Things We Lost In The Fire

Originaltitel
Things We Lost In The Fire
Land
Jahr
2007
Laufzeit
117 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von René Loch / 16. Juni 2010

 

Es ist mittlerweile dunkel geworden. Ihr Ehemann ist nun schon seit Stunden weg, wollte eigentlich nur Eis für die beiden Kinder holen. Dann kommt ein Auto die Auffahrt hoch gefahren. Es ist nicht sofort erkennbar, dass es sich um einen Polizeiwagen handelt. Zwei Polizisten steigen aus, laufen mit gedrückter Miene zum Haus. Aus Dutzenden von Filmen ist dieses Szenario bekannt, und natürlich überbringen die Polizisten der Ehefrau auch hier die niederschmetternde Botschaft. Der Mann (David Duchovny) von Audrey (Halle Berry) musste sterben, weil er einer Frau helfen wollte, die von ihrem Ehemann bedroht wurde. Als die Kamera zum Ort des Verbrechens zurückkehrt, liegen drei leblose Körper auf dem Boden.
Audrey muss mit dieser Situation und dem Schmerz klarkommen, doch allein schafft sie es nicht. Und so holt sie ausgerechnet den Menschen zu sich ins Haus, den sie am Meisten verachtet: Jerry (Benicio Del Toro), der heroinsüchtige beste Freund ihres Mannes. Zwischen den Beiden entwickelt sich eine ungewöhnliche Beziehung, auf nicht-körperlicher Ebene. Diese beiden Personen, die nichts verbindet außer der Tatsache, dass ihnen der wichtigste Mensch in ihrem Leben genommen wurde, richten sich aneinander auf. Versuchen, den Schmerz und die Sucht zu überwinden.

"Nach der Hochzeit" dürfte Susanne Bier die Tür nach Hollywood geöffnet haben. Miit "Open Hearts" und vor allem "Brothers - Zwischen Brüdern" konnte sie zwar bereits zuvor in Europa für einiges Aufsehen sorgen, doch für ihren jüngsten Film setzte es schließlich eine Nominierung für den Auslands-Oscar 2007 (der dann bekanntlich nach Deutschland ging). Nun dreht sie mit Personen, die den Oscar schon ihr Eigen nennen. Halle Berry erhielt ihn für "Monster's Ball", Benicio Del Toro für "Traffic", und produziert wird "Things We Lost in the Fire" unter anderem von einem gewissen Sam Mendes, dessen satirische Auseinandersetzung mit dem American Dream 1999 fünf Oscars einheimste.
Man mag also eigentlich nicht ernsthaft daran zweifeln, dass hier irgendetwas misslingen könnte, und doch schleichen sich in der ersten halben Stunde leise Zweifel ein. Bier wählt den Ansatz, zunächst nicht chronologisch zu erzählen, setzt mit der Trauerfeier ein und löst das vorherige Geschehen in Rückblicken auf. So ist es zunächst auch nicht möglich, eine emotionale Bindung zu den trauernden Charakteren herzustellen, die allgemeine Niedergeschlagenheit auf der Leinwand ist nachvollziehbar, aber nicht mitfühlbar oder zumindest richtig spürbar.
Glücklicherweise setzt die dänische Dogma-Regisseurin ihr Drama anschließend in chronologischer Reihenfolge fort. Der Film beginnt nun eigentlich erst richtig und erzählt von diesen beiden unterschiedlichen Personen mit noch unterschiedlicheren Problemen. Da ist die Ehefrau, die über den Verlust ihres Mannes und des Vaters ihrer Kinder hinwegkommen muss, und da ist der Junkie, einst Anwalt und seitdem auf dem absteigenden Ast. Ein Junkie, dem Audrey in einer Szene an den Kopf wirft, dass er es hätte sein sollen, der stirbt. Aus dieser Konstellation zieht der Film seine Kraft.

Und dabei ist es weniger die Figur der Audrey, die fasziniert. Vielleicht liegt es an Hally Berry, die hinter ihre eigene Leistung aus "Monster's Ball" zurückfällt. Sieben Jahre sind seitdem vergangen, und einige Rollen, die es definitiv nicht hätten sein müssen (siehe "Gothika", "Catwoman"), liegen dazwischen. Und obwohl sie im Prinzip die gleiche Rolle spielt und ihrer Figur wieder ein wichtiger Mensch genommen wird, bleibt ihre Darbietung im Vergleich zum "Erstling" recht ausdruckslos. Nun mag eine Frau, die gerade ihren Mann verloren hat, wohl auch kaum vor Energie nur so strotzen, doch ein bisschen nuancierter, mehr als nur große Augen machend, hätte es in der einen oder anderen Szene schon sein dürfen. Ihre Darbietung geht in Ordnung, aber Berry konnte es eben auch schon besser.
Ihr gegenüber steht Benicio Del Toro, der nun zwangsläufig die zentrale Position einnimmt, Berry die Schau stiehlt, und trotz zweier Oscar-Berücksichtigungen hier wohl die beste Leistung seines Lebens zeigt. Ins Gedächtnis brennt sich eine Szene, in der Jerry frisch auf Entzug geht. So drastisch sieht man das im US-Kino selten, und Del Toro sorgt dabei für eine ungeheure Intensität, macht Jerrys Qualen förmlich spürbar. Aber überhaupt ist sein Mimenspiel eine einzige Freude. Der gesamte Charakter von Jerry - und das ist ein durchaus komplexer - scheint sich in seinen Gesichtszügen abzuzeichnen. Wo andere Schauspieler sich um den Verstand hampeln müssen, um Einblick in das Innenleben ihrer Figuren zu gewähren, verzieht Del Toro mal eben ein wenig die Miene und alles ist klar. Wirklich ganz große Klasse.

Dass vor allem der männliche Hauptdarsteller nachhaltig so viel Eindruck hinterlässt, ist zu einem guten Teil auch Susanne Bier anzurechnen. "Sie setzt auf Handkamera und kommt damit den Leuten sehr, sehr nahe - bisweilen bis in die Augäpfel" - diese Beschreibung von Sam Mendes ist keinesfalls eine Übertreibung. Immer wieder rückt sie ihren Darstellern dermaßen auf die Pelle, dass jede Schwäche sofort auffallen würde. Was eben vor allem bei Del Toro nicht passiert.
Obwohl dieser Film ein amerikanischer ist, wirkt er nicht unbedingt wie ein solcher. Gerade die Dialoge weisen häufig das auf, was man als "typisch europäisch" beschreiben könnte. Manchmal in ihrem Bemühen, Konventionellem aus dem Weg zu gehen, ein bisschen am Ziel vorbei. Aber das bleibt auf wenige Ausnahmen beschränkt.
Ob Bier letztendlich die sich natürlich anbietende Möglichkeit wahrnimmt, Audrey und Jerry zusammenzubringen, sei offen gelassen. So ganz sicher kann man sich kurz vor Schluss nicht sein. Denn einerseits gelingt es ihr nicht ganz, um Plot-Entwicklungen, die absehbar sind, einen Bogen zu schlagen, doch andererseits ist sie auch immer wieder für kleine Überraschungen gut. Audreys Ehemann ist es nie gelungen, den sechsjährigen Sohn zum Tauchen zu bewegen. Jerry gelingt dies beim ersten Versuch. Wer nun meint, dass dies Audrey das Herz bricht, liegt richtig. Allerdings geschieht dies auf andere Art und Weise, als man zunächst denken könnte.

Zwischenzeitlich sollte diese bewegende Geschichte mal unter dem Titel "Eine neue Chance" in die deutschen Kinos kommen. Glücklicherweise scheint man es nun aber doch beim Originaltitel zu belassen. Warum dieser "Things We Lost in the Fire" heißt, mag zunächst sicher nicht einleuchten, schließlich ist Audreys Mann ja nicht bei einem Feuer ums Leben gekommen, und auch im Laufe des Films wird darauf sehr lange kein Bezug genommen. Doch es gibt sie, die zentrale Szene, die den Titel erklärt, und genau da macht dieser Titel dann auch endlich Sinn. Deutlich mehr Sinn als eine vollkommen beliebige "neue Chance".

"Das ist kein Film mit einer Botschaft. Ich hasse Kino mit Botschaften", sagt Susanne Bier. Und auch wenn das Ende eigentlich eine andere Sprache spricht, so wollen wir ihr das einfach mal glauben. "Things We Lost in the Fire" ist hervorragendes Charakter-Drama mit einem überragenden Benicio Del Toro und einer großartigen Bildsprache, das nur leider ein wenig braucht, um in die Gänge zu kommen. Klar empfehlenswert bleibt es dennoch. Auch ohne Botschaft.


8
8/10

der rezension ist wenig hinzuzufügen

stellenweise eindringliches drama, aber doch nicht ganz rund

del toro: top
berry: ganz gut
duchovny: leider nicht ganz überzeugend

was stört ist sind auch teilweise diese heileweltmenschen:
der bruder (immer da wenn man in braucht), der freund (freundet sich auf einen schlag mit dem junky an und hilft ihm immer wieder), die cleane freundin (die sich heimlich in del toros charakter verliebt), zum teil auch die kinder, die sich ohne weiteres mit ihm anfreunden

fazit: lohnt sich für freunde des langsamen und eindringlichen kinos, obwohl sie wahrscheinlich schon bessere filme gesehen haben

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10
10/10

Ich finde es immer wieder erstaunlich, wenn von Kritikerseite versucht wird, an herausragenden Filmen das Haar in der Suppe zu finden.
Mein Fazit: Superfilm mit überragenden Hauptdarstellern
(auch Halle Berry!)

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8
8/10

Dafür dass ich nicht auf Dramen stehe und mich diese meistens nur langweilen, muss ich doch zugeben dass dieser Streifen auf jeden Fall sehenswert ist.
Vor allem Benicio de Toro's Leistung war hervorragend und eine bessere Besetzung kann ich mir für diesen Charakter auch garnicht erst vorstellen. Halle Berry war auch überzeugend.
Die Drogen und Entzugs Thematik hat mich etwas gestört, aber Fehler und falsche Konstruktionen konnte ich keine finden.
Auf der DVD lohnt sich das auf jeden Fall.

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8
8/10

ein absolut sehenswerter film! sehr überzeugend gespielt. benicio des toro hat es einfach drauf! und der kritik ist hier nichts mehr hinzu zufügen.

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7
7/10

Ich habe einen ähnlichen Eindruck wie K-pax33 und staune einmal mehr über das Phänomen bei einigen filmszene-Kritikern, auf Teufel komm raus ein Haar in der Suppe zu finden, z. T. an Stellen, die keinem "normalen" Filmgenießer sauer aufstoßen würden.
Im Fall von "TWLITF" übersieht der Rezensent aber einen gewaltigen Unterschied in der Beurteilung der Schauspielerleistungen von Halle Berry und Benicio del Toro. Berry hat einmal mehr mit dem Fluch der Schönheit zu kämpfen und ihr bleibt daher nicht viel anderes übrig, als große Augen zu machen und zu weinen, was ihr hübsches Gesicht aber nur bedingt entstellt. Das macht sie, mit Verlaub, ähnlich überzeugend wie in ihrer Oscar-Rolle und fällt nicht etwa dahinter zurück. Del Toro bringt phänotypisch dagegen ganz andere Voraussetzungen mit und sieht - der Ausdruck sei erlaubt - fast immer so "abgefuckt" aus, als wäre er ein Junkie und käme gerade aus der Gosse. So liegt es auf der Hand, dass ihm dramatische Rollen wie diese, die auch noch mit Drogen zu tun haben, leichter von der Hand bzw. leichter aus dem Gesicht gehen.

Ich finde vielmehr die Besetzung von Berry und Duchovny als Liebespaar etwas unglücklich. Damit hätte sich der Rezensent eingehender befassen sollen.

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8
8/10

@meagainsttheworld
du triffst den Nagel auf den Kopf. Genau das, was du anmerkst, war mir auch etwas säuerlich in Erinnerung zurück geblieben. Allerdings fand ich Berrys Leistung mehr als nur "ganz gut". Ich sehe hier die Schwächen klar in der Handlung, die, wenn man es benennen möchte, klar den amerikanischen Erzählkino-Konventionen entspricht. Die will ich nicht verunglimpfen, aber sie beißt sich hier mit dem Stil Biers. Unterm Strich aber ein Wehrmutstropfen; der Film ist klar zu empfehlen.

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