Flirtation Walk

MOH (42): 7. Oscars 1935 - "Flirtation Walk"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 13. Februar 2024

Nach meinem Ausflug an die Westküste der USA in der letzten Folge ist die heutige Kritik wieder mit deutlich weniger Aufwand verbunden. Dafür ist aber auch der Ertrag geringer, denn “Flirtation Walk“ entpuppt sich am Ende als ziemlich durchschnittliches Vergnügen.

Flirtation Walk

Land
Jahr
1934
Laufzeit
97 min
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
5
5/10

Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts den Kadetten der berühmten amerikanischen Militärakademie West Point zum ersten Mal Besuch erlaubt wurde dürfte die Freude groß gewesen sein. Die Ablenkung vom streng durchorganisierten Alltag nutzen die Herren dabei vor allem für einen kleinen Spaziergang am benachbarten Hudson River. Nicht völlig überraschend handelte es sich hierbei sehr oft um Damenbesuch, was dem kleinen Weg am Fluss schnell den Spitznamen “Flirtation Walk“ einbrachte. Diesen kleinen Brauch greift der gleichnamige Film aus dem Jahre 1934 auf und möchte sich drumherum eine kleine Romanze zwischen einem einfachen Kadetten und der Tochter eines hochrangigen Generals basteln.

“Flirtation Walk“ startet allerdings erst einmal auf Hawaii wo der Soldat Richard Dorcy (Dick Powell, “Die 42. Straße“) eher misswillig seinen Dienst in der US-Army verrichtet und durch mangelnden Gehorsam vor allem seinen Vorgesetzten Scrapper (Pat O'Brien, “The Frontpage“) zur Weißglut treibt. Richards Motivation steigt aber spürbar als Kit (Ruby Keeler) auftaucht und ihm den Kopf verdreht. Bei einem unerlaubten romantischen Ausflug werden die beide aber dann überrascht, was allerdings nur für Richard Konsequenzen hat. Kit ist nämlich die Tochter eines Generals sowie gleichzeitig Objekt der Begierde eines Richard höhergestellten Lieutnants (John Eldredge) und so steigt der Druck auf Richard möglichst zügig den Dienst zu quittieren. Was der auch tut, allerdings mit dem Hintergedanken möglichst schnell selbst in der Nahrungskette aufzusteigen, um sich in Zukunft von niemandem mehr etwas sagen lassen zu müssen. Dafür schreibt sich Richard an der berüchtigten Militärakademie West Point ein ohne vorerst auch nur einen Gedanken an Kit zu verschwenden.


Moment, hier kennen wir doch ein paar Leute. Erst vor ein paar Folgen hatten die beiden Hauptdarsteller Dick Powell und Ruby Keeler ja für uns beschwingt in der “42. Straße“ getanzt. Und das finanziell ziemlich erfolgreich womit dann auch in den 1930er Jahren bewährte Hollywood-Mechanismen greifen. Warum die zwei Turteltauben diesmal nicht ins Zentrum eines Filmes rücken, noch ein bisschen Singen und Tanzen reinpacken (egal ob es nun passt oder nicht) und vielleicht können wir uns ja so ein neues Hollywood-Traumpaar backen. Und damit wir das Risiko minimieren setzen wir einfach den stets zuverlässigen Frank Borzage (“Bad Girl“, “Im siebenten Himmel“) auf den Regiestuhl, der in dieser Blogreihe jetzt nun schon zum vierten Mal auftaucht.
 
Leider greift hier aber jetzt eine weitere Hollywoodregel. Für einen guten Film braucht es nämlich mehr als nur ein paar vertraute Erfolgszutaten in einen großen Topf zu werfen. “Flirtation Walk“ kommt leider unglaublich lieblos konstruiert und erzwungen anstatt locker und leichtfüßig daher. Am deutlichsten wird dies in der plumpen Art und Weise mit der das Drehbuch versucht die Sing- und Tanzeinlagen einzubauen. Wenn Richard und Kit zu Beginn durch Zufall bei einem traditionellen hawaiianischen Fest teilnehmen dann wirkt es zum Beispiel irritierend unglaubwürdig wie alle Hawaiianer in Begeisterung ausbrechen, wenn Richard auf einmal den begnadeten Sänger gibt und die Veranstaltung an sich reißt. Vermutlich würde die Szene allerdings besser funktionieren, wenn Powell schauspielerisch nicht spürbar überfordert wäre. In “Die 42. Straße“ hatte er ja nur eine Nebenrolle inne, doch sein oft sehr bemüht und einseitig wirkendes Spiel lässt hier leider die nötige Bandbreite für eine interessante Hauptfigur vermissen.


Wo wir schon gerade bei dem Vergleich mit “Die 42. Straße“ sind, gerade bei der Tanzsequenz auf Hawaii wird offensichtlich, dass “Flirtation Walk“ versucht an die spektakulär choreographierten Tanzeinlagen aus “Die 42. Straße“ anzuknüpfen. Doch ohne deren begnadeten Choreographen Busby Berkely hinter der Kamera zieht man im Vergleich dann doch deutlich den kürzeren, auch wenn das Ergebnis irgendwie zumindest noch ganz nett anzuschauen ist. Ansonsten sind die romantischen Verstrickungen zu Beginn aber nur leidlich unterhaltsam auch weil nur bedingt eine wirkliche Chemie zwischen Richard und Kit zu spüren ist. Immerhin kann Ruby Keeler durchaus etwas Charme aufbauen wird dann aber erst einmal für eine längere Zeit aufs Abstellgleis geschoben, da man sich im Mittelteil Richards Karriere in West Point widmet.

Genau dieser Abschnitt ist dann auch der schwächste Teil des Filmes, da dieser hauptsächlich aus der unspektakulären Aneinanderreihung von militärischen Paraden und Trainingssequenzen besteht. Angesichts der Freude vor Ort in Kooperation mit dem US-Militär hunderte von Kadetten aufmarschieren lassen und filmen zu können vergessen die Macher leider, dass man sich in der Zwischenzeit doch auch mal um die Figurenentwicklung kümmern könnte. Stattdessen überlegt man sich lieber wie man denn nun hier eine weitere Tanzsequenz folgen lassen kann. Man ahnt es schon, ganz soviel Mühe hat man sich dabei nicht gegeben. So lässt man einfach aus dem Nichts heraus nicht nur Kit wieder auftauchen sondern auch Richard spontan zum Leiter eines Theaterstücks an der Akademie ausrufen. Wieso das so ist und warum ausgerechnet alle seiner Kollegen Richard dazu drängen unbedingt Kit, mit der sich dieser eigentlich überworfen hat, zur Hauptdarstellerin zu machen? Besser nicht hinterfragen.


Das dann folgende große Finale in Form des 20-minütigen Theaterstücks, in dem Richard und Kit ihre Beziehungsprobleme live auf der Bühne ausfechten, wirkt dann wie ein ziemlicher Fremdkörper im Film. Für sich genommen ist es eigentlich ganz nett umgesetzt, hängt aber inhaltlich zu stark in der Luft, um wirklich emotional zu verfangen. Den namensgebenden Flirtation Walk hat man davor übrigens auch relativ lieblos in die Geschichte geworfen und so wirkt der Film am Ende einfach wie eine relativ seelenlose Auftragsarbeit, deren Reißbrett-Charakter zu deutlich zu spüren ist. Das hinderte das damalige Publikum aber nicht daran in Scharen in den Film zu strömen und Powell und Keeler schließlich tatsächlich zu einem der beliebtesten Leinwandpaare der folgenden Jahre zu küren. Die Konsequenz? Ein Jahr später durfte Frank Borzage beide im Film “Shipmates Forever“ inszenieren, diesmal in einer Liebesgeschichte, die sich an einer Navy-Akademie abspielt. Ach, Hollywood. 

"Flirtation Walk" ist aktuell als DVD-Import auf Amazon in Deutschland verfügbar.

Trailer des Films


Ausblick
In unserer nächsten Folge ist Romantik eher etwas politisch motiviert. In “Cleopatra“ zeigt uns Regisseur Cecil B. DeMille seine Leidenschaft für epische Historienstoffe.

Bilder: Copyright

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