Meuterei auf der Bounty

MOH (64): 8. Oscars 1936 - "Meuterei auf der Bounty"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 16. Juli 2024

Das berühmte Geschichten im Kino nicht automatisch Kassengold garantieren hat die in unserer letzten Folge besprochene Shakespeare-Verfilmung “Ein Sommernachtstraum“ erleben müssen. Als ein wahrer Kassenschlager entpuppte sich im gleichen Jahr aber die mit Clark Gable und Charles Laughton prominent besetzte Verfilmung der berühmten Meuterei auf der Bounty. Und als ein perfektes Beispiel dafür, wie wundervoll Hollywood-Kino sein kann, wenn die Traumfabrik es schafft ihre größten Stärken auszuspielen.

Meuterei auf der Bounty

Originaltitel
Mutiny on the Bounty
Land
Jahr
1935
Laufzeit
132 min
Regie
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
10
10/10

Die dramatische Geschichte der HMS Bounty bietet nahezu alles, was das Hollywoodherz begehrt. Exotische Locations, großes Abenteuer und noch größere menschliche Dramen – kein Wunder, dass das damals vor allem für aufwendige Prestige-Streifen bekannte Studio Metro-Goldwyn-Mayer hier zuschlug. Mit einem ordentlichen Budget und großen Stars ausgestattet sollte Regisseur Frank Lloyd (“East Lynne“, “Kavalkade“) auf Basis einer im Jahr 1932 erschienenen Buchvorlage für das Studio den Hit des Jahres produzieren. Eine Kalkulation, die angesichts des großen Erfolgs an der Kinokasse und der Auszeichnung als bester Film bei den Academy Awards 1936 mal so richtig aufging. “Meuterei auf der Bounty“ ist dank einer tollen Inszenierung, einem zwar nicht historisch korrekten, aber cleveren Drehbuch und vor allem drei unglaublich gut aufgelegten Stars wundervolles Blockbuster-Kino der alten Schule.

Ein Kapitän der ganz alten Schule ist wiederum der als sehr autoritär geltende William Bligh (Charles Laughton, “Das Privatleben Heinrichs VIII“, “Ein Butler in Amerika“) unter dessen Kommando im Jahr 1787 im britischen Portsmouth die HMS Bounty in See sticht. Ziel der auf zwei Jahre ausgelegten Reise nach Tahiti ist der Erwerb von wertvollen Stecklingen des Brotfruchtbaums. Die Fahrt zum Inselparadies entpuppt sich angesichts des harten Regiments von Bligh aber vor allem für den jungen Seemann Roger Byam (Franchot Tone, “Bengali“) als Tortur. Anfangs versucht der erfahrene Fletcher Christian (Clark Gable, “Es geschah in einer Nacht“) noch die Wogen an Bord zu glätten, verzweifelt aber bald ebenfalls an dem immer drastischere Strafmaßnahmen anordnenden Bligh. Die Stimmung an Bord gleicht bei der Crew so schon bald einem Pulverfass, doch Bligh denkt gar nicht daran von seiner harten Linie abzuweichen.
 


“Meuterei auf der Bounty“ ist ein schönes Beispiel dafür, wozu Hollywood in seinen besten Tagen in der Lage ist. Eine packend inszenierte epische Geschichte mit unglaublich charismatischen Stars, die sowohl das Publikum als auch die Kritiker begeisterte. Genau solch ein Ergebnis hatte man sich damals bei Metro-Goldwyn-Mayer erhofft, als man der Produktion mit knapp zwei Millionen Dollar ein für die damalige Zeit üppiges Budget zur Verfügung stellte. Zum Vergleich, der zeitgleich erschienene und ebenfalls auf den Weltmeeren spielende “Unter Piratenflagge“ musste mit nur der Hälfte des Geldes klarkommen. Die Macher des Errol-Flynn-Streifen versuchten dies damals unter anderem dadurch zu kaschieren, dass sie die einst aufwendig inszenierten Schiffsaufnahmen des von Frank Lloyd inszenierten Stummfilms “The Sea Hawk“ aus dem Jahre 1924 wiederverwerteten. Und genau dieser Frank Lloyd sitzt für “Meuterei auf der Bounty“ nun auf dem Regiestuhl.

Für “The Sea Hawk“ (“Der Seeteufel“) hatte Lloyd damals extra mehrere Schiffe in Originalgröße nachbauen lassen und auch mehr als zehn Jahre später lässt er nun eher klotzen statt kleckern. Mit viel Aufwand baute man gleich mehrere Schiffe extra für die Dreharbeiten um und segelte mit zweien von diesen sogar tatsächlich bis nach Tahiti, um vor Ort fleißig Filmmaterial zu sammeln. Zugegeben, die drei Hauptdarsteller waren da nicht mit an Bord und ein Teil des Materials findet in Form von heute sehr offensichtlich zu erkennenden Rückprojektionen den Weg in den Film. Doch abgesehen davon versprühen die hübschen Aufnahmen von Kameramann Arthur Edison, der später “Casablanca“ bildlich in Szene setzen sollte, schon sehr erfolgreich eine ordentliche Portion Exotik. Auch die Szenen an Bord der Schiffe sind dank der hochwertigen Ausstattung nett anzuschauen und so kommt hier schon rein optisch sehr schnell echtes Abenteuerfeeling auf.   
 


Dass sich dieses Abenteuer dabei genauso relaxt wie spannend gestaltet liegt auch an der exzellenten Regie von Frank Lloyd. Der weiß, dass es eben nicht reicht, einfach nur die größeren Massenszenen souverän umzusetzen, sondern man vor allem auch Fingerspitzengefühl für ruhigere Charaktermomente beweisen sollte. Gerade in der ersten Hälfte gönnt Lloyd seinen Protagonisten am Schluss von Szenen immer wieder ein paar Extrasekunden Leinwandzeit. So bekommen sowohl diese als auch das Publikum genug Zeit um auch mal innezuhalten und über das gerade Geschehene reflektieren zu können. So verliert “Meuterei auf der Bounty“ bei all der Hektik an Bord nie die Charakterentwicklung aus den Augen, baut eine angenehme Tiefe auf und lässt einen als Zuschauer sehr schnell sehr nah an die Protagonisten rücken. Was auch dadurch vereinfacht wird, dass das Drehbuch sich sehr viel Zeit nimmt um seine Figuren zu entwickeln und auf clevere Art und Weise gerade das Dreiecksverhältnis zwischen Fletcher, Bligh und Byam immer interessanter gestaltet. Gerade der Wandel von Fletcher vom erst charmanten Vermittler zwischen den Fronten hin zum wütenden Widersacher Blighs ist überzeugend.

Man nimmt sich also erfreulich viel Zeit, um seine Story und Figuren zu entwickeln, während das Drehbuch dabei aber auch sehr effizient ohne ein Gramm unnötiges Storyfett daherkommt. Ein wenig Fett kriegt es hier aber trotzdem ab, denn historisch korrekt geht es in diesem jetzt nicht wirklich zu. Das liegt auch an der Buchvorlage, die (wie viele andere Werke der damaligen Zeit) Bligh zum fanatischen Bösewicht erklärt und Fletcher zum einfühlsamen Helden verklärt. Dabei war schon damals bekannt, dass die Wahrheit deutlich komplexer aussah. Während Bligh beileibe nicht der Tyrann war, für den er immer hingestellt wurde, lässt gerade das was über den historischen Fletcher Christian bekannt ist diesen in einem deutlich dunkleren Licht erscheinen. So richtig gerade gerückt wurde dies in Hollywood erst in der 1984er Verfilmung mit Mel Gibson und Anthony Hopkins. Aber dass der Version von 1935 diese spannenden Graubereiche fehlen lässt sich mit einem Blick durch die Entertainment-Brille ehrlich gesagt ziemlich gut verkraften.
 


Womit wir dann auch zum Sahnehäubchen auf dieser bereits sehr lecker anmutenden Hollywood-Torte kommen. Das Charisma unserer drei Hauptfiguren geht hier nämlich förmlich durch die Decke. Von Charles Laughton haben wir in dieser Reihe ja bereits oft geschwärmt und auch hier gibt er wieder einmal herrlich den autoritären Bösewicht. Derweil strahlen sowohl Clark Gable als auch Franchot Tone eine so wundervolle Mischung aus Coolness und Lausbubencharme aus, dass einem jedes Mal das Herz aufgeht wenn beide die Bühne betreten. Wenn Gable mit leicht offenem Shirt an der Reling lehnend verschmitzt in die Kamera grinst, dann steht einem das perfekte Abbild des klassischen Hollywoodstars gegenüber. Doch sowohl Gable als auch Tone nutzen ihr gutes Aussehen und ihren Charme nicht einfach nur zum Selbstzweck, sondern schaffen es immer wieder ihre Figuren auch verletzlich und nahbar zu machen.

Vor allem aber hat man auch nie das Gefühl, dass das Ego von irgendeinem der drei Hauptdarsteller hier droht Amok zu laufen. Alle drei stellen sich ganz in den Dienst der Geschichte und so ist jedes Aufeinandertreffen von und jeder Konflikt zwischen diesen Figuren einfach wundervolles Entertainment. So gut, dass gleich alle drei Darsteller für ihre Leistungen eine Oscar-Nominierung als bester Hauptdarsteller in dem Film einheimsten – bis heute einmalig in der Oscar-Geschichte. Leider machte man sich so allerdings selbst die Stimmen streitig und die Trophäe ging am Schluss an Victor McLaglen für seine deutlich weniger subtile Darstellung in “Der Verräter“. Die Academy wiederum realisierte, dass solch ein Szenario in Zukunft besser vermieden werden sollte und führte aufgrund dieser Erfahrung im Folgejahr die neuen Kategorien „Bester Nebendarsteller“ und “Beste Nebendarstellerin“ ein.
 

 

Das dem Film im Schlussakt ein klein bisschen die Puste ausgeht, Herbert Mundin in seiner Rolle als Comic Relief nur begrenzt funktioniert und die Einheimischen auf Tahiti etwas klischeehaft gezeichnet sind darf man zwar getrost als kleine Schwachpunkte bezeichnen, die aber angesichts der eindrucksvollen Stärken des Filmes nicht wirklich ins Gewicht fallen. Stattdessen feiern wir hier mit “Meuterei auf der Bounty“ ein wirklich wundervolles Exemplar des klassischen Abenteuerkinos aus der goldenen Zeit Hollywoods. Neben der bereits angesprochenen Version aus dem Jahr 1984 sollte 1962 übrigens eine weitere epische Verfilmung des Stoffes durch Hollywood folgen. Angeführt vom legendären Marlon Brando sichert sich diese Version ebenfalls eine Oscar-Nominierung für den besten Film, ohne allerdings nachher siegreich zu sein. Angesichts der großen Fussstapfen, die der Oscar-Gewinner von 1936 hier hinterlässt sind wir auf jeden Fall mal gespannt, ob uns in dieser Oscar-Reihe die Geschichte dann noch einmal so eindrucksvoll in den Bann ziehen wird.

"Meuterei auf der Bounty" ist aktuell auf Amazon Prime in Deutschland verfügbar. Alternativ ist der Film auch kostenlos im Internet Archive auffindbar.

Trailer zum Film

Fletcher vs. Bligh - Szene aus dem Film


Überblick 8. Academy Awards
Alle nominierten Filme der Kategorie “Outstanding Picture“ der achten Academy Awards 1936 nochmal auf einen Blick:


Ausblick
In unserer nächsten Folge werden zum Start in die neunten Academy Awards im Jahr 1937 ebenfalls wieder Ozeane überquert – diesmal an der Seite eines sehr umtriebigen Abenteurers.

Bilder: Copyright

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