Ein Prophet

Originaltitel
Un prophete
Land
Jahr
2009
Laufzeit
155 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Simon Staake / 27. Mai 2010

Kann jemand wie Malik El Djebena ein Prophet sein? Kann jemand wie Malik überhaupt irgendwer sein? Am Anfang dieses ambitionierten, sowohl kunstvollen als auch knallharten Knastdramas sieht es jedenfalls nicht so aus. Da kommt er in den Knast, seine erste Strafe bei den großen Jungs, wie ihn sein Anwalt erinnert. Isst du Schweinefleisch, fragt ihn der für seine Ankunft verantwortliche Beamte. Malik guckt ihn nur verständnislos an, zuckt mit den Schultern und murmelt "Öh, ähm, ja." Er ist zwar Araber und theoretisch auch Moslem, hat aber mit den Lehren des Koran nichts am Hut.
Seine Geschichte hinter Gittern ist nie vollständig die einer religiösen Erweckung, so prätentiös wollte Jacques Audiard denn vielleicht doch nicht sein. Aber so ganz ohne Prätentionen ist "Ein Prophet" nicht, denn ihm geht es sehr wohl um viel mehr als nur ein schnödes Knastdrama. In den klassischen Elementen wie der Gewalt, der Korruption der Wärter und natürlich der zentralen Aufsteigergeschichte erinnert "Ein Prophet" auch an Filme wie etwa "Blood In, Blood Out". Jacques Audiard hat aber natürlich noch Anderes, Größeres vor. Schon früh ahnt man dies. Verwischte Aufnahmen von fliehenden Rehen durchbrechen die ansonsten mit knallharter Authentizität erzählte Geschichte. Der Blick geht verwaschen durch eine Art Röhre, die Ränder bleiben schwarz. Vielleicht soll dies Maliks Blick sein, als ihm später fast ein Auge heraus gerissen wird. Diese kleinen künstlerischen Einschübe sind, ja was eigentlich, Vorahnungen, Prophezeiungen?

Der durch den Titel vorgegebene größere Anspruch und auch die Verbindung zum Islam und dem Propheten Mohammed werden erst nach und nach ganz subtil deutlich. Erstmal lernen wir mit Malik (Tahar Rahim) das harte Knastleben kennen. Schon am ersten Tag sind die schönen neuen Sportschuhe weg und ein paar aufs Maul gibt's noch dazu. Doch es kommt noch schlimmer. César Luciani (Niels Arestrup), ein korsischer Gangsterboss und seine Bande haben ein Auge auf ihn geworfen. Der Grund: Malik ist in den Araber-Trakt des Gefängnisses eingeteilt, in den aus Sicherheitsgründen gerade Jordi (Reda Kateb) verlegt wurde, der Kronzeuge in einem Prozess gegen die korsische Mafia. Malik soll ihn für die Korsen umlegen. Erst wehrt er sich gegen dieses Angebot, das er unmöglich ablehnen kann. Was Malik zu diesem Moment noch nicht weiß: Sein erster Kontakt mit César wird ihn zum Ende seines Gefängnisaufenthalts zu einem respektierten Gansterboss machen....

Die Abhärtung des Kleinkriminellen und sein Aufstieg zum Gangsterboss werden dabei faszinierend nachgezeichnet, besonders wie Malik, der als dummer Taugenichts in den Knast kommt, durch Geschick und Beobachtungsgabe anfängt, zu einem meisterhaften Manipulator zu werden. Das ist faszinierend anzuschauen, und zwar so faszinierend, dass die zweieinhalb Stunden des Films einem nie lang oder langweilig vorkommen. Das hat auch viel mit den gezeigten Schauspielerleistungen zu tun, mit dem Duell zweier großartiger Akteure. Von Charakterdarsteller Niels Arestrup (trotz sehr dänisch klingendem Namen waschechter Franzose) ist man das gewöhnt, der hat gerade in den letzten Jahren öfters auf sich aufmerksam gemacht, etwa als kaputter Kleingangster in "Der wilde Schlag meines Herzens", für den er auch den César, das französische Oscar-Pendant, als bester Nebendarsteller gewann. Aber die sensationelle Leistung von Tahar Rahim ist genau das, eine Sensation. Denn Rahim ist ein völlig Unbekannter, der bevor Audiard ihn für "Ein Prophet" entdeckte, einzig zwei Statistenrollen vorzuweisen hatte. Rahim trägt den Film mit einem Selbstbewusstsein und einer Natürlichkeit, die man von einem Veteranen erwartet, nicht von einem neunzehnjährigen Quasi-Berufsanfänger. Völlig zurecht wurde Rahim für diese Leistung sowohl mit dem César als auch mit dem europäischen Filmpreis als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet. "A Star Is Born" muss man da wohl sagen, oder aber "une étoile est née".

"Ein Prophet" zeigt in seiner zentralen Geschichte des Aufstiegs eines einzelnen Mannes vom kleinen Mafiagehilfen zum Gangsterboss gleichzeitig Aufstieg und Fall von Strukturen im kriminellen Geschäft. César steht für das alte klassische Mafiasystem, Malik letztendlich für ein Gangstersyndikat, das sich vielmehr als globales islamistisches Netzwerk erweist. Am Ende steht César wie das System, das er repräsentiert, vor dem Aus, Malik dagegen steht die Welt offen, er muss nur weiter mit soviel Geschick vorgehen wie er es hinter Gittern tat. Apropos Geschick: Außerordentlich geschickt hat Jacques Audiard hier den Realismus vom Knastalltag mit seinen erzählerischen Ambitionen verwoben, was "Ein Prophet" zwar nicht zu einer filmischen Prophezeiung macht, aber ohne Zweifel zu einem ganz starken Film.

Bilder: Copyright

10
10/10

ABSOLUT SPANNENDER UND BIS ZUM ENDE FESSELNDER KULTFILM!
ANSEHEN !!!

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8
8/10

ziemlich realistisch, nicht zu übertrieben und gut gemacht. der französische PUSHER.

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6
6/10

Also der Film ist zwar sehr gut gemacht und hat gute Schauspieler.Aber ich finde ihn an einigen Stellen zu langatmig und auch mindestens eine Stunde zu lang!

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10
10/10

Ich fand den Film ebenfalls großartig und kann der Rezension zustimmen. Nur lese ich dort nicht heraus, warum "nur" 8/10 Augen gegeben wurden.

Zudem verwirren mich zwei Angaben etwas: Zum einen hat der Hauptdarsteller laut imdb zuvor (2007) in einer Miniserie ("La Commune", acht Folgen) mitgespielt, also nicht nur zwei Statisten-Rollen. Zudem ist er anscheinend 1981 geboren und damit immerhin schon 29 Jahre alt. Ein 19-jähriger "Berufsanfänger" ist er nur im Film ;)

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10
10/10

Ganz groß! Mich hat lange kein Film mehr so gefesselt.

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6
6/10

Es kommt im Film kein Islamismus vor. Und auch keine globalen Netzwerke. Auf die Frage nach Schweinefleisch antwortet Malik zunächst einmal "Nein".

Der Film ist durchschnittlich. Irgendwie geht es ja auch nicht um viel, außer um zu überleben, indem man anderen eis draufhaut statt selnbst eins drauf zu bekommen. Ist ein bißchen wenig. Filme wie "City of God" oder "Lord of War" haben gezeigt, daß man beim selben Thema durchaus mehr rüberbringen kann. Aber er ist zumindest technisch gut gemacht.

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