In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist ein Zirkus noch eine große Attraktion für die Menschen. Dies gilt ganz besonders zu Beginn der 30er Jahre, als die große Weltwirtschaftskrise vor allem die USA lähmt und die Bevölkerung dankbar für jede Abwechslung ist. Auch die Lebenspläne des jungen Tiermedizin-Studenten Jacob Jankowski (Robert Pattinson) werden komplett über Bord geworfen, als seine Eltern bei einem Autounfall sterben und er plötzlich mittellos dasteht. Der Zug, auf den der ziellos Umherwandernde dann eines Nachts aufspringt, ist jedoch kein gewöhnlicher sondern beherbergt Tiere, Angestellte und Kulissen des fahrenden Zirkus Benzini. Eine Welt, die Jacob sofort fasziniert, so dass er beschließt erstmal zu bleiben. Durch sein Fachwissen macht er sich bei der Pflege der Tiere nützlich und gewinnt so das Vertrauen und die Anerkennung des strengen Zirkusdirektors August Rosenbluth (Christoph Waltz). Doch diese Harmonie ist zerbrechlich und von vorübergehender Dauer, da Jacob auch Gefallen und Interesse an der schönen Artistin Marlena (Reese Witherspoon) zeigt. Diese jedoch ist die Frau von August und der sieht sie als seinen kostbarsten Besitz. Eine Konfrontation der beiden so unterschiedlichen Männer scheint daher unausweichlich.
Großes, klassisches und farbenprächtiges Kino ist hier angesagt, wie es heute nicht mehr allzu häufig den Weg durch die Produktionsinstanzen und dann auf die Leinwand findet. Die Figurenkonstellation des problematischen Liebesdreiecks in "Wasser für die Elefanten" erinnert dabei, wenn nicht gleich an den Genre-Übervater "Vom Winde verweht", so doch allemal an eine Variante von "Jenseits von Afrika" mit etwas jüngerem Liebespaar. Ein Melodram dieser Art ist natürlich grundsätzlich eher auf das weibliche Publikum zugeschnitten und sowieso immer eine persönliche Geschmacksfrage. Insofern gilt es zunächst eine - je nach Sichtweise - Warnung bzw. Beruhigung auszusprechen, denn die im Vorfeld hauptsächlich propagierte Liebesgeschichte steht nicht alleine im Zentrum des Films, sondern bestimmt lediglich dessen letztes Drittel.
Was letztendlich deshalb positiv zu bewerten ist, weil die Liebesgeschichte deutlich schwächer ausfällt als die vorhergehende Schilderung der harten Zirkuswelt und der gesellschaftlichen Situation im Amerika der Depressionszeit. Denn was diese Themen angeht, handelt es sich hier keineswegs um einen "schönen" Film sondern vielmehr um eine recht schonungslose Darstellung des kargen Lebensalltags. Das Geld ist überall knapp und die Not groß, so dass nicht viel Platz ist für Rücksichtnahme auf Schwächere. Arbeiter mit körperlichen Defiziten werden daher auch mal des Nachts einfach aus dem Zug geworfen und Zirkustiere, die nicht parieren wollen, mit fragwürdigen Mitteln zum Gehorsam getrieben. In dieser Hinsicht bietet der Film einige recht harte Szenen, folgt darin aber nur der Tonalität der Buchvorlage von Sara Gruen.
Erfreuen an den detaillierten zeitgenössischen Kostümen und Kulissen kann man sich aber trotzdem, bieten diese doch Schauwerte die für manch einen bereits den Kinobesuch rechtfertigen dürften. Auch die Besetzung der drei Hauptfiguren bietet in dieser Hinsicht sicherlich weitere Argumente, locken Robert Pattinson und Reese Witherspoon doch allein schon mit ihrem Namen einiges an Publikum an. Vor allem für Pattinson ist dieser Film dabei sein bisher ambitioniertester Versuch, schauspielerisches Potential außerhalb der alles überlagernden "Twilight"-Franchise zu zeigen. Als Erzähler der Geschichte ist er zweifellos die eigentliche Hauptfigur und bietet auch eine ordentliche Leistung ab, den Film allein zu tragen gelingt ihm allerdings noch nicht und es bleibt zumindest fraglich, ob wir es hier in Sachen "Potential" wirklich mit einem zweiten Leonard Di Caprio zu tun haben, der ja ebenfalls recht lange brauchte den übergroßen "Titanic"-Stempel abzuschütteln und sich als ernstzunehmender Darsteller zu profilieren.
Erschwerend kommt hier hinzu, dass wirkliche Chemie und prickelnde Leidenschaft beim Paar Pattinson/Witherspoon kaum zu entdeckenden sind, was natürlich ebenfalls zum weniger gelungenen zweiten Teil des Films beiträgt. Dass die Beiden also etwas zu schmale Schultern zum Tragen der Geschichte besitzen wird aber erwartungsgemäß etwas abgemildert durch den charismatischen Herren, der ihnen hier zur Hilfe eilt (auch wenn er ihnen natürlich im Film selbst das Leben eher schwer macht). Für Oscar-Preisträger Christoph Waltz ist dies der nächste Hollywood-Ausflug nach dem spaßigen "Green Hornet" und diesmal ist seine Figur alles andere als nur eine amüsante Karikatur. Dieser autoritäre und charmante, genauso oft jähzornige wie reumütige August wirkt wie gemalt für den Österreicher mit der unverhofften Traumkarriere, und obwohl der ja nun noch nicht allzu lange im Rampenlicht steht, fällt es bereits schwer sich irgendjemand anderen in dieser Rolle vorzustellen. Der Zirkus des August Rosenbluth funktioniert hier wie eine eigene in sich geschlossene Welt, in der die Regeln und Gesetze der restlichen Gesellschaft nicht gelten. Deren oberster Boss spielt sich deshalb als Herr über Leben und Tod und als "Besitzer" anderer Menschen auf, weil er es eben kann und auch weil er eine harte, rücksichtslose Gangart schlicht für notwendig hält um in dieser Zeit zu überleben. Womit er sogar Recht haben könnte, was ihn aber deshalb nicht unbedingt sympathischer macht.
Die Trumpfkarten heißen also Ausstattung, Realismus und Waltz, die Abzüge gibt es für eine sich insgesamt doch sehr vorhersehbar entwickelnde und im letzten Drittel nicht allzu überzeugende und berührende Handlung. Damit entpuppt sich "Wasser für die Elefanten" dann zwar als nur bedingt tauglich für die Kategorie "Großer Schmachtfetzen", hat aber doch einiges an Attraktionen zu bieten. Die Attraktionen des ganz klassischen Kinos eben.
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