Bridget Jones erblickte das Licht dieser Welt im Jahre 1995, als Hauptfigur einer Kolumne in der englischen Zeitung "The Independent". Erdacht von der Journalistin Helen Fielding ließ Bridget hier in Tagebuchform ihren alltäglichen Frust raus, den eine Mitdreißigerin so
Saufen, futtern, fernsehen, Miesen schieben. |
durchmacht, wenn sie single, ein bißchen zu dick und berufliche Mittelklasse ist. Die bissigen Kommentare erwiesen sich als so beliebt, daß Fielding ein Jahr später ein Buch daraus machte: "Bridget Jones's Diary" verkaufte sich inzwischen mehr als vier Millionen mal und machte die Protagonistin zur Kultfigur in England. Da wundert es wenig, daß die Verfilmung im Inselreich langsam zum erfolgreichsten Film aller Zeiten mutiert, obwohl sich das Volk der Teetrinker vor nicht allzu langer Zeit noch kollektiv darüber entrüstet hatte, daß für die Hauptrolle dieses urbritischen Buchs ausgerechnet eine Amerikanerin engagiert wurde. Die Zweifel waren unangebracht und haben sich inzwischen in kollektive Begeisterung gewandelt: Renee Zellweger arbeitete sich für die Rolle der Bridget Jones ein niedliches Doppelkinn und einen sauberen englischen Akzent an, und ist abgesehen davon eine der begabtesten (und meist unterschätzten) Comedy-Darstellerinnen unserer Tage. Was auch hauptsächlich der Grund dafür ist, daß "Bridget Jones" ohne jegliche Schwierigkeiten den Titel für die beste RomCom des Jahres einheimst.
Für Bridget persönlich ist ihre Geschichte allerdings zunächst gar nicht komisch: Sie arbeitet als unbedeutende Assistentin in einem Verlag, hat einen kleinen und sehr abgedrehten
fürchterliche Krawatte und hat einen Stock verschluckt. |
Freundeskreis, verbringt ihre Abende hauptsächlich mit jeder Menge Kippen und Wodka, und muß auch im 32. Jahr ihres Singledaseins die gräßlichen Weihnachtsfeiern ihrer Eltern über sich ergehen lassen, inklusive Verkupplungsversuch ihrer Mutter. Ihr diesjähriger Kandidat heißt Mark Darcy (Colin Firth), mit dem Bridget sofort eine gegenseitige und absolute Antipathie verbindet (Mark zu seiner Mutter: "I do not need a blind date. Not with a verbally incontinent spinster who drinks like a fish, smokes like a chimney and dresses like her mother."). Viel interessanter erscheint da Bridget's Chef Daniel (Hugh Grant), mit dem sie schmutzige kleine E-Mails tauscht und ziemlich bald im Bett landet. Aber natürlich wären wir hier nicht in einer RomCom, wenn der vermeintliche Traummann und Sex-Gott Daniel nicht doch gewisse Arschloch-Charakteristika aufweisen würde und der stocksteife Mark gar nicht so blöd ist, wie er zunächst scheint.
Die Stärke und der clevere Witz von "Bridget Jones" liegt im Detail (hier disqualifiziert sich auch sofort der deutsche Untertitel, der nicht nur doof, sondern auch falsch ist: Im ganzen Film futtert Bridget nicht ein Stück Schokolade), und diese Details sind vor allem eins: Sehr englisch. Weihnachtsparties mit Gürkchen am Spieß und Truthahn-Curry, eine verstockte und trockene Art von Romantik, und die besondere Angst vor peinlichen Situationen (welche diese
ersten Erscheinen im Fernsehen. |
wiederum magisch anzuziehen scheint), dieser Film hegt und pflegt seine Britishness in bester Manier. Einsame Höhepunkte der wahnwitzig witzigen Peinlichkeiten: Bridget's Ansprache auf einer Release-Party für ein neues Buch (Frage an Salman Rushdie: "Wissen Sie, wo das Klo ist?") und ihr erster Fernsehauftritt, mit einem "Hintern so groß wie Brasilien".
Den Löwenanteil an dieser äußerst gelungenen Komik hat das prominente Darsteller-Trio: Colin Firth ist so britisch steif als hätte er tatsächlich seinen Schirm verschluckt und schafft es, bis zum Schluß des Films nicht einmal zu lächeln. Hugh Grant besticht vor allem dadurch, einmal nicht Hugh Grant zu spielen (wenn der tolpatschige Trottel aus "Vier Hochzeiten ..." und "Notting Hill" auch nett war: Irgendwann reicht's). Und Renee Zellweger ist als ewig qualmendes und saufendes Frust-Pummelchen so verdammt gut, daß sie ihr Knuddel-Image aus "Jerry Maguire" hoffentlich endlich ablegen kann und als die großartige Schauspielerin ernst genommen wird, die sie unverkennbar ist. Wenn sie vollkommen besoffen und deprimiert zu "All by myself" mitgröhlt, dann singt sie nicht nur allen
ihre Bauch-Weg-Unterwäsche ... |
Frauen aus der Seele, die sich in Bridget Jones wiederfinden, sondern bringt gleichzeitig den ganzen Kinosaal zum beben. Eine grandiose Gradwanderung zwischen Zynismus und Niedlichkeit, die keine andere Aktrice hinbekommen hätte.
Apropos Mitgröhlen: Der Soundtrack kommt einer Greatest Hits-Sammlung für RomComs und ihre spaßig-frustige Themenpalette gleich. Von Aretha Franklin's "Respect" über "It's raining men" bis hin zum schnulzig-schönen "Someone like you" sind eigentlich alle die Knaller vertreten, die zu so einem Film einfach dazugehören. Es fehlen einzig "I will survive" und "Sisters are doing it for themselves", dann wäre die ultimative Platte für die Single-Frau ab 30 vollständig.
"Bridget Jones" ist ein weiteres Beispiel dafür, daß den Briten in puncto Komödien so schnell keiner das Wasser reichen kann. Während sich Hollywood mit seinen infantilen Fäkal-Gags konsequent der absoluten Niveaulosigkeit nähert, zeigen uns die Freunde von der Insel ein weiteres Mal, wie leicht es sein kann, gleichzeitig witzig, clever, intelligent, wahrhaftig und originell zu sein. Hätte die Produktion toller Komödien irgendwas mit der Ernährung zu tun, dann sollten alle Filmschaffenden nur noch Pfefferminz-Sauce essen.
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