einsackten ist
höchst berechtigt, gleichwohl darf man nicht die
hervorragenden
Leistungen von sowohl Paul Bettany als Nashs
Zimmergenosse
Charles als auch Ed Harris als CIA-Mann Parcher
vergessen.
"A Beautiful Mind" ist ein Film, der sich selbst ein
Bein
stellt und daher kurz vorm Ziel ins Stolpern kommt.
In seinem
Begehren nach Anerkennung - sei es seitens der
Academy Awards
Jury, sei es seitens Kritiker, die Drama mit
sozialen Anliegen
seit jeher lieben - entwickelt man hier eine eigene,
packende
Art und Weise, das Phänomen Schizophrenie auf
Zelluloid zu
bannen um diese dann für Hollywoodroutine
aufzugeben. Immerhin
kann man sich trösten dass dieser Film sich für 2/3
auf dem
richtigen Weg befindet, wo so manches Vehikel aus
der Traumfabrik
bereits nach fünf Minuten den Geist aufgibt. Apropos
Geist:
Hier sind wir wieder beim Anfangsproblem. Wäre Ron
Howard
ein wenig mehr wie John Nash, der zeitlebens auf der
Suche
nach einer original idea war, dann hätte hier ein
Meisterwerk
herauskommen können. So bleibt es bei einer
Schauspieler tour
de force mit brodelndem Unterboden. Und das
entstammt zwar
nicht einem brillanten Geist, anregende
Geistesnahrung ist
es aber schon. Und das ist in diesen Zeiten der
Blockbustermentalität
doch schon was.
Originaltitel
A Beautiful Mind
Land
Jahr
2004
Laufzeit
129 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
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