Gegen die Wand

Jahr
2004
Laufzeit
121 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Frank-Michael Helmke / 31. Juli 2010

Fatih Akin hat mit seinem neuen Film "Gegen die Wand" den Goldenen Bären der diesjährigen Filmfestspiele von Berlin gewonnen. Das ist für einen enthusiastischen deutschen Kinofan eigentlich Grund zur Freude, denn ein deutscher Film als Hauptgewinner bei der Berlinale kommt ungefähr so häufig vor wie beim Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Noch dazu ist Akin unbestreitbar einer der talentiertesten und vielversprechendsten Regisseure (siehe z.B. "Im Juli" und "Solino"), die die junge Generation hierzulande zu bieten hat. Wahrlich ein Grund zur Freude also. Eigentlich. Denn bei Betrachtung von "Gegen die Wand" kann man (oder zumindest dieser Rezensent) sich nicht des Eindrucks erwähren, dass die Entscheidung der Berlinale-Jury bestenfalls gut gemeint und schlimmstenfalls äußerst fragwürdig war.

"Gegen die Wand" fährt zu Beginn des Films der abgebrannte, 40-jährige Deutsch-Türke Cahit, Paradebeispiel eines daueralkoholisierten Thekenwracks der schlimmsten Sorte, der diesen stümperhaften Selbstmordversuch allerdings überlebt. Auch überlebt hat ihren versuchten Suizid die 20-jährige Sibel, die Cahit im Krankenhaus kennenlernt und die ihn fast postwendend bittet, sie zu heiraten. Der Grund: Sibel versucht verzweifelt, aus ihrem konservativ-traditionellen türkischen Elternhaus zu entkommen, und wenn nicht per Selbstmord, dann geht das nur durch die Hochzeit mit einem türkisch-stämmigen Mann. Cahit stimmt schließlich missmutig zu, und so formen die beiden eine Lebens- und Wohnungszweckgemeinschaft, ohne weitere Verpflichtungen. Doch während Sibel ausgeht, sich fröhlich durch die Gegend vögelt (die Bild-Zeitung hat erwartungsgemäß flink die Parallelen zum wahren Leben von Darstellerin Sibel Kekilli aufgezeigt, deren bisherige Filmographie vornehmlich aus Pornostreifen besteht) und ihre neue Freiheit genießt, erwachen in Cahit unvermeidlicherweise zarte Gefühle für die junge Schönheit, die wieder Ordnung, Freude und vor allem ein bisschen Hoffnung in sein Leben gebracht hat.

Der erneute Absturz ist leider vorprogrammiert, denn das hier ist keine verträumte RomCom (auch wenn die Prämisse dort besser funktionieren würde), sondern ein beinhartes Stück Kino, mit dem Akin zu den Wurzeln seines famosen Erstlings "kurz und schmerzlos" zurück kehrt - und das nicht nur beim Setting in den etwas wilderen Straßen von Hamburg-Altona, sondern auch thematisch, denn "Gegen die Wand" dreht sich vor allem um die speziellen Probleme von Immigranten der zweiten oder dritten Generation. Gefangen irgendwo zwischen dem traditionsbewussten Elternhaus und den verführerischen Versprechungen einer modernen Konsumgesellschaft steht Sibel stellvertretend für eine ganze Generation junger Türkinnen, die hier in Deutschland gerne frei leben würden, aber es häufig nicht können. Cahit wiederum hat seine ethnischen Wurzeln schon fast verloren: Er spricht nur noch gebrochen türkisch und begegnet den Bräuchen seiner Kultur vor allem mit Unverständnis. Durch diesen thematischen Schwerpunkt etabliert sich Akin nachdrücklich als Regisseur zwischen den Kulturen, der seine türkischen Einflüsse mindestens so stark berücksichtigt wie seine deutschen und so in der Tat einer der prägenden Filmemacher unserer multikulturellen Gesellschaft ist.
Entsprechend würdigt Akin auch die Trends zweier Filmlandschaften, denn im türkischen Kino tut sich zur Zeit eine neorealistische Bewegung auf, und diesen knallharten Realismus hat sich auch Akin für "Gegen die Wand" auf die Fahnen geschrieben: Mit geradezu erbarmungsloser Direktheit präsentiert er das selbstzerstörerische Dasein Cahits (im übrigen beeindruckend portraitiert von Birol Ünel, der in der Realität laut Akin ebenfalls viel mit seinem Charakter gemeinsam hat), in dessen Leben selbst Sex zur verschwitzt-verzweifelten, geradezu animalischen Triebbefriedigung verkommt. Zumindest für die erste Hälfte entsteht so ein hochgradig intensiver und stark inszenierter Kinofilm.
Dass das unbestreitbare Talent des Regisseurs allerdings nicht immer für einen durchgehend gelungenen Streifen garantiert, zeigt leider das zerfahrene Schlussdrittel. Eingeleitet durch einen bereits bemüht konstruiert wirkenden Höhe- bzw. Tiefpunkt, erweist sich dieser letzte Teil von "Gegen die Wand" als leidlich konfus und eindeutig unentschlossen. Jenseits der offensichtlichen ersten Wendung seiner Grundprämisse - die auch in jeder RomCom so zu erwartende Entstehung zarter Gefühle zwischen den Zweckehepartnern - scheint Akin nämlich leider nicht mehr viel eingefallen zu sein, wie es mit seinen Charakteren weitergeht. Brutal-realistisch wie der Film nun mal ist, gefällt ihm die Idee von einem konventionellen (obwohl nahe liegenden) Happyend überhaupt nicht, stattdessen verliert er sich im Schlussakt in zusehends zum Selbstzweck verkommenden Gewaltdarstellungen, die in ihrer Heftigkeit (gerade bei einer hässlichen Vergewaltigung) ebenso gewollt wie unnötig erscheinen. Währenddessen wandelt sich die Handlung zusehends zum dürftig zusammen gestrickten Flickenteppich, der mit zu vielen Ort- und Zeitsprüngen nicht nur den Drive des ganzen Films verkommen lässt, sondern auch deutlich das Gefühl vermittelt, dass Akin einfach nicht mehr richtig wusste, wo er mit seiner Geschichte hin will. So schaukelt sich der Film unentschlossen und entsprechend antiklimaktisch dahin bis zu einem durch und durch unbefriedigenden Schluss, der viel zu viele offene Enden zurücklässt. Das mag zwar auch realistisch sein, der Dramaturgie eines Kinofilms ist das aber trotzdem nicht zuträglich.

Angesichts eines solch enttäuschenden Schlussakts können auch Akins erfrischend-multikulturelle, inszenatorische Eigenwilligkeiten (wie die Umrahmung der Geschichte mit türkischem Folkloregut, vorgetragen von einer Band direkt am Bosporus) nur noch bedingt Freude bereiten. Sicher ist "Gegen die Wand" ein wichtiger Schritt in der Karriere Akins hinsichtlich seiner eigenen "Stimme" als Filmemacher, nichtsdestotrotz kann man aber nicht verschweigen, dass der Film nach starkem Anfang auch stark nachlässt und sich einfach zu billig aus der eigenen Handlung davonstiehlt. Fatih Akin ist ein unglaublich sympathischer und begabter Filmemacher, dem man für seine Laufbahn wirklich nur das Beste wünscht. Dennoch ist der Gewinn des Goldenen Bären für "Gegen die Wand" überraschend, wobei dies als negativer Euphemismus zu verstehen ist: Wie auch immer die Entscheidung der Jury motiviert war, verdient ist diese Auszeichnung - leider - nicht.

Bilder: Copyright

8
8/10

dieser film ist der besten deutschen film, den ich irgendwann gesehen habe. ;)
Elle und nur Elle aus polen

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Dieser Film hat Erinnerungen an die Vergangenheit geweckt und ist sehr realitätsnah.Ich habe schon sehr viele Filme von Fatih Akin gesehen und muss sagen er macht einfach nur Klasse Filme!

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10
10/10

Als ich den Film sah, kam mir sehr viel bekannt vor...damit meine ich die Handlung. Sie ist/war sehr realistisch..da es meist wirklich so läuft..

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10
10/10

Film ist einfach nur Authentisch!
Ich habe eine gute Naricht!
ARD/NDR 21:00 Uhr Samstag 1.11.2008!
Ich freu mich schon:D

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10
10/10

Ein genialer Film!! ebenso genial war der zweite Teil seiner Trilogie "auf der anderen Seite".Ich warte sehnsüchtig auf den nächsten Akin Film. Ist mir auch fragwürdig, was die dummen klugscheißenden Kommentare über Akin uns seine Filme sollen? Warum macht man sich dann überhaupt die Mühe, eine DINA4 Seite lang zu schreiben?! Also wenns zum Nachdenken und kritisieren ganze Seiten braucht, dann hat es irgendwo doch getroffen, oder wie schamlos geht man mit seiner kostbaren Zeit um? naja...Fatih hat es mit Anfang 30 geschafft, international Filmtrophäen zu sammeln. Ich denke das sagt alles über seine Art der Filmkunst. Oder sind alle Akademien in Europa und Asien völlig übergeschnappt und überhäufen ihn deshalb mit den ganzen Auszeichnungen? Nun ja...Cannes hat ihn zwei jahre hintereinander in mehreren Kategorien ausgezeichnet und lud ihn auch in Begleitung von Salma Hayek als jurymitglied ein, unter anderem!! Hoscakalin

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