Ex-CIA-Killer Creasy (Denzel Washington) ist am Ende: Er kann die schlimmen Erinnerungen an sein früheres Leben nur mit Alkohol bekämpfen. Auf Besuch bei Rayburn (Christopher Walken), einem alten Kumpel aus dieser Zeit, in Mexiko vermittelt dieser ihm einen Job: Leibwächter. Fortan soll der gequälte Creasy auf Pita (Dakota Fanning), die Tochter des Ehepaar Ramos (Radha Mitchell, die Heldin aus "Pitch Black", und Marc "Mr. J.Lo" Anthony) aufpassen. Schließlich ist Entführung und Lösegelderpressung in Mexiko ein lukratives Geschäft, an dem auch korrupte Polizisten und Politiker gerne mitverdienen. Nachdem der wortkarge Creasy am Anfang die emotionale Annäherung seines Schützlings abwehrt, erweicht Pitas Freundlichkeit und Aufgewecktheit sogar sein Herz. Als Pita dann aber entführt wird, und Creasy hört, dass sie nach einer misslungenen Geldübergabe ermordet wurde, rüstet er auf. Mit Waffenarsenal und Skrupellosigkeit jagt er das Entführungskartell, um sie einen nach dem anderen zu erledigen...
Es ist das Jahr der Rache. Modefarbe der Saison: Blutrot. Der Trend geht zur Selbstjustiz. Mittlerweile wurde Bill gekillt, der "Punisher" bestrafte, Dwayne "The Rock" Johnson nahm in "Walking Tall" Holzlatte und Gesetz in die eigene Hand, und nun darf auch Denzel Washington noch mal den Bronson geben. Statt "Ein Mann sieht rot" also "Ein Mann in Flammen". Passender wäre: "Ein Mann in Blei", oder "Ein Mann in zwei halbgaren Filmhälften, die einen noch halbgareren Gesamtfilm ergeben", aber dazu später mehr.
Die Flut von Selbstjustizfilmen und ihr Erfolg verweist auf eine grundlegende Stimmung jenseits des großen Teiches. Nach der Verwundbarkeit, die man beim Verlust der Twin Towers gezeigt hat, herrschen Wut und Rachegelüste, und "Man on Fire" mit seiner "Auge-um-Auge" (hier eher: Finger-um-Finger)-Mentalität erinnert überdeutlich an politische Stimmungen und gesellschaftliche Schwingungen im Amerika nach dem 11. September 2001. Das größte Problem dieses Films ist aber die mythische Erhöhung und pseudoreligiöse Verklärung seiner Hauptfigur. Ein bibelfester Waffenbruder, der in Gottes Namen allein mit dem Unrecht der Welt aufräumt - das erinnert doch fatal an die feuchten Träume des amtierenden US-Präsidenten. Um so enttäuschender, dass dieses Skript aus der Abteilung "Gebrauchsware" von Brian Helgeland verfasst wurde, der nun wirklich wesentlich besser arbeiten kann. Man schaue sich da nur "L.A. Confidential" oder "Mystic River" an. Dass letzterer sich im letzten Jahr überaus intelligent mit den Themen Gewalt und Selbstjustiz auseinandergesetzt hat, mag man ob der hier vorgelegten simplen Rachemär vom übermenschlichen und göttliche Vergebung austeilenden Märtyrer kaum glauben. Zumal diese Dinge in dem zurzeit vom Neokonservatismus beherrschten USA garantiert bestätigendes Nicken abholen, wo ein skeptisches Stirnrunzeln angebrachter wäre.
Manipulativ ist es geradezu, wie der Film das wohl schlimmstmögliche Verbrechen - Gewalt an Kindern - benutzt, um die Zuschauer auf seine Seite zu bringen. Und es gelingt trotzdem. Jawoll, man hasst die Verbrecher, die Familien zerstören und Kindern Schreckliches antun. Jawoll, man will, dass Creasy den Bösewichtern dafür den Garaus macht. Aber nachdenken, wie einen der Film dazu bringt, das eigene Gefühl der Ohnmacht durch Leinwandrächer kompensieren zu lassen, das sollte man für einen Augenblick schon.
Wer für sein hartverdientes Geld so richtig viel Film will, der ist bei "Man on Fire" allerdings richtig. Nicht nur, dass der Film mit Abspann fast zweieinhalb Stunden Laufzeit hat, man bekommt gewissermaßen auch zwei Filme. Das eine ist ein leicht einfältiges Erlösungsdrama, indem einem großen traurigen Mann mit toter Seele (und geschickt drapiertem Whiskeyflakon im Zimmer, weil Alkoholproblem) von einem kleinen Mädchen (und mit ein bisschen Hilfe von Gott) die Lebensfreude zurückgegeben wird. Der andere ist ein knallharter, leicht einfältiger Rachethriller, indem der große, inzwischen stocksaure Mann (mit der Legitimation von Gott, oder so glaubt er zumindest) ein Dutzend Leute foltert und hinrichtet. Für beides wird sich indes reichlich Zeit genommen. Die Annäherung zwischen Creasy und Pita, in anderen Filmen eine Sache von zwanzig Minuten, wird hier auf fast eine Stunde ausgewalzt, was durch die ausgiebige Schilderung der Beziehung der beiden sogar wenn schon keine Berechtigung, dann doch zumindest eine Begründung für Creasys folgenden Ein-Mann-Krieg ist. Oder besser, wäre. Denn die zwei Hälften werden nur unzureichend durch einen schwachen Mittelteil rund um die Entführung verbunden. Die vagen Schilderungen in diesem Teilstück (in dem es dann mal ausnahmsweise zu schnell geht) sollen für überraschende Wendungen sorgen, diese ahnt der geübte Zuschauer allerdings schon Minuten im Voraus. Und damit wird auch die extreme Zweigeteiltheit des Films nicht nachträglich gerechtfertigt. Immerhin muss man ihm fast Extrapunkte für sadistische Kreativität geben: Die "Minibombe-im-Arsch"-Sequenz hat das Zeug zum Klassiker, wenngleich auch des schlechten Geschmacks. Wie gesagt, für den Racheengel darf gejohlt werden, aber der Sadismus, den Washingtons Figur hier an den Tag legt, hinterlässt trotzdem einen bitteren Beigeschmack.
Nun kann man ja von der Story und deren Untertönen halten, was man will, wenn denn wenigstens die Umsetzung akzeptabel wäre. Zu dumm, dass mit Tony der weit untalentiertere der Scott-Brüder hier am Hebel sitzt. Tony Scott filmt alles, was ihm unter die Finger kommt, wie einen Werbespot. Das macht zwar sein Bruder Ridley ähnlich, der aber noch mit Intelligenz und Fingerfertigkeit. Bei Tony verkommt alles zur Masche. Im Versuch, mit Bruder Ridleys "Black Hawk Down" mitzuhalten, kopiert er dreist so manche Einstellung von dort, den Rest stiehlt er bei David Fincher. Das Ganze wird versetzt mit einer gehörigen Scheibe "Traffic"-Ästhetik, abgeschmeckt mit einem Schuss MTV-Video. So holt er alles raus (unterschiedliches Filmmaterial, wilde Kameraperspektiven, hektische Schnitte, extreme Nahaufnahmen, Farbfilter etc.), was geht. Und trotzdem geht hier nix. Der visuelle Amoklauf, mit dem Scott hier Creasys Amoklauf kredenzt, funktioniert nicht, weil dieses unausgegorene Geschwurbel nie die Story unterstützt, sondern immer wie ein Gimmick und damit ein Fremdkörper wirkt. Ein Bespiel: die Szene, in der Creasy fast Selbstmord begeht, ist so konfus geschnitten, dass dies erstens kaum rauskommt und zweitens die dramatische Tiefe eines Hip-Hop-Videos hat. Innovativster und zugleich kontraproduktivster Einfall Scotts: Untertitel laufen wie Werbebanner aus dem "Power Point"-Programm über die Leinwand. Sieht stylish aus, schon klar, aber unterstützt die Dramatik mancher Szenen so gut wie ein bestochener Schiedsrichter das zu verpfeifende Team.
Grund zur Freude sind hier hauptsächlich die Darsteller, auch wenn das Ensemble natürlich unterfordert wird. Man freut sich auch über die Altmimen Christopher Walken, Mickey Rourke, Giancarlo Giannini ("Hannibal") und Rachel Ticotin ("Total Recall"). Von Rourke sieht man nix in einer verschenkten Mini-Rolle, Giannini und Ticotin leisten dagegen wertvolle Unterstützung in wiederum zu kleinen Rollen. Der beste ist trotzdem (und wenig überraschend) Christopher Walken. Er hat zur Genüge in dieser Art von Film mitgespielt, und während alle um ihn herum davon phantasieren, in einem ernsthaften Actiondrama mit tiefsinniger Botschaft mitzuspielen, weiß Walken es besser, und bringt seine Zeilen als einziger punktgenau ins Ziel. Niemand blinzelt so wie Walken, hier ist es auch ein kleines Blinzeln Richtung Publikum ("Ich weiß, Leute, aber es ist sonnig in Mexiko und der Gehaltscheck ist auch nicht schlecht"). Dazu hat Walken die beste Szene des Films, zusammen mit Giannini. Es ist eine dieser kleinen Reden, die niemand so halten kann wie er. "Every man is an artist", beginnt er seine Ausführungen, "Creasy's art is death. He's about to paint his masterpiece." Und da ist es dann wieder, das teuflische Zwinkern, der süffisante Mundwinkel.
Zwar braucht dieser Film Walkens Rolle nicht, aber mehr Walken hätte den Film zweifellos Klassen besser gemacht. Neben dessen kleinen Bonmots bekommt Washington zumindest eine Zeile, die demnächst zu den Klassikern der Vigilantenfilmzitate à la "Make my Day" gehören dürfte: "Forgiveness is between them and God. My job is to arrange the meeting." Und Denzel, was soll man zu ihm groß sagen? Er steht eigentlich über Material wie diesem, und ein eindimensionalerer, limitierterer Schauspieler wie Vin Diesel wäre hier fast besser gewesen. Die mäßig geschriebenen Szenen von Verzweiflung, Läuterung und Wut spielt er, ohne mit der Wimper zu zucken, und seine recht statische Performance erwacht erst zum Leben, als er ans Massakrieren gehen darf. Denkwürdig. Oder hat Denzel wirklich Geschmack am Bösesein gefunden? Nach seiner "It's good to be bad"-Einmannshow in "Training Day" war er ja auch im luftigen "Out of Time" nicht ohne Fehler. Zumindest die Zeiten, in denen er den edelmütigen Gutmenschen gibt, sind wohl endgültig vorbei.
Nach diesem Auflisten sämtlicher Mängel des Films ist dann die Frage: wie kommt der trotzdem noch an 5 Augen? Nun, der Film ist ein Katastrophengebiet, aber zumindest ein interessantes. Das Ganze ist trotz unvermeidlicher Längen über weite Strecken unterhaltsam genug, um das Interesse des Zuschauers zu erhalten. Und sei es nur, um den nächsten visuellen oder inhaltlichen Fehltritt zu erleben. Außerdem gibt es inmitten dieses überlangen Films immer wieder kleine Szenen und Momente, die erinnerungswürdig sind (viele davon mit den Herren Giannini und Walken und der hier sehr niedlichen und glaubwürdigen Dakota Fanning). Damit bleibt "Man on Fire" zwar immer noch eine fragwürdige Story in fragwürdiger Ästhetik, aber es spricht ja auch nichts dagegen, ein mit Stars versüßtes angekündigtes Scheitern zu verfolgen. Und trotz aller Einschränkung doch ein bisschen für den Racheengel zu johlen.
P.S. Was soll die Widmung des Films an Mexico City, "einen ganz besonderen Ort"? Der Ort, der in den letzten zwei Stunden gerade als modernes Höllenloch ohne Gesetz und Mitleid präsentiert wurde. Entweder das ist Zynismus der allerhärtesten Sorte oder es soll als Friedensangebot an die mexikanische Tourismusindustrie gemeint sein. Wie man es dreht und wendet, Tony Scott versaubeutelt sogar die Widmung im Abspann eines Films. Das sagt doch wohl alles.
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