Für die einen war er sowieso überbewertet, erfolgreichster Film aller Zeiten hin oder her. Und auch von denen, die James Camerons „Avatar“ mögen, glauben viele nicht daran, dass er damit noch ein weiteres Mal ein derart großes Publikum anlocken wird. Aber gab es diese Zweifler nicht auch schon bevor „Titanic“ und der erste Ausflug in die Welt von Pandora in die Kinos kamen und sie dann förmlich überrollten? Und bei dreizehn Jahren Wartezeit kann zumindest keiner behaupten, das Publikum sei mit dem Thema übersättigt. Nach endlosen Verschiebungen (die ebenfalls wieder für einigen Spott sorgten) ist es nun aber tatsächlich da, das erste Avatar-Sequel. Es läuft 192 Minuten und selbstverständlich handelt es sich um einen revolutionären Film. der seinen Vorgänger nochmal übertrifft. Jedenfalls in der Art wie hier nun endgültig Technik und Optik über den Inhalt dominieren und es einem vorkommt als sei die technische Leistungsschau der einzige Grund für die Existenz dieses Films.
Auch "Avatar: The Way of Water" wird erneut von der Erzählstimme Jake Sullys (Sam Worthington) eröffnet, der uns aber nun nicht mehr in eine unbekannte Welt einführen, sondern stattdessen zusammenfassen muss, was sich in den Jahren seit dem Abzug der ausbeuterischen Menschen auf Pandora ereignet hat. Vor allem familiäres, denn neben drei eigenen Kindern haben Jake und seine Gefährtin Ney´Tiri (Zoe Saldana) auch die junge Kiri (Sigourney Weaver) quasi adoptiert, die noch vom verstorbenen Avatar der Wissenschaftlerin Grace Augustine geboren wurde. Doch die Zeit der Harmonie und Ruhe endet, als sich am Himmel von Pandora die Rückkehr der rücksichtslosen Unternehmen von der Erde ankündigt, denen es diesmal zudem um mehr als Profite geht, denn der Zustand ihres Heimatplaneten erfordert eine komplette Umsiedlung der Menschen, welcher die einheimischen Bewohner von Pandora im Wege stehen. Angeführt von einem mit dessen Bewusstsein und Erinnerungen ausgestatteten Klon des brutalen Colonel Quaritch (Stephen Lang) wüten die Soldaten erneut in der Natur Pandoras, wobei vor allem Quaritch seinen ganz persönlichen Rachefeldzug gegen den „Verräter“ Jake Sully führt. Der sich dadurch gezwungen sieht mit seiner Familie Asyl bei einem Stamm zu suchen, der vor allem im und unter Wasser lebt, was für die bisherigen Dschungelbewohner eine große Umstellung mit sich bringt.
Schon nach wenigen Minuten ist klar, dass hier auf eine Art alles anders und auf die andere doch alles gleich ist beim zweiten Besuch auf Pandora. Zumindest für alle, die den Film in der 3D- und HFR-Version sehen, und das dürften doch die Meisten sein. Denn die Entscheidung für die mit 48 Bildern pro Sekunde arbeitende High-Frame-Rate sorgt nun mal für einen völlig anderen Look, wie allen bewusst ist die sich Peter Jacksons „Hobbit"-Filme oder den „Gemini Man“ mit Will Smith in dieser Form angeschaut haben. Dass es nicht viel mehr Beispiele gibt und sich diese Technik so überhaupt nicht durchgesetzt hat, belegt, dass es dafür offenbar mehr Fans unter den Filmemachern als beim Publikum gibt.
Wo die Befürworter eine realistischere und fließendere Bewegung erkennen, wirkt diese Präsentation für andere einfach nur irritierend künstlich, mutet wie eine Studiobühne an und wird nicht ohne Grund als „TV Soap Opera-Effekt" belächelt. In „Way of Water“ nutzt man nun in den meisten Szenen HFR und die Bewertung dieser Entscheidung bleibt letztlich eine Geschmacksfrage, der optische Unterschied zum Vorgänger ist allerdings eklatant.
Und dabei so auffällig, dass das berühmte 3D nach Cameron-Art dagegen stark in den Hintergrund rückt und deutlich weniger präsent ist als zuletzt, inklusive „Alita: Battle Angel“. Schließlich unterscheidet sich die 3D-Wirkung bei den Produktionen des Teams Cameron/Landau qualitativ so gewaltig von der üblichen Konfektionsware, dass sonst praktisch alle aufgegeben haben und die 3D-Welle ja schon lange verebbt ist. Diese Effekte sind hier immer noch sehr gut, werden aber doch deutlich dezenter und weniger auffällig eingesetzt. Das visuelle Gesamtbild aus all den verwendeten Techniken und dem investierten Aufwand ergibt aber ganz zweifellos eine grandiose Optik, für die der Satz „so noch nicht gesehen“ unbedingt Verwendung finden muss.
Und es ist natürlich kein Zufall, dass sich die Fortsetzung überwiegend ins Wasser verlagert, ist dies doch das erklärte Lieblingselement des Regisseurs, von „The Abyss“ und „Titanic“ über diverse Dokumentationen. James Cameron hat über die Jahre immer wieder betont, wie gerne er noch weiter in die Welt von Pandora eintauchen möchte und er beweist mit diesem Film nun, dass dieses Eintauchen tatsächlich die Hauptantriebfeder war, diese Fortsetzungen (es folgen bis 2028 ja noch drei weitere Filme) zu machen. Es geht um das Entwerfen und Ausschmücken einer fantastischen, selbst geschaffenen Welt und darum, das Publikum mit auf eine Reise dahin zu nehmen, die ihm den Atem raubt.
Das gelingt fraglos, und allein damit ist „The Way of Water“ natürlich schon etwas ganz Besonderes. Da es sich aber dennoch um einen Spielfilm handelt gilt es eben auch noch eine Geschichte zu erzählen, aber die ist hier derart simpel und nachlässig zusammengebastelt, dass es wirkt als handele es sich um eine lästige, unvermeidliche Pflichtübung für die man nun wirklich nicht viel Zeit investieren wollte. Auch am ersten „Avatar“ gab es ja in dieser Hinsicht Kritik (Stichwort „Pocahontas im Weltraum“). Aber obwohl die Handlung dort im Kern sehr konventionell daherkam, war sie deshalb nicht schlecht, wurde zudem noch mit vielen Details ausgeschmückt und kam ja auch mit ihrer Umwelt/Naturschutzmessage nicht allzu dumm daher. Vor allem war sie klar strukturiert, was man von „The Way of Water“ nun überhaupt nicht mehr behaupten kann, der einfach nur steuerungslos vor sich hin mäandert.
Von Beginn am macht man es sich wahnsinnig einfach: Die neue Bedrohung ist die alte, die eigentlich gestorbenen Figuren werden einfach mit Verrenkungen wiederbelebt, weil man die geschätzten und bewährten Darsteller Weaver und Lang so gerne erneut dabei haben wollte. Besonders im Fall von Oberschurke Colonel Quaritch ist das aber geradezu absurd: Warum sollten die Entscheider bitte schön anstatt eines neuen Kommandoführers ausgerechnet auf ein geklontes Backup desjenigen zurückgreifen, der die erste Mission komplett in den Sand gesetzt hat? Der dann auch prompt nicht Besseres zu tun hat als die für den ganzen Planeten Erde bedeutende Aufgabe zu einem persönlichen Rachefeldzug umzufunktionieren?
Die Dialoge über Familienwerte und Selbstfindung mag mancher als emotional und bewegend empfinden, letztlich handelt es sich aber um banale Binsenweisheiten mit stetig zunehmendem Kitschfaktor. Der Mittelteil über das Zurechtfinden der Familie in fremdem, teils feindseligem Mobbing-Umfeld kommt wie ein typisches Coming of Age-Drama daher, das (was den reinen Inhalt angeht) auch an einer Highschool spielen könnte, nur das der unverstandene Teenager hier dann halt Freundschaft mit Moby Dick schließt. Überhaupt ist es schon fast dreist, wie die Haupthandlung für eine gute Dreiviertelstunde komplett stoppt . Eine Phase, die einzig und allein dazu dient uns die tolle Unterwasserwelt in all ihren Ausschmückungen zu präsentieren.
Aber bei mehr als drei Stunden Laufzeit ist nicht nur dafür genug Zeit, sondern natürlich auch für den systemimmanenten ausufernden Showdown, bei dem man mindestens dreimal zu einem Ende kommen könnte, aber zuverlässig bevor es dazu kommt schnell noch ein weiteres Mal eine irgendwie wichtige Figur entführen und zur Geisel werden lässt. Das ist platt, das ist einfallslos, das ist irgendwann nur noch anstrengend, trotz oder auch wegen des bombastischen visuellen und akustischen Getöses in Dauerschleife.
Nur zur Klarstellung: Der Autor dieser Zeilen liebt den ersten „Avatar“ und hat ihn gut ein halbes Dutzend Mal gesehen, davon mehrmals im Kino. Das wird bei „The Way of Water“ aber nicht passieren und es ist mit ein Rätsel wie so viele Kollegen davon sprechen können dieses Sequel würde den Vorgänger auch inhaltlich klar übertreffen. Denn eigentlich müsste die Bewertung zweigeteilt erfolgen, mit einer sehr hohen für die Optik und einer extrem niedrigen für den Inhalt. Bei der Frage, was man nun insgesamt daraus macht, spielt aber vielleicht auch der Aspekt eine Rolle, was denn eigentlich ein Spielfilm sein sollte. Eine reine technische Leistungsschau mit einem derart offensichtlichen Desinteresse am Erzählen einer Geschichte doch wohl eigentlich nicht.
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