The Voices

Originaltitel
The Voices
Jahr
2014
Laufzeit
103 min
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Simon Staake / 29. April 2015

Na hier haben wir ja mal eine Kuriosität: Einen in der amerikanischen Provinz spielenden, komplett in und um Berlin herum gedrehten (nämlich hauptsächlich in den Babelsberg-Studios in Potsdam) Film einer in Frankreich lebenden Iranerin. Bei letzterer handelt es sich natürlich um Marjane Satrapi, die mit Regie- und Drehbuchpartner Vincent Patronnaud zwei ihrer eigenen Comics für die Leinwand adaptiert hat („Persepolis“ und „Huhn mit Pflaumen“). Und was unser Redakteur zum Schluss seiner Rezension des „Huhn mit Pflaumen“ orakelte, ist dann ja auch eingetroffen: Zum einen, dass es ein wenig gedauert hat, bis Satrapi dank ihrer vielfältigen künstlerischen Interessen dazu kommt, wieder einen Film zu machen, und zum anderen, dass dieser dann wohl ganz anders geraten wird als die ersten beiden. Denn mit „The Voices“ ist Marjane Satrapi ganz weit weg vom Iran der ersten beiden Werke, und auch zum ersten Mal weit weg von ihrem bisher so involvierten kreativen Partner Patronnaud, denn hier ist Satrapi nun erstmals allein unterwegs und hat sich dafür ein fremdes Skript ausgesucht, von dem bisher nur in TV-Serien und – ähem - „Paranormal Activity 2“ in Erscheinung getretenen Michael R. Perry. Ob das eine gute Entscheidung war? Zumindest hat sich Satrapi einen schwarzen Humor bewahrt, der vielleicht ihr Interesse an „The Voices“ geweckt hat.
 

Jerry Hickenfang (Ryan Reynolds) arbeitet fröhlich inmitten mürrischer Kollegen in einer Badewannenfabrik in der Kleinstadt Milton irgendwo im mittleren Westen. Besonders gerne geht er zur Arbeit, wenn es eine Chance gibt, Fiona (Gemma Arterton) aus der Buchhaltung über den Weg zu laufen, denn Jerry hat mehr als nur ein Auge auf die Engländerin geworfen, während deren Kollegin Lisa (Anna Kendrick) widerum in Jerry verschossen ist. Romantische Verwicklungen sind aber nur das Kleinste von Jerrys beginnenden Problemen. Denn seit ein paar Tagen nimmt Jerry seine Medikamente nicht mehr, trotz der Warnungen seiner Psychotherapeutin (Jacki Weaver). Und ohne Medikamente hört Jerry Stimmen, vor allem die seiner Haustiere. Sein treuer Hund Bosco unterstützt Jerry, aber die verschlagene Katze Mister Whiskers hat oft nur Spott und Verachtung für ihn übrig. Und als ein Treffen mit Fiona blutig endet, ist dies erst der Anfang, denn Mr. Whiskers scheint Jerry zum Serienmord anstiften zu wollen...
 

„The Voices“ ist wohl am Besten als das zu bezeichnen, was man im Englischen als one trick pony bezeichnet. Der Film hat im Grunde ein bemerkenswertes Gimmick, nämlich die sprechenden Tiere als Ausdruck von Jerrys Psychose, aber das war es im Grunde auch schon. Und aus diesem Gimmick ließe sich sicher eine gute Folge der „X-Akten“ basteln, oder – angesichts des angeschlagenen blutig-comichaften Tons passender – eine Folge der „Geschichten aus der Gruft“, aber für einen anderthalbstündigen Film gibt dieses eine simple Gimmick denn doch nicht genug her. Zumal „The Voices“ sich als Horrorkomödie gibt, dafür aber schlichtweg zu oft weder witzig genug ist, noch einen Weg findet, die Intensität der recht blutigen Horrorparts (und der weiblichen Darsteller in ihnen) so zu integrieren, dass das alles hier richtig funktioniert. Es bleibt eine milde Absurdität, die den Film zwar über die Runden bringt, aber eben keineswegs im Triumphmarsch. Im Grunde genommen ist „The Voices“ ein Film, dessen beste Momente tatsächlich schon im Trailer vorkommen, und der über die Langstrecke eher ein wenig ermüdet als begeistert. Das klingt jetzt sicherlich hart und soll es eigentlich nicht sein, denn natürlich ist es schön, dass „The Voices“ eben mal was Anderes macht. Es macht dieses Andere eben nur nicht so gut wie erhofft.

Wer dagegen seine Sache so gut wie erhofft macht ist der Clou der Besetzungsliste, nämlich Ryan Reynolds. Der wurde in den letzten Jahren ja ein wenig durch Hollywoods Versuche, ihn zum lächelnden leading man zu machen, beschädigt, und nimmt daher die Herausforderung an, in einem Indie wie diesem mal sein Image so richtig zu unterminieren. Und wenn man ihn hier als unbeholfenen Killer à la Norman Bates sieht, stellt man fest: Das Lächeln von Reynolds hat – wenn man ganz genau hinguckt – eindeutig etwas leicht Bedrohliches, ebenso seine Augen. Und wenn man Reynolds mal machen lässt, dann kann er eben auch ganz anders. Und wo er schon mal angefangen hat, ließ er es sich nicht nehmen, in der Originalfassung auch seine beiden Haustiere zu sprechen, darunter Mr. Whiskers mit dickem schottischen Akzent. Dagegen fallen die Frauenrollen ein wenig ab: Gemma Arterton darf nur bitchy sein, Anna Kendrick nur niedlich und was Jackie Weaver als Jerrys Therapeutin hier in überqualifizierter Funktion in unterqualifizierter Rolle macht, darf man sich zumindest bis zum Schlussspurt fragen.

Am Stärksten ist der Film, wenn er Jerrys idealisierte Welt unter Psychose mit der Wirklichkeit vergleicht. Dies ist besonders effektiv, als Jerry seine Pillen wieder nimmt und sich sein fröhliches Appartment in die gruselig-blutige Höhle verwandelt, die sie eigentlich ist. Hier arbeitet der Film geschickt mit seinem unzuverlässigen Erzähler und macht dem Zuschauer nachhaltig klar, dass dieser die Geschehnisse zwar aus der Sichtweise Jerrys sieht, diesen aber nicht trauen kann. Und zwar nicht nur, wenn abgetrennte Köpfe zu sprechen beginnen. Als kleine Anerkennung von Satrapis Vergangenheit in Comic bzw. Animation gibt es auch kurz zwei animierte Vögelchen zu sehen, die Jerrys Verliebtheit darstellen, zudem lässt es sich die Regisseurin nicht nehmen, zwei Musical-Sequenzen zu inszenieren, darunter den sehr bunten Abspann.

„The Voices“ springt wild zwischen den verschiedenen Polen hin- und her. Das kann man positiv sehen und sagen, der Film sorge sich nicht um seinen Ton, der ähnlich schizophren wie sein Protagonist ist und dementsprechend enthusiastisch zwischen Kleinstadtsatire, blutigen Horroreinlagen und schwarzhumoriger Komödie hin- und herschwankt. Man könnte aber auch sagen: der Film steuert diverse Ziele an, ohne diese jeweils so richtig zu erreichen, und schippert daher ein wenig ziellos umher. Beide Sichtweisen sind nicht nur denkbar, man könnte sogar argumentieren, dass sie gänzlich gleichberechtigt nebeneinander existieren können. Und so hat man wie Jerry Engel und Teufel bzw. Bosco und Mister Whiskers auf der Schulter: Der Kritiker-Bosco sagt: „Dieser Film ist ein guter Junge. Er traut sich Sachen, die andere Filme nicht machen.“ Der Kritiker-Mr-Whiskers zischt dagegen: „Diese Schlampe von Film kann sich nicht entscheiden und kriegt nichts so wirklich auf die Reihe“. Wem wollen wir glauben? Dazu muss der Zuschauer selbst seine eigenen imaginativen Tierstimmen befragen. Der Rezensent lässt die beiden jedenfalls zu einem Unentschieden mit knappem Punktsieg für Bosco kämpfen.

Bilder: Copyright

8
8/10

Mir hat der Film gut gefallen. Ryan Reynolds ist mal echt super; Anna Kendrick und Gemma Arterton genauso. Zwischendurch gibt es ordentlich viel Blut und die Musicalnummer am Ende ist einfach nur großartig. Kann dem im letzten Absatz angesprochenen "Kritiker-Bosco" nur zustimmen; beide Daumen hoch.

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6
6/10

[SPOILER] Ich fand Ryan Reynolds auch richtig gut. Aus Jerrys Sicht erscheint alles komisch, skurril und ziemlich naiv. Schreckliches passiert und obwohl alles weiterhin lustig erscheint, bleibt einem immer mehr das Lachen im Halse stecken. Man wurde getäuscht. Es ist nicht komisch, es ist krank. Es ist der reinste Horror und wenige Szenen, die die Wirklichkeit zeigen, sind tatsächlich die besten Szenen des Films.
Ich habe in dem Film mehr den Horrorfilm gesehen, als die Komödie. Gerade zum Ende hin, als er durch den Rauch in den Tod geht, mit dieser unschuldigen und gleichzeitig diabolischen Mimik, ist der Film düster. Insofern fand ich den Abspann wiederum bescheuert.

Leider finden die wesentlichen Szenen in der ersten Hälfte des Films statt. Danach verliert der Film deutlich an Fahrt. Auch die Hintergründe seiner Krankheit waren halbgar umgesetzt. Daher letztendlich nur sechs Augen.

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