Ein Sommernachtstraum

MOH (63): 8. Oscars 1936 - "Ein Sommernachtstraum"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 9. Juli 2024

In der letzten Folge haben wir uns in “Unter Piratenflagge“ ja noch nach etwas clevereren Dialogen gesehnt. Da verspricht der nächste Beitrag von unserer Nominiertenliste der achten Academy-Awards doch direkt Besserung. Die Umsetzung von William Shakespeares berühmtem Werk “Ein Sommernachtstraum“ macht es aber zumindest dem Autor dieser Zeilen nicht gerade leicht, den alten Meister wirklich genießen zu können. 

Ein Sommernachtstraum

Originaltitel
A Midsummer Night's Dream
Land
Jahr
1935
Laufzeit
133 min
Genre
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
5
5/10

Die Bewunderung und Liebe für das Theater eint auch in der Filmbranche viele Regisseure und Schauspieler. So ist es kein Wunder, dass diese schon alleine beim Namen Shakespeare oft in Verzückung geraten. Dessen Stücke aber erfolgreich für das Medium Film aufzubereiten ist eine ziemlich große Herausforderung und ein noch größeres finanzielles Risiko. Kein Wunder, dass viele dieser Umsetzungen meist Herzensprojekte ihre Schöpfer sind. Im Gegensatz zum Theater lassen Shakespeares Stoffe im Kino nämlich jetzt nicht gerade die Kassen klingen, außer natürlich man unterzieht diese einer kompletten Rundumerneuerung (liebe Grüße an Baz Luhrmann).

Klassische Interpretationen haben dagegen einen schweren Stand an der Kinokasse und so scheiterte selbst der von Kenneth Branagh so meisterhaft umgesetzte “Hamlet“ einst daran seine Produktionskosten wieder einzuspielen. Ebenfalls enttäuschend schnitt im Jahr 1935 auch die Verfilmung von Shakespeares “Ein Sommernachtstraum“ an der Kinokasse ab. Warum das so ist lässt sich aber leicht erklären, denn trotz spürbarem Herzblut und jeder Menge Kreativität der Macher kommt die Hollywood-Interpretation am Ende ganz schön sperrig daher und ist wohl nur Fans des Originalstücks mit einem großen Faible für das klassische Theater zu empfehlen. Die dürften sich angesichts der sehr klassischen Interpretation des Stücks hier eher aufgehoben fühlen.  
 


So herrscht, wie in der Originalvorlage, auch in der Filmversion zu Beginn am antiken Hof von Athen erst mal jede Menge Aufregung. König Thesus (Ian Hunter) plant für seine Vermählung mit der Amazonen-Königin Hippolyta (Verree Teasdale) nämlich ein spektakuläres Fest. Passend dazu gibt es im Umfeld der Hochzeitsplanungen aber auch jede Menge weiterer Eifersüchteleien am Hofe. So wird der jungen Hermia (Olivia de Havilland, “Unter Piratenflagge“) von ihrem Vater die Liebe zu Lysander (Dick Powell, “Flirtation Walk“, “Die 42. Straße“) verwehrt, da dieser seine Tochter lieber in den Armen von Demetrius (Ross Alexander) sehen möchte. Hermia flüchtet daraufhin gemeinsam mit Lysander in den angrenzenden Wald, dicht gefolgt vom enttäuschten Demetrius, dem wiederum die liebestrunkene Helena (Jean Muir) auf den Fersen ist.

Verkompliziert wird die Situation dieses Liebes-Quartetts dadurch, dass der Wald auch noch jede Menge magischer Geschöpfe beherbergt. Darunter vor allem den kleinen Puck (Mickey Rooney), der im Auftrag des Königs Oberon (Victor Jory) mit den vier Liebenden so seine Späße treibt. Derweil probt eine Laienschauspielgruppe rund um den Handwerker Bottom (James Cagney, “Here comes the Navy“) im Wald ein Theaterstück für die Hochzeit ein und gerade Bottom gerät schon bald “zwischen die Fronten“ und wird Teil einer wilden Verwechslungsorgie.
 


Im Fall von “Ein Sommernachtstraum“ lohnt sich der Blick auf die Vorgeschichte des Films und dabei vor allem die Rolle der beiden Regisseure. Da wäre auf der einen Seite Max Reinhard, der Anfang des 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum eine der berühmtesten Persönlichkeiten des Kulturlebens war. Gerade in Berlin hatte er mit besonders spektakulären Theaterproduktionen, die auf aufwendige Bühnenmaschinerie und viele Statisten zurückgriffen, für neuen Schwung in der Szene gesorgt. Einer der prägendsten Aufführungen war dabei eben genau jener Sommernachtstraum im neuen Theater am Schiffbauerdamm im Jahre 1905. Seine jüdische Abstammung zwang ihn nach vielen weiteren Erfolgen und der Gründung der Salzburger Festspiele schließlich nach der Machtergreifung Hitlers zur Flucht aus Deutschland. Was schließlich dazu führte, dass Reinhard im Jahr 1934 eine spektakuläre Aufführung von “Ein Sommernachtstraum“ in der berühmten Hollywood Bowl von Los Angeles umsetzen durfte – bereits mit Olivia de Havilland und Mickey Rooney in den gleichen Rollen wie im späteren Film.

Die epische Inszenierung des Theaterstücks ließ die Filmbranche aufhorchen und Warner Brothers sicherte sich dann auch umgehend Reinhards Dienste für die filmische Umsetzung des Stoffes. Da Reinhard aber kaum Englisch sprach stellte man ihm einen erfahren Filmregisseur zur Seite, der ihm als Dolmetscher und allgemeine Unterstützung dienen sollte. Diese Rolle fiel einem deutschen Regisseur zu, der einst in Deutschland an Max Reinhards Theater in Berlin seinen Durchbruch als Schauspieler geschafft hatte. Wilhelm Dieterle, der seinen Vornamen in den USA in William umtaufen ließ, hatte bereits in Berlin schon in “Ein Sommernachtstraum“ mitgespielt, sich dann aber immer mehr dem Medium Film gewidmet. Für seinen ersten Film als Regisseur hatte er dann auch gleich mal die junge Marlene Dietrich gecastet und nach kurzer Zeit weckten seine Arbeiten schließlich die Aufmerksamkeit Hollywoods. Den Ruf der Traumfabrik erhörte William Dieterle nur zu gerne und schon bald avancierte er zu einem der angesehensten Regisseure im Hause Warner Brothers. Heute ist sein Name nur noch Experten bekannt obwohl er mit “Ein Glöckner von Notre-Dame“ einen echten Klassiker der Filmgeschichte inszenierte und sein Biopic “Das Leben des Emile Zola“ sogar den Oscar für den besten Film gewann.
 


Womit dann auch deutlich wird, dass wir hier zwei Herren hinter der Kamera sitzen hatten, die wirklich genau wussten was sie taten und deren Endprodukt man das geflossene Herzblut definitiv auch ansieht. Womit es dann ein wenig schmerzt zu verkünden, dass der Film den Autor dieser Zeilen ziemlich kalt gelassen hat. Was aber, und das grenzt angesichts des Namens Shakespeares natürlich schon fast an Blasphemie, auch ein wenig an der Vorlage liegt. Jeder hat vermutlich ja so seine Lieblingsstücke des Altmeisters und für mich haben die sehr luftigen Liebesverwirrungen der High-Society-Protagonisten in “Ein Sommernachtstraum“ einfach nie an die dramatische Tiefe und Power eines Hamlets heranreichen können. Und leider schafft es der Film nicht meine Meinung in dieser Hinsicht zu ändern.

Man muss allerdings fair sein und erwähnen, dass die Filmversion von 1935 hier auch unter erschwerten Bedingungen antritt. Die klassischen Shakespeare-Dialoge nur im Original und ohne Untertitel sehen zu können ist für einen Nichtmuttersprachler doch teilweise eine Herausforderung – so manche Facetten von Shakespeares Wortgewandtheit gehen da natürlich verloren. Für viele dürfte natürlich schon das im Film verwendete Frühneuenglisch abschreckend wirken, wobei Filme wie Branaghs “Hamlet“ eindrucksvoll gezeigt haben, dass dieses auch noch Jahrhunderte nach seiner eigentlichen Verwendung einem packenden Filmerlebnis nicht im Wege stehen muss.
 


Kritischer ist da schon eher die sehr am klassischen Theater orientierte Inszenierung des Films zu betrachten. In seinen Memoiren erzählte Darsteller James Cagney, dass viele der Schauspieler und Schauspielerinnen angesichts der von Reinhard gewünschten sehr gestenreichen Spielweise irritiert gewesen waren – die passte ja schließlich weniger zum Film als viel mehr zum Theater. Und so wirken dann auch viele der Schauspielleistungen einfach etwas zu abgehoben und over-the-top für das Medium Film. Besonders deutlich wird das am Beispiel der Figur des kleinen Puck, gespielt vom damals 15-jährigen Mickey Rooney. Es ist natürlich faszinierend Rooney, der eine beeindruckende 88 Jahre lange Hollywoodkarriere hinlegte (sein erster Auftritt fand 1926, sein letzter 2014 statt), hier als Kind zu sehen. Leider nur ist sein Puck unglaublich schrill und nervtötend und meist einfach kaum auszuhalten.

Auch alle anderen Darstellerinnen und Darsteller wirken allerhöchstens durchschnittlich in ihren Rollen und mehr gekünstelt als real. Keinem gelingt hier irgendeinen wirklich nachhaltigen (positiven) Eindruck zu hinterlassen. Gerade bei der Fülle der Protagonisten hat man dann auch nie das Gefühl abseits der simplen Grundmotive der Figuren irgendwelche spannenden Facetten an diesen zu entdecken. Stattdessen wirken deren Dialoge eher aufgesetzt und abgehoben als emotional involvierend. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass die ständigen Verwechslungen und Liebeswirrungen der Story einen eher kalt lassen anstatt wirklich zu unterhalten.
 


Letztendlich gönnt der Film seiner straffen Handlung auch kaum Zeit zum Durchatmen, weswegen man nie in Ruhe jetzt auch die interessanteren Momente einfach mal sacken lassen kann. Auch die Optik des Films klotzt statt zu kleckern. Die großartigen Sets werden immer wieder mit einer etwas zu heftig eingesetzten Portion Weichzeichner und jede Menge Funkeln verschönert, was das Bild dann doch manchmal etwas zu überladen wirken lässt. Hübsch anzuschauen ist es zwar trotzdem, nur ist halt insgesamt einfach alles hier eine Spur drüber, um wirklich so richtig genossen zu werden. Was schade ist, denn wenn hier zum Beispiel eine ganze Armada an Feen durch das Bild fliegt ist das handwerklich für die damalige Zeit wirklich beeindruckend umgesetzt. Auch die Choreographien sind immer wieder durchaus elegant und ansprechend gelungen, wobei gerade hier die meist penetrante Statik der Kamera auffällt. Das man weitestgehend auf filmspezifische Inszenierungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel Kamerafahrten, verzichtet, ist einfach auch eine verpasste Chance.

Gefühlt fängt sich der Film im letzten Drittel ein wenig, kann ein paar gelungenere Schmunzler einbauen und kommt nicht mehr ganz so schrill daher. Und trotzdem stellt sich am Ende des Filmes eher das Gefühl von Leere ein. Max Reinhards und William Dieterles filmische Umsetzung von “Ein Sommernachtstraum“ schafft es leider nicht die Stärken des Theaterstückes auf wirklich interessante Weise für ein Filmpublikum aufzubereiten. Das mögen Theaterfreunde anders sehen und diese dürfen darum hier ruhig einen Blick riskieren. Allen anderen sei aber anstatt diesem Film besser das von Shakespeare eigentlich geplante Setting für das Stück empfohlen. Also, auf zum nächsten Theater.

"Ein Sommernachtstraum" ist aktuell als DVD auf Amazon in Deutschland verfügbar.

 


 Szene mit Puck und Hermia

 


 Trailer zu "Ein Sommernachtstraum"


Ausblick
In unserer nächsten Folge widmen wir uns einem weiteren Story-Klassiker, der diesmal aber auf einer wahren Begebenheit beruht und auf hoher See spielt. 

Bilder: Copyright

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