Für die in den obigen Credits genannten Schauspieler war mit der Entscheidung in diesem Film mitzuwirken eines von vornherein klar: Ihre Leistungen werden vom Publikum kaum beachtet werden, denn gegen die Ausstrahlung und das Charisma der eigentlichen Hauptdarsteller haben sie keinerlei Chance. Wenn die titelgebenden "Zwei Brüder" hier mit den Augen rollen oder sich majestätisch aufrichten, bleibt den Menschlein nur der Platz am Bildrand und die Aufmerksamkeit gehört ganz allein zwei prächtigen Tigern. Die präsentiert uns der in diesem Genre recht erfahrene Jean-Jacques Annaud, doch im Gegensatz zu seinem eher naturalistischen Film "Der Bär" bedient der Regisseur und Drehbuchautor sein Publikum diesmal auch mit einer fortlaufenden Handlung.
Angesiedelt hat er diese im Indochina der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts, was dieser britisch-französischen Koproduktion praktischerweise die Besetzung mit einheimischen Darstellern erlaubt, befinden wir uns damit doch noch mitten in der Kolonialzeit. Dort versucht der etwas abgehalfterte Jäger Aidan McRory durch den Handel mit antiken Statuen und Skulpturen wieder zu Geld zu kommen. Als seine Gruppe einen lohnenden Tempel plündert, dringen sie damit auch in das Heim einer Tigerfamilie ein und setzen eine Kette dramatischer Ereignisse in Gang. Die beiden Tigerbabys Kumal und Sangha werden dabei von ihren Eltern getrennt und geraten in die Hände der Menschen. Während der sanfte Kumal gezähmt und an einen Zirkus verkauft wird, landet Sangha zunächst bei Raoul, dem jungen Sohn des Gouverneurs. Doch die Wildheit des Tigers sorgt bald für Probleme und schweren Herzens gibt die Familie das Tier wieder ab, ausgerechnet in die Obhut eines Mannes, der aus Sangha eine brutale Kampfmaschine machen will. Einen wilden Tiger, der eines Tages in der Arena seinem eigenen Bruder gegenüberstehen wird.
Wow, eine ziemlich dramatische Geschichte hat Monsieur Annaud da diesmal konstruiert, und es ist schon bemerkenswert, wie oft sich hier die wenigen Protagonisten und ihre Schützlinge im nicht näher bestimmten, aber doch gar nicht mal so kleinen Königreich über den Weg laufen. Ein bisschen arg viele Zufälle hat es hier schon, aber diese allzu sehr zu sezieren würde natürlich der eigentlichen Intention des Films nicht gerecht werden. Diese lautet nämlich, einen schön anzusehenden Streifen in exotischer Umgebung zu präsentieren und diesen dann mit einigen Spannungsmomenten zu versehen. Und natürlich vor allem mit tollen Tieraufnahmen. Dies ist sicherlich gelungen, denn ob die beiden schnuckeligen Raubkatzen nun verspielt herumtollen oder mit traurigem Blick in die Gegend schauen - es ist schon beeindruckend wie mühelos und leicht man mit den beiden Tigern eine Geschichte erzählen kann, bei der sie wie selbstverständlich in die Handlung integriert sind. Das dahinter natürlich in Wahrheit ein ganzer Haufen harter Arbeit steckt ist klar und in Anerkennung dieser Leistung verzeihen wir es daher auch, wenn hier und da mal etwas zu viel des Guten getan wurde und die Dschungelbewohner doch arg vermenschlicht erscheinen. Es ist aber immer erfreulich und auch schon erwähnenswert, wenn heutzutage ein Film auf Computeranimationen verzichtet wo sie nicht unbedingt nötig sind, und dies ist hier der Fall. Zwar standen die Schauspieler den erwachsenen Tigern meist nicht mehr direkt gegenüber, hier wurde dann aber auf die altbewährte Kamera- und Schneidetechnik zurückgegriffen.
Ein fast etwas altmodischer Film mit einer sehr konventionellen Story ist "Zwei Brüder" letztendlich geworden, und daher erreicht er auch nie die beeindruckende Wirkung und Wucht des bereits erwähnten und eher dokumentarisch angelegten "Bär" vom gleichen Regisseur. Nur manchmal durchbricht Annaud hier die Regeln des Genres, indem er beispielsweise auf die klassischen Schurkenfiguren verzichtet. Der Versuchung, den Gouverneur und den einheimischen Provinzfürsten als Karikaturen anzulegen, widersteht er und der von Guy Pearce verkörperte Jäger ist sogar fast eine Art gebrochene Heldenfigur. Damit ist dann aber auch genug der Innovation und es bleibt immerhin ein netter, hübsch anzuschauender Familienfilm mit zwei bezaubernden tierischen Hauptfiguren.
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