"Black Gold" ist so ein Film, in dem man sitzt und sich die ganze Zeit fragt: Warum ist dieser Film überhaupt gemacht worden? Das liegt nicht daran, dass er sonderlich schlecht wäre, neinnein. Man muss fairerweise gleich einräumen, dass hier alles ganz ordentlich gemacht ist, zwar nicht überragend, aber doch absolut solide. Trotzdem bleibt die Frage: Wozu das Ganze? Was für ein Zielpublikum hat ein Film, der einen längst vergessenen Roman aus dem 1950er Jahren adaptiert und über die Ära des frühen 20. Jahrhunderts erzählt, als die Entdeckung des Erdöls die arabische Halbinsel und ihre jahrhundertealten Strukturen und Traditionen umkrempelte, aber dies nicht anhand von historisch verbürgten Personen und Ereignissen tut, sondern via einer komplett fiktionalen Abenteuermär? Ganz direkt gefragt: Wen soll das interessieren?
Weil diese Frage nicht so leicht zu beantworten ist, wäre dieser Film unter normalen Umständen auch nie gemacht worden. Tatsächlich ist er auch über 30 Jahre nicht gemacht worden. Der tunesische Filmproduzent Tarak Ben Ammar betreute anno 1976 als aufstrebender junger Mann gerade die Dreharbeiten einer Science-Fiction-Saga namens "Krieg der Sterne" in der Wüste seiner Heimat, als er den (damals schon 20 Jahre alten) Roman "Der schwarze Durst" des Schweizers Hans Ruesch las. Damals setzte sich Ben Ammar in den Kopf, dieses Buch unbedingt verfilmen zu wollen, versuchte aber viele Jahre lang vergeblich, Geldgeber dafür zu finden. Bis vor ein paar Jahren auf einmal eine Prinzessin des arabischen Emirats Katar zu ihm Kontakt aufnahm, die sich in den Kopf gesetzt hatte, ihre Heimat (die ja bereits Fußballfans weltweit gegen sich aufgebracht hat, indem sie sich die Ausrichtung der Fußball-WM 2022 gekauft hat) nun auch als Filmproduktionsstandort auf der Landkarte zu etablieren. Und wie alle Fans von Manchester City wissen: Wenn erstmal arabisches Geld im Spiel ist, werden viele Dinge bedeutend einfacher.
Mit dem frisch gegründeten "Doha Film Institute" als zentralem Geldgeber konnte Ben Ammar sein Traumprojekt also endlich realisieren und engagierte für die Regie den leidlich renommierten Jean-Jacques Annaud ("Zwei Brüder", "Duell - Enemy at the Gates", "Der Name der Rose") sowie ein paar international bekannte Darsteller, die der ganzen Sache nun etwas Flair und Glamour verleihen sollen. So denn spielt nun der französische Shootingstar Tahar Rahim ("Ein Prophet") den arabischen Prinzen Auda, der erst einmal nur der willenlose Spielball in den politischen Schachereien zweier Herrscher ist: Nesib, Emir von Hobeika (Antonio Banderas in einer Gebt-mir-den-Gehaltsscheck-aber-erwartet-nicht-dass-ich-mich-sonderlich-anstrenge-Vorstellung) und Audas Vater Amar, Sultan von Salmaah (Mark Strong, "Sherlock Holmes") schließen nach einem entbehrungsreichen Krieg gegeneinander Frieden und richten als Puffer-Zone zwischen ihren beiden Reichen den sogenannten "Gelben Gürtel" ein, ein Streifen Wüste, den von nun an niemand für sich beanspruchen soll. Quasi als Sicherheit, dass keiner von beiden den anderen noch einmal angreift, gibt Amar einem traditionellen Brauch folgend seine beiden jungen Söhne in Nesibs Obhut, so dass Auda und sein älterer Bruder von nun an in Hobeika aufwachsen.
Gut 15 Jahre später bekommt Nesib Besuch von ein paar Amerikanern, die in der Wüste Öl gefunden haben und mit ihm ins Geschäft kommen wollen. Blöderweise befindet sich die Quelle im "Gelben Gürtel", und während Nesib etwas voreilig die Bohrtürme errichten lässt und in neuem Reichtum seine Fantasien von Macht und Wohlstand auslebt, pocht Amar auf die Einhaltung der Friedensabmachung. Ärger ist vorprogrammiert, und alsbald wird ausgerechnet der unbeholfene Bücherwurm Auda zur Schlüsselfigur in einem Konflikt, in dem er sich sowohl als Kriegsherr wie auch als weiser Anführer beweisen muss.
Achja, Liebe gibt's natürlich auch noch, denn Auda verliebt sich in Nesibs Tochter, Prinzessin Leyla (Freida Pinto aus "Slumdog Millionär"), und wird aus politischen Gründen mit ihr verheiratet, was die Komplexität des Auf-welcher-Seite-stehst-du-eigentlich-Problems für Auda noch erhöht, als er als "Friedensbotschafter" heim zu seinem Vater geschickt wird. Mit der Figur der Leyla beginnt indes auch ein ganz zentrales Problem von "Black Gold". Im ganzen Film gibt es nur zwei halbwegs relevante Frauenfiguren, doch wie diese gezeigt werden und was sie tun macht es an sich unmöglich, diesen Film auf dem arabischen Kinomarkt zu verwerten - und das wäre eigentlich der einzige, auf dem dieser Film auf irgendein Interesse stoßen könnte. Denn was man "Black Gold" definitiv zugute halten muss ist sein respektvoller und akkurater Umgang mit islamischen Traditionen und Werten. Was aber wiederum eine Sache ist, mit der er bei einem westlichen Publikum schnell an gewisse Verständnisgrenzen stößt: Die Umständlichkeiten, die mit Audas und Leylas Begegnungen in der Öffentlichkeit einhergehen (sie will sich ihrem Gatten zeigen, doch kein anderer Mann darf Leyla unverschleiert sehen), werden präzise und realistisch gezeigt, lösten aber schon während der Pressevorführung bei Teilen der anwesenden Journalisten (unangebrachtes) Gelächter aus. Das zeugt zwar von der Ignoranz der lachenden Zuschauer, zeigt aber auch auf, dass sich "Black Gold" auf dem Markt, für den er eigentlich gedacht ist, nur schwertun kann.
Abgesehen von diesem grundsätzlichen Problem bietet "Black Gold" allerdings auch nichts, was ihn zu einem Must-see macht. Seine Geschichte ist gewürzt mit den üblichen Elementen eines großen Abenteuer-Epos, es geht um Herrschaft und Ehre, Prinzen und Liebe, Krieg und Intrigen, das Ganze in Szene gesetzt mit vielen hübschen Wüstenpanoramen und permanent untermalt von einem gefälligen Soundtrack, der so tut, als wäre das hier mindestens "Lawrence von Arabien, Teil Zwei". Ist es aber eben nicht. Der zentrale Konflikt, der hier behandelt wird (das Erdöl bringt Unmengen von Geld nach Arabien, womit moderne Infrastruktur in einem bis dato armen, rückständigen Land entstehen kann, doch gleichzeitig untergräbt dieser Wandel jene Werte und Traditionen, welche die Gesellschaft dort bisher ausgemacht haben) ist an sich interessant und bedeutsam, durch seine Verlegung in eine komplett fiktionale Geschichte verliert er jedoch ganz immens an Wert, da man sich am Ende mit einem "Und dann wurde alles gut..." aus der Geschichte stehlen kann und die anhaltende Komplexität des Themas - wie haben die Erdöl-Milliarden Arabien tatsächlich verändert? - einfach ausblendet.
Auch wenn "Black Gold" mehr als einmal an dieses große Vorbild erinnert, von der Komplexität in Geschichte und Hauptfigur eines "Lawrence von Arabien" ist die Mär von Prinz Auda weit entfernt. Da kann auch Hauptdarsteller Tahar Rahim nicht gegen an, der hier eine wirklich gute Vorstellung abliefert, aber unter der Oberflächlichkeit von Geschichte und Inszenierung leidet (bestes Beispiel: Ganz stereotyp wird Auda zu Beginn als tapsiger Bücherwurm charakterisiert, indem man ihm eine Brille auf die Nase setzt; je mehr er jedoch ins Zentrum der Handlung rückt und zu einem "richtigen" Mann wird, desto besser werden offenbar seine Augen - schon bald verschwindet die Brille auf Nimmerwiedersehen von seiner Nase). Freida Pinto als Leyla ist indes in jeder ihrer schätzungsweise zehn Szenen ein solch komplettes Klischee, dass man sich fast wünscht, "Black Gold" hätte auch in dieser Hinsicht "Lawrence" nachgeahmt und einfach ganz auf Frauenrollen verzichtet.
Womit wir wieder bei der Eingangsfrage wären: Warum ist dieser Film überhaupt gemacht worden? Es gibt kein Kinopublikum, dem sich hier ein echter Bezugspunkt bietet, keine politische Relevanz im heutigen Kontext, keine Geschichte, die darauf drängte, endlich auf der großen Leinwand erzählt zu werden. Man kann Tarak Ben Ammar dazu gratulieren, dass er den langen Atem und letztlich das Glück hatte, dieses sein Traumprojekt umzusetzen. Aber warum er überhaupt davon geträumt hat und vor allem warum man sich das jetzt angucken sollte, darauf gibt es trotzdem keine Antwort.
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