Dame, König, As, Spion

Originaltitel
Tinker Tailor Soldier Spy
Jahr
2011
Laufzeit
127 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Margarete Prowe / 1. Februar 2012

Spionagethriller bedeuteten in den letzten Jahren Actionsequenzen, schnelle Schnitte und eine Menge an männlicher Coolness: Ob Bourne, ob Bond, am Ende flog vor grandiosen Kulissen immer etwas spektakulär in die Luft. Doch fernab dieser Showeffekte gibt es nun endlich wieder einen anderen Typen von Spion zu beobachten, den Schreibtischtäter, Geek oder Nerd, der hinter den Kulissen jede kleinste Regung des Gegners analysiert, um daraus das große Ganze zu erkennen. Der berühmteste unter diesen ist „Smiley“ aus den Romanen John Le Carrés.

Smileys Name wurde ihm aufgrund seiner Ernsthaftigkeit und seines stoischen Gesichtsausdruckes von Le Carré ironisch verliehen. Der Bestseller „Dame, König, As, Spion“ von 1974 wiederum ist der wichtigste Roman über den bebrillten Meister-Spion, den der schwedische Regisseur Tomas Alfredson nun hochspannend als Kinofilm mit der Crème de la Crème britischer Schauspielkunst umsetzt und mit der Melancholie und Düsterkeit seines berühmten Vampirfilms „So finster die Nacht“ versieht, der ihm den internationalen Durchbruch brachte.

Der Zuschauer findet sich in „Dame, König, As, Spion“ in Smileys Welt der 70er Jahre wieder, ausgestattet mit heute antiquiert wirkenden, damals jedoch hochmodernen technischen Gadgets. Alles ist in trübes Grau und Braun gehüllt und das Hauptquartier des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 scheint einem Labyrinth von Escher entnommen worden zu sein. Der Kalte Krieg wird ausgefochten von Spionen, Doppelspionen oder sogar Doppel-Doppel-Spionen und der Feind kann überall lauern.

Es ist das Jahr 1973. Der Chef des „Circus“, wie John Le Carré den britischen Auslandsgeheimdienst MI6 nennt, „Control“ (John Hurt), schickt einen seiner Spione nach Budapest, um einen General zu treffen, der angeblich weiß, wer der russische Spion beziehungsweise „Maulwurf“ ist, der den Circus von unten unterwandert hat und sich nun in der obersten Führungsriege befinden soll. Der Einsatz scheitert spektakulär und Control wird in den Ruhestand versetzt, wie auch sein Gefolgsmann Smiley. Nachdem Control stirbt, gibt es jedoch weiterhin Gerüchte, dass es einen Maulwurf gibt und so wird Smiley gebeten, den Doppelspion zu enttarnen. Er findet heraus, dass Control fünf Personen unter Verdacht hatte, darunter auch Smiley selbst. Alle sind ehemalige Kollegen, man kennt sich seit Jahrzehnten und jeder ist ein ausgebildeter Spion, der sich nicht in die Karten schauen lässt. Im Laufe seiner Suche merkt Smiley schnell, dass er sich in Wirklichkeit mit dem brillanten „Karla“ misst, einem sowjetischen Superspion, und dass jeder seiner Züge in diesem hochkomplexen Schachspiel vielleicht schon vorausgeahnt wurde.

John Le Carré wusste 1974, wovon er schreibt, denn er hatte in den 50ern und 60ern selbst für MI5 und MI6 gearbeitet und die Enttarnung zweier britischer Agenten als Doppelspione (Kim Philby und George Blake) erleben müssen. Der Fall Philby von 1963 war die Vorlage für den Maulwurf in „Dame, König, As, Spion“. Le Carré wollte diese geschlossene Welt zeigen, in der jeder jeden kennt, aber plötzlich die Paranoia umgeht, jeder der Feind sein könnte und in der sich die Menschen auch in ihrem Wesen ändern. Jahrzehnte später schlug der Drehbuchautor Peter Straughan „Dame, König, As, Spion“ dem britischen Produzenten Tim Bevan vor, der gerade den deutschen Oscargewinner „Das Leben der Anderen“ gesehen hatte und nun ebenfalls einen Thriller produzieren wollte, in dem fast vergessene ideologische Konflikte private Tragödien auslösen.

Angefragte Hollywoodstudios schreckten vor dem Projekt zurück, zu komplex der Stoff, zu unsicher die Zuschauerzahlen. Somit wurde dieses zu einem rein europäischen Projekt, produziert von einem unabhängigen Studio und mit einem schwedischen Regisseur. Dies erwies sich als Glücksfall, denn das labyrinthartige Buch wurde hier stilsicher destilliert auf seine Essenz: Auf das Schweigen und die Blicke, auf scheinbare Kleinigkeiten, an denen sich das Ganze erkennen lässt, und mit einer Langsamkeit versehen, zu der Hollywood kaum fähig erscheint. Die Latte lag bei „Dame, König, As, Spion“ sehr hoch, denn das Buch war 1979 schon einmal von John Irvin als Mini-Serie fürs Fernsehen umgesetzt worden, die ebenfalls hervorragend besetzt war und den komplexen Inhalt in 315 Minuten Laufzeit natürlich besser wiedergeben konnte als dies im Kino in 127 Minuten möglich ist.

John Le Carré ist jedoch mit der Neuverfilmung fürs Kino zufrieden und der Zuschauer kann es auch sein. Le Carré hatte einen Wunsch, als Regisseur Alfredson begann: Man möge sich nicht zu sehr an das Original halten, also nicht das Buch 1:1 verfilmen, sondern etwas Neues schaffen. Dies ist eindeutig gelungen und das Drehbuch ist derzeitig verdient nominiert für den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch, da in zweistündiger Laufzeit unzählige Charaktere, Nebengeschichten, Ortswechsel und verschiedene zeitliche Ebenen untergebracht werden mussten – in einem Film, dessen wichtigstes Merkmal seine Langsamkeit sein sollte. Das Ehepaar Bridget O’Connor und Peter Straughan („Männer, die auf Ziegen starren“) fügte hierfür neue Szenen hinzu wie zum Bespiel die brillante Weihnachtsfeier, auf der der Weihnachtsmann eine Lenin-Maske trägt und alle britischen Spione die sowjetische Nationalhymne mitsingen, und verlegten den Ort der ersten Mission von der Tschechoslowakei nach Ungarn. Bridget O’Connor brachte den Regisseur dazu, auch Homosexualität unter den Spionen offen einzubringen. Zu Beginn der Dreharbeiten starb O‘Connor und so ist „Dame, König, As, Spion“ ihr gewidmet.

Obwohl das Werk eher ein Ensemblestück ist, dessen Schauspieler hervorragend sind (u. a. Colin Firth, „The King’s Speech“, Tom Hardy, „Inception“, Ciarán Hinds, „Rome“, Toby Jones, „Frost/Nixon“, Mark Strong, „The Guard – Ein Ire sieht schwarz“), sticht einer der Schauspieler klar heraus: Gary Oldman spielt die Rolle seines Lebens und ist hochverdient zum ersten (!) Mal Oscar-nominiert als bester Hauptdarsteller. Wer ihn mit grau gefärbten Haaren, Falten und der 70er-Brille nicht wiedererkennt: Gary Oldman spielte zum Beispiel Lee Harvey Oswald in „JFK – Tatort Dallas“, den irren Waffenhändler in „Das Fünfte Element“, Sirius Black in den „Harry Potter“-Filmen und den Polizeichef Jim Gordon in Christoper Nolans „Batman“-Filmen. Doch „Dame, König, As, Spion“ ist die Umgebung, in der er so viel Leinwandpräsenz entwickelt wie noch nie zuvor. Und dabei zeichnet ihn vor allem eins aus: sein Schweigen und sein stoischer Gesichtsausdruck. Der Zuschauerblick folgt ihm bei seinen Verrichtungen zu Beginn des Films, doch es dauert unglaubliche 18 Minuten, bis er zum ersten Mal etwas sagt. Das Publikum für sich einzunehmen mit einem Charakter, der kaum etwas sagt und kaum etwas mimisch oder gestisch zeigt, erfordert großes Können. Regisseur Alfredson bringt es auf den Punkt: „Gary kann seine Brillengläser mit einem Tuch putzen und ist dabei fesselnder als drei Actionstars.“

Alfredson schafft es auch mit mehr Geld, Schauspielern, Drehorten und zeitlichen Ebenen wieder die gleiche betörende Intimität im Werk zu erzeugen, wie er es bei „So finster die Nacht“ vermochte. Auch hier arbeitet er wieder mit seinem Kameramann Hoyte van Hoytema zusammen, dessen großes Talent sich mittlerweile international herumgesprochen hat. Die Bildaussschnitte sind fantastisch und trotz betont düsteren Braun- und Grautönen, die hier die Bürokratie, Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit betonen, möchte man in den Bildern schwelgen. Der Soundtrack von Alberto Iglesias ist für den Oscar nominiert worden. Iglesias hatte davor schon eine andere hervorragende John-Le-Carré-Verfilmung orchestriert: „Der ewige Gärtner“ von Fernando Meirelles, für den er auch schon für den Academy Award nominiert worden war. Dort wie hier trägt die Musik hervorragend zur Atmosphäre bei.

Trotz allem kostet es sehr viel Aufmerksamkeit, der Handlung von „Dame, König, As, Spion“ zu folgen und auch am Ende ist man nicht sicher, ob man jetzt alles richtig dechiffriert hat. Das Buch ist jedoch ebenso komplex und schwer zu verstehen, obwohl es weit mehr Seiten hat als dieser Film Minuten. Alfredsons „Dame, König, As, Spion“ ist dennoch ein intelligenter, visuell und schauspielerisch überzeugender Film. Wäre es also so schlimm, ihn ein zweites Mal zu sehen, um ihn komplett zu verstehen? Bei solch einem filmischen Hochgenuss wie diesem sicherlich nicht.

Bilder: Copyright

8
8/10

Sehr schade: komme gerade aus der Premierenvorstellung und es hat sich mal wieder gezeigt "Die Masse will keine Klasse!"
Gerade mal 40 Zuschauer um 20 Uhr in einer Millionenstadt wie Köln und die Hälfte hat durch ihre Unaufmerksamkeit (Unterhaltungen, Simsen mit dem Handy) am Ende nix kapiert.
Tja, wer aber Lust auf eine wirklich hoch komplexe und spannende Story hat, bei der das eigene Gehirn auf Hochtouren mitlaufen muss damit man die einzelne Motive/Stränge/Personen am Ende versteht, der ist hier goldrichtig!
Toller Film mit grandioser Schauspielleistung!

Permalink

5
5/10

top besetzung, super atmosphäre, aber leider für meinen geschmack zu langweilig. 30 minuten weniger spielzeit hättens auch locker getan.

Permalink

7
7/10

Der Film hat im ersten Moment alles, was einen intelligenten, ruhig erzählten aber fesselnden Agententhriller ausmacht. Großartige Schauspieler, eine dichte Atmosphäre, eine komplexe und an sich spannende Story.

Leider verliert er sich jedoch schon früh zu sehr in den Geschichten, die diese alternden Frontkämpfer des kalten Krieges erst zu den desillusionierten, zynischen Noch-Idealisten gemacht haben, die sie nun sind.
Unspektakulär ist der Film ohnehin und setzt eher auf dichte Charakterzeichnungen und komplizierte, aber stets nachvollziehbare Verstrickungen der Figuren miteinander vor dem gewaltigen Hintergrund des kalten Krieges.

Wirklich spannend ist die Jagd auf den Maulwurf damit auf Dauer leider nicht und auch das Ratespiel, wer es denn jetzt sein könnte, ist letztendlich müßig.
Denn zum einen bekommen einige der Verdächtigen überhaupt nicht die Screen-Time, um ein glaubhaftes Motiv aufzubauen und zum anderen wirken die Gründe des tatsächlich Schuldigen am Ende auch noch recht willkürlich. Tatsächlich fehlte mir trotz der Länge des Filmes einfach etwas mehr Zeit mit der ein oder anderen Figur - das zeigt mir, daß sie mir tatsächlich gefallen haben, gleich der Längen die der Film hat.

Mich hat aber das Ende dann nochmal sehr mitgerissen - nicht etwa wegen einer Actionszene oder so, sondern weil einfach alles passte.
Die Figuren haben alle deutliche Veränderungen durchgemacht - einige tragisch, andere erfreulich, manche todtraurig. Ich jedenfalls bin trotz der Längen und der ruhigen Art des Filmes froh, daß man auch mal wieder intelligente Agentenfilme zu sehen bekommt.

Permalink

6
6/10

Während die Inszenierung von erstaunlicher Zurückhaltung und Präzision geprägt ist, wird in kalten Bildern aber nur das trockene Gerippe einer Geschichte erzählt. Das größte Problem des Films ist paradoxerweise in der namhaften Besetzung zu suchen: Selbst kleinste Nebenrollen werden zwar mit außergewöhnlichem Charisma verkörpert, weil der Film aber angesichts der kurzen Laufzeit auf ausführliche Charakterisierung verzichten muss, überstrahlen die Manierismen der Darsteller die Schemenhaftigkeit der Figuren. So wird beispielsweise ein Hüne wie Tom Hardy mit 70er-Frisur in biedere Kleidung gesteckt, seine als Spion um Unauffälligkeit bemühte Figur wird trotz darstellerischer Klasse aber unglaubwürdig. Der großartige John Hurt nuschelt sich kettenrauchend und unfokusiert durch seine wenigen Szenen, selbst Colin Firth und Mark Strong können der komplexen Beziehung ihrer Figuren kaum Nuancen abgewinnen. Gary Oldmans Darstellung lebt zwar von seiner großen Leinpräsenz, die Figur des George Smiley bleibt aber nur in dieser Adaption nur eine Ahnung, weil man die Figur der Ann fast gänzlich ausspart.

Es gibt im Verlauf des Films immer wieder große Momente. Smiley bzw. Oldman dabei zuzusehen, wie er sich einer lästigen Fliege entledigt rechtfertigt fast schon das Kinoticket. Alfredon verlässt sich in seiner ausstattungstechnisch sehr stilsicheren Regie aber zu sehr auf Andeutungen. Dies ist manchmal durchaus von Vorteil, weil sich viel im Kopf der Zuseher abspielt. In Summe bleibt sein Werk aber nur ein kühler Bildband zu einem großen Roman.

Permalink

6
6/10

Das hat man davon, wenn man - wie ich - im Vorfeld zu viele Rezensionen und Artikel liest. Die Erwartungshaltung war riesig! Alleine die Schauspieler lassen ein Meisterwerk erwarten, allen voran Gary Oldmann und Colin Firth. Gerade letzterer hat hier mMn eine eher mittelmäßige Rolle erhalten. Wenig Tiefe, kaum Hintergrund und viele Andeutungen (oder ich hab's einfach nicht verstanden). Oldman macht einen klasse Job, allerings halte ich sein Schauspiel eher für gut denn für überragend... es gibt da wesentlich besser Filme mit ihm!
Zum Film: sehr langatmig (old school), tolle Kulissen (70er Jahre, top), wenig Bindung an die Figuren, tolle Kamera, verzwickte Story (oder auch nicht), usw... es geht auf und ab - nichts Ganzes und nichts Halbes! Am Ende war ich dennoch irgendwie enttäuscht... vielleicht habe ich einfach zu viel gelesen ;-)

Permalink

5
5/10

Bei mir hinterließ der Film den Anschein einer schön anzusehenden, durchaus beruhigend wirkenden, aber auch etwas langatmigen Mogelpackung: denn wie und wodurch Smiley letztendlich den Maulwurf überführen kann konnte ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Vielleicht weil ich das Interesse schon vorher verloren hatte. Vielleicht aber auch, weil es gar keine nachvollziehbare Erklärung dafür gab. Das Ganze kam mir vor wie eine überlange "Derrick"-Folge im Hochglanzformat.

Permalink

3
3/10

Wer gerne Menschen beim Rauchen, Reden und Whisky-Trinken zusehen möchte, ist hier goldrichtig. Es handelt sich mehr um ein Kammerspiel von ca. 6-8 Personen, das von 2-3 Sequenzen außerhalb von diversen Besprechungszimmern unterbrochen wird. Selten wurden meine Erwartungen eines derart positiv besprochenen Films so enttäuscht.

Permalink

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.