Es
ist mittlerweile dunkel geworden. Ihr Ehemann ist nun
schon seit
Stunden weg, wollte eigentlich nur Eis für die beiden
Kinder
holen. Dann kommt ein Auto die Auffahrt hoch gefahren. Es
ist nicht
sofort erkennbar, dass es sich um einen Polizeiwagen
handelt. Zwei
Polizisten steigen aus, laufen mit gedrückter Miene zum
Haus.
Aus Dutzenden von Filmen ist dieses Szenario
bekannt, und natürlich überbringen die Polizisten der
Ehefrau auch hier die niederschmetternde Botschaft. Der
Mann (David
Duchovny) von Audrey (Halle Berry) musste sterben, weil er
einer
Frau helfen wollte, die von ihrem Ehemann bedroht wurde.
Als die
Kamera zum Ort des Verbrechens zurückkehrt, liegen drei
leblose
Körper auf dem Boden.
Audrey muss mit dieser Situation und dem Schmerz
klarkommen, doch
allein schafft sie es nicht. Und so holt sie ausgerechnet
den Menschen
zu sich ins Haus, den sie am Meisten verachtet: Jerry
(Benicio Del
Toro), der heroinsüchtige beste Freund ihres Mannes.
Zwischen
den Beiden entwickelt sich eine ungewöhnliche Beziehung,
auf
nicht-körperlicher Ebene. Diese beiden Personen, die
nichts
verbindet außer der Tatsache, dass ihnen der wichtigste
Mensch
in ihrem Leben genommen wurde, richten sich aneinander
auf. Versuchen,
den Schmerz und die Sucht zu überwinden.
"Nach der Hochzeit" dürfte Susanne Bier die Tür
nach Hollywood geöffnet haben. Miit "Open Hearts"
und vor allem "Brothers - Zwischen Brüdern" konnte
sie zwar bereits zuvor in Europa für einiges Aufsehen
sorgen,
doch für ihren jüngsten Film setzte es schließlich
eine Nominierung für den Auslands-Oscar 2007 (der dann
bekanntlich
nach Deutschland ging). Nun dreht sie mit Personen, die
den Oscar
schon ihr Eigen nennen. Halle Berry erhielt ihn für "Monster's
Ball", Benicio Del Toro für "Traffic",
und produziert wird "Things We Lost in the Fire" unter
anderem von einem gewissen Sam Mendes, dessen satirische Auseinandersetzung
mit dem American Dream 1999 fünf Oscars einheimste.
Man
mag also eigentlich nicht ernsthaft daran zweifeln, dass
hier irgendetwas
misslingen könnte, und doch schleichen sich in der ersten
halben
Stunde leise Zweifel ein. Bier wählt den Ansatz, zunächst
nicht chronologisch zu erzählen, setzt mit der Trauerfeier
ein und löst das vorherige Geschehen in Rückblicken auf.
So ist es zunächst auch nicht möglich, eine emotionale
Bindung zu den trauernden Charakteren herzustellen, die
allgemeine
Niedergeschlagenheit auf der Leinwand ist nachvollziehbar,
aber
nicht mitfühlbar oder zumindest richtig spürbar.
Glücklicherweise setzt die dänische Dogma-Regisseurin
ihr Drama anschließend in chronologischer Reihenfolge
fort.
Der Film beginnt nun eigentlich erst richtig und erzählt
von
diesen beiden unterschiedlichen Personen mit noch
unterschiedlicheren
Problemen. Da ist die Ehefrau, die über den Verlust ihres
Mannes
und des Vaters ihrer Kinder hinwegkommen muss, und da ist
der Junkie,
einst Anwalt und seitdem auf dem absteigenden Ast. Ein
Junkie, dem
Audrey in einer Szene an den Kopf wirft, dass er es hätte
sein
sollen, der stirbt. Aus dieser Konstellation zieht der
Film seine
Kraft.
Und dabei ist es weniger die Figur der Audrey, die
fasziniert.
Vielleicht liegt es an Hally Berry, die hinter ihre eigene
Leistung
aus "Monster's Ball" zurückfällt. Sieben Jahre
sind seitdem vergangen, und einige Rollen, die es
definitiv nicht
hätten sein müssen (siehe "Gothika",
"Catwoman"),
liegen dazwischen.
Und obwohl sie im Prinzip die gleiche Rolle spielt und
ihrer Figur wieder ein wichtiger Mensch genommen wird,
bleibt ihre
Darbietung im Vergleich zum "Erstling" recht ausdruckslos.
Nun mag eine Frau, die gerade ihren Mann verloren hat,
wohl auch
kaum vor Energie nur so strotzen, doch ein bisschen
nuancierter,
mehr als nur große Augen machend, hätte es in der einen
oder anderen Szene schon sein dürfen. Ihre Darbietung geht
in Ordnung, aber Berry konnte es eben auch schon besser.
Ihr gegenüber steht Benicio Del Toro, der nun zwangsläufig
die zentrale Position einnimmt, Berry die Schau stiehlt,
und trotz
zweier Oscar-Berücksichtigungen hier wohl die beste
Leistung
seines Lebens zeigt. Ins Gedächtnis brennt sich eine
Szene,
in der Jerry frisch auf Entzug geht. So drastisch sieht
man das
im US-Kino selten, und Del Toro sorgt dabei für eine
ungeheure
Intensität, macht Jerrys Qualen förmlich spürbar.
Aber überhaupt ist sein Mimenspiel eine einzige Freude.
Der
gesamte Charakter von Jerry - und das ist ein durchaus
komplexer
- scheint sich in seinen Gesichtszügen abzuzeichnen. Wo
andere
Schauspieler sich um den Verstand hampeln müssen, um
Einblick
in das Innenleben ihrer Figuren zu gewähren, verzieht Del
Toro
mal eben ein wenig die Miene und alles ist klar. Wirklich
ganz große
Klasse.
Dass vor allem der männliche Hauptdarsteller nachhaltig
so
viel Eindruck hinterlässt, ist zu einem guten Teil auch
Susanne
Bier anzurechnen. "Sie setzt auf Handkamera und kommt
damit
den Leuten sehr, sehr nahe - bisweilen bis in die
Augäpfel"
- diese Beschreibung von Sam Mendes ist keinesfalls eine
Übertreibung.
Immer wieder rückt sie ihren Darstellern dermaßen auf
die Pelle, dass jede Schwäche sofort auffallen würde.
Was eben vor allem bei Del Toro nicht passiert.
Obwohl dieser Film ein amerikanischer ist, wirkt er nicht
unbedingt
wie ein solcher. Gerade die Dialoge weisen häufig das auf,
was man als "typisch europäisch" beschreiben könnte.
Manchmal in ihrem Bemühen, Konventionellem aus dem Weg zu
gehen,
ein bisschen am Ziel vorbei. Aber das bleibt auf wenige
Ausnahmen
beschränkt.
Ob
Bier letztendlich die sich natürlich anbietende
Möglichkeit
wahrnimmt, Audrey und Jerry zusammenzubringen, sei offen
gelassen.
So ganz sicher kann man sich kurz vor Schluss nicht sein.
Denn einerseits
gelingt es ihr nicht ganz, um Plot-Entwicklungen, die
absehbar sind,
einen Bogen zu schlagen, doch andererseits ist sie auch
immer wieder
für kleine Überraschungen gut. Audreys Ehemann ist es
nie gelungen, den sechsjährigen Sohn zum Tauchen zu
bewegen.
Jerry gelingt dies beim ersten Versuch. Wer nun meint,
dass dies
Audrey das Herz bricht, liegt richtig. Allerdings
geschieht dies
auf andere Art und Weise, als man zunächst denken könnte.
Zwischenzeitlich sollte diese bewegende Geschichte mal
unter dem
Titel "Eine neue Chance" in die deutschen Kinos kommen.
Glücklicherweise scheint man es nun aber doch beim
Originaltitel
zu belassen. Warum dieser "Things We Lost in the Fire"
heißt, mag zunächst sicher nicht einleuchten, schließlich
ist Audreys Mann ja nicht bei einem Feuer ums Leben
gekommen, und
auch im Laufe des Films wird darauf sehr lange kein Bezug
genommen.
Doch es gibt sie, die zentrale Szene, die den Titel
erklärt,
und genau da macht dieser Titel dann auch endlich Sinn.
Deutlich
mehr Sinn als eine vollkommen beliebige "neue Chance".
"Das ist kein Film mit einer Botschaft. Ich hasse Kino
mit
Botschaften", sagt Susanne Bier. Und auch wenn das Ende
eigentlich
eine andere Sprache spricht, so wollen wir ihr das einfach
mal glauben.
"Things We Lost in the Fire" ist hervorragendes
Charakter-Drama
mit einem überragenden Benicio Del Toro und einer
großartigen
Bildsprache, das nur leider ein wenig braucht, um in die
Gänge
zu kommen. Klar empfehlenswert bleibt es dennoch. Auch
ohne Botschaft.
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