Feuer gefangen hat das Kinopublikum mit dem ersten Teil der "Tribute von Panem" (400 Millionen Dollar Einspiel allein in den USA) so sehr, dass nicht nur die Adaption des zweiten Teils "Catching Fire" von Suzanne Collins' Roman-Trilogie schnell beschlossene Sache war, sondern auch jetzt bereits klar ist, dass aus dem abschließenden Teil "Mockingjay" in bester Harry Potter/Twilight-Manier gleich zwei Filme gemacht werden, zwecks ausgiebigerer Melkung dieser cash cow. Auf dem Weg zu diesem ausgedehnten Finale gilt es nun aber erstmal, die Zwischenetappe hinter sich zu bringen. Und die erweist sich in ihrer Umsetzung als derart überstrapaziert und ungeschickt, dass nach dem famosen ersten Teil nun leider schon deutliche Ernüchterung einsetzt.
Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence), die unfreiwillige und etwas kratzbürstige Heldin der Reihe, will nach ihrem bemerkenswerten Triumph bei den letzten Hungerspielen eigentlich nur in ihr altes Leben zurückkehren und aus der vorsichtigen Annäherung mit ihrem Jagdgefährten Gale (Liam Hemsworth) vielleicht endlich eine richtige Romanze machen. Doch die Mächtigen von Panem unter Führung von Präsident Snow (Donald Sutherland) haben andere Pläne mit ihr. Nicht nur, dass Katniss erbarmungslos vor die Propaganda-Maschine des Regimes gespannt wird und somit gezwungen ist, in der Öffentlichkeit ihre vorgetäuschte Liebe zu ihrem Hungerspiel-Partner Peeta (Josh Hutcherson) weiter zu inszenieren. Die junge Frau ist den Herrschenden auch zusehends ein Dorn im Auge, denn nachdem Katniss und Peeta mit ihrem Akt der Auflehnung gegen die barbarischen Regeln im Finale der letzten Hungerspiele das Regime vorgeführt und damit geschwächt haben, macht sich nun Unruhe unter der unterdrückten Bevölkerung breit, die der Präsident mit allen Mitteln wieder einzudämmen versucht. Und um sich der lästigen Gallionsfigur und potenziellen Revolutionsanführerin Katniss zu entledigen, ersinnt der Präsident mithilfe des neuen Spielleiters Plutarch Heavensbee (Philip Seymour Hoffman) die perfide Idee, die nächsten Hungerspiele ausschließlich von ehemaligen Siegern ausfechten zu lassen - und Katniss damit erneut in die tödliche Arena zu schicken.
Bis es allerdings zurück in die Arena geht, ist "Catching Fire" trotz strammer 146 Minuten Laufzeit bereits mehr als zur Hälfte vorbei, womit die erste Schwachstelle des Films bereits offenbar ist - er zieht sich, und zwar sehr. Dafür, dass die Geschichte eine sehr offensichtliche Entwicklung nimmt und alles bis zum Betreten der Arena kaum mehr als Exposition ist, dauert das einfach alles viel zu lange. "Catching Fire" versucht sich hier Mühe zu geben, die Grausamkeit des diktatorischen Regimes besonders deutlich zu machen, um den Samen für den knospenden Geist der Rebellion nicht nur einzupflanzen, sondern nachdrücklich festzuklopfen und ordentlich zu bewässern. Das fruchtet allerdings trotzdem nicht so richtig bei der entscheidenden Person - Katniss. Die ist über den gesamten Verlauf dieses Films eine widerspenstige Heldin, so widerspenstig, dass dieser komplette Mittelteil der Trilogie im Prinzip einzig dafür draufgeht, dass Katniss endlich erkennt, was alle anderen bereits längst zu wissen scheinen: Dass die mögliche Revolution sie als Anführerin braucht, und sie den Willen entwickeln muss, den Präsidenten nicht nur missbilligend anzufunkeln, sondern wirklich in den Kampf gegen das Regime zu ziehen.
Es mangelt "Catching Fire" darum an einer signifikanten inhaltlichen Weiterentwicklung. Die kommt hier erst ganz am Ende, nachdem der ganze Film sich zu einer überraschenden Schlusswendung hin aufgebaut hat, welche die Tore für das Schlusskapitel weit aufstößt - in ihrer überhasteten Präsentation allerdings erstmal mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt. Es mag sein, dass man sich damit brav an die Struktur von Suzanne Collins' Buchvorlage gehalten hat. Filmdramaturgisch ist das jedoch schlicht schwach. Da hätte die Wendung 20 Minuten vor Schluss weitaus besser gesessen, um dann noch Zeit zu haben, ihre Herleitung und Konsequenzen besser zu beleuchten. So wirkt "Catching Fire", als würde ihm eine Minute vor Schluss erst auffallen, wieviel Zeit schon vergangen ist und dass er jetzt aber wirklich los zur U-Bahn muss.
Der Weg zum Ziel kann ebenfalls weitaus weniger überzeugen als noch im ersten Teil. Vor allem das dort so wirkungsvoll aufgezeigte manipulative Spiel, welches das Regime mit seiner propagandistischen medialen Inszenierung der Hungerspiele treibt, fällt hier flach. Tatsächlich wirken der Präsident und sein neuer Spielleiter geradezu dümmlich, als sie sich eine vermeintlich clevere Taktik zurechtlegen, um Katniss bei der Bevölkerung in Verruf zu bringen, die dann aber überhaupt nicht funktioniert. Um dann auf das "geschickte" Manöver mit den neuen Hungerspielen zu kommen, welches sich bereits als kontraproduktiv herausstellt, bevor die Spiele überhaupt begonnen haben: Schon die letzte Revue der Kandidaten mit Hungerspiel-Moderator Caesar Flickerman (Stanley Tucci) gerät zu einem Propaganda-Desaster, mit dem sich die Inszenierung gegen ihre Inszenatoren wendet.
Richtig schwach (weil nicht mehr existent) wird dieser Aspekt der Geschichte, sobald es in die Arena geht. Während beim ersten Teil noch gezeigt wurde, welche Reaktionen die Ereignisse in der Arena beim Publikum draußen hervorrufen, erweckt "Catching Fire" den Eindruck, als wären der Präsident und sein Spielleiter diesmal die einzigen Zuschauer. Es wird nicht mal klar, ob überhaupt eine Übertragung der "Show" in gewohnter Form stattfindet. Was erzählerisch eine umso eklatantere Auslassung ist, als dass die unerwarteten Ereignisse in der Arena bei der unterdrückten Bevölkerung von Panem eigentlich eine mehr als beachtliche Reaktion auslösen müssten.
Warum man sich entschieden hat, davon wirklich überhaupt nichts zu zeigen, ist eine ebenso wenig nachvollziehbare Entscheidung wie die weitgehende Vernachlässigung der Schar an Tributen, die diesmal in die Arena einzieht. Vor allem da es sich um einen weitaus bunteren Haufen handelt als beim letzten Mal. Hier wird sehr viel verschenkt. "Catching Fire" schafft es nicht einmal, Katniss' gefährlichste Antagonisten wirkungsvoll aufzubauen und zu nutzen. Die einzige neue Figur, die einen mehr als markanten Eindruck hinterlässt, ist Jena Malone als Johanna Mason, die mit ihrer Toughness und Direktheit stellenweise sogar Katniss zurück in die zweite Reihe schubst.
Dass die eigentliche Heldin hier nicht zu einem bloßen Spielball einer Handlung verkommt, bei der sie selbst nicht realisiert, was eigentlich vor sich geht, ist dann auch nicht der Regie zu verdanken, sondern einzig der immensen Präsenz und schauspielerischen Kraft von Jennifer Lawrence. Die für "Silver Linings" mittlerweile mit dem Oscar ausgezeichnete Jungdarstellerin beweist hier selbst dann ihr unglaubliches Talent, wenn ihr die Inszenierung nach Kräften Knüppel zwischen die Beine wirft. Bestes Beispiel die Szene in der Katniss realisiert, dass ihr schlimmster Alptraum wahr wird und sie erneut in die Hungerspiele geschickt werden wird. Schon nach wenigen Sekunden wird hier weggeschnitten, doch Lawrence schafft es selbst in dieser allzu kurzen Zeitspanne, den emotionalen Donnerhall, der in diesem Moment auf Katniss einprasselt, greif- und fühlbar zu machen. Und auch die letzte Einstellung des Films lebt einzig und allein davon, dass Lawrence in der Lage ist, eine komplexe innere emotionale Wandlung innerhalb von wenigen Sekunden überzeugend darzustellen.
Da hier nun schon diverse Male die Inszenierung getadelt wurde, sei es zum Schluss ganz deutlich gesagt: Die schlechteste Entscheidung bei diesem Sequel war es, den Regisseur auszutauschen. Die Finesse, die Gary Ross beim ersten Teil bewies, fehlt Francis Lawrence ("I am Legend", "Wasser für die Elefanten") weitgehend, so dass er in naheliegenden direkten Vergleichen (Beispiel: die Umsetzung der Start-Sequenz, als der Kampf in der Arena beginnt) immer den Kürzeren zieht und in vielen Schlüsselmomenten nicht in der Lage ist, die Aufmerksamkeit des Zuschauers richtig zu fokussieren.
Die Geschichte der "Tribute von Panem" ist immer noch packend genug und in ihrer aufwendigen Umsetzung ausreichend visuell beeindruckend, als dass man hier trotz der unnötig langen Laufzeit als Zuschauer mitgeht (und es sei zumindest lobend erwähnt, dass man hier auf eine unnötige 3D-Version verzichtet hat, nur um noch mehr Geld machen zu können). Es ist aber dennoch vor allem der exzellenten Darstellerriege anzurechnen, dass die auffälligen dramaturgischen Schwächen "Catching Fire" nicht noch mehr zum Problem werden. Der Film kann nie den Eindruck eines lauen Mittelteils abschütteln, der nicht mehr ist als das dürftige Bindeglied zwischen einer grandiosen Eröffnung und einem hoffentlich ähnlich grandiosen Finale. Der Funke springt hier jedenfalls nicht richtig über.
Neuen Kommentar hinzufügen