Es kann nur einen geben. Das gilt nicht nur für den Highlander, sondern auch für Hollywood-Filme, die sich ein klein bisschen zu ähnlich sind. Alle paar Jahre schaffen es die Traumfabrik-Studios, parallele Projekte zu entwickeln, die thematisch so verwandt sind, dass sie sich gegenseitig im Weg stehen. Entweder führt das dazu, dass eine Partei schließlich ganz aufgibt (weshalb es nur Oliver Stones Biografie von Alexander dem Großen auf die Leinwand schaffte, und Baz Luhrmann auf seinen geplanten Film verzichtete), oder man das Publikum entscheiden lässt, wer als Hit in Erinnerung bleibt, und wer nur als vermeintlicher Trittbrettfahrer. Sei es nun "Armaggeddon" vs. "Deep Impact" oder "Dante's Peak" vs. "Volcano" - das Kinopublikum bestimmte einen eindeutigen Sieger.
So ähnlich erging es im Herbst 2006 auch "The Illusionist". Ein Film über einen charismatischen Magier um die Jahrhundertwende, mit Edward Norton in der Hauptrolle und auch sonst ansehnlicher Cast-Liste - unter normalen Umständen hätte das für einen respektablen Erfolg reichen können. Nur dumm, dass zu diesem Zeitpunkt bereits alle Filmfreaks sehnsüchtig auf "The Prestige" warteten - denn der befasste sich nicht nur ebenfalls mit charismatischen Magiern um die Jahrhundertwende, sondern hatte auch noch die größeren Stars und einen der besten aktuell tätigen Regisseure im Angebot. "The Illusionist" startete ein paar Wochen früher in den US-Kinos, verlor den direkten Vergleich aber dennoch klar - und wartete im Anschluss vergeblich auf einen Verleih, der den Film auch hierzulande ins Kino gebracht hätte.
Etwas mehr als zwei Jahre hat es nun gedauert, bis es der Film zumindest als DVD-Premiere nach Deutschland geschafft hat - und man nun also feststellen kann, dass damals der verdiente Sieger gewonnen hat. "The Prestige" ist der stärkere Film mit der stärkeren Geschichte und dem stärkeren Regisseur, keine Frage. Zur Ehrenrettung muss man aber feststellen, dass "The Illusionist" für sich genommen immer noch ein hervorragend gemachtes, stimmungsvolles Mysterium ist. Einzig, dass der Film ein bisschen schummelt mag man ihm nicht so leicht nachsehen.
Edward Norton spielt den mysteriösen Magier Eisenheim, der in der ersten Szene des Films auf der Bühne eines Theaters in Wien zu Anfang des 20. Jahrhunderts scheinbar aus dem nichts eine menschliche Figur erscheinen lässt. Doch noch bevor die Gestalt richtig Formen annimmt, wird Eisenheim von dem eifrigen Polizei-Inspektor Uhl (Paul Giamatti, "Sideways") verhaftet. Warum und wieso gerade für den Trick, den er gerade zeigen wollte, ist die eigentliche Geschichte des Films, die nun als große Rückblende erzählt wird. Seinen Anfang nimmt alles, als sich Eisenheim als frisch für die Magie begeisterter Teenager in die adlige Prinzessin Sophie verliebt. Doch ach, die Standesschranken sind ihrem Liebesglück natürlich im Weg, man wird getrennt und sieht sich erst Jahre später wieder: Er als gefeierter Illusionist, der mit seinen Tricks das ganze Land in seinen Bann zieht, sie als wunderschöne Herzogin (Jessica Biel), die dummerweise mit dem Kronprinzen Leopold (Rufus Sewell) verlobt ist. Der möchte - genau wie Inspektor Uhl - unbedingt die Geheimnisse hinter den Tricks seines heimlichen Widersachers um das Herz der schönen Sophie durchschauen. Als sich Sophie vom Kronprinzen abzuwenden beginnt, nimmt das Drama seinen Lauf….
Vielmehr als das mag man über die Geschichte kaum verraten, da sonst Spoiler oder zumindest zweideutige Hinweise auf die Auflösung des Ganzen folgen müssten. Soviel sei dennoch gesagt: Wer angesichts der Inhaltsangabe den Eindruck hat, dass es hier gar nicht so sehr um die Magie als um Komplotte in einem Liebesdreieck geht, hat Recht; wer glaubt, dass ein anständiger Film über einen Illusionisten auch sein Publikum erfolgreich täuschen muss und am Ende noch eine große Überraschung bereit hält, hat allerdings auch Recht.
Irgendwo dazwischen liegt die Krux mit "The Illusionist", und sein maßgeblicher Unterschied im Vergleich zu "Prestige". Dort ging es um den Wettkampf zweier Magier, die sich gegenseitig zu durchschauen und auszustechen suchten, gegenseitig ihre Tricks aufdeckten und auf der Jagd nach der ultimativen Illusion waren. Am Ende blieben keine Fragen offen, jeder Trick war erklärt und als Zuschauer war man gebannt von der Cleverness der Magier - und dem tragischen Preis, den sie für ihre Obsession zu zahlen bereit waren. "The Illusionist" nun dreht sich um den Kampf um eine Frau, für den die Magie nur eine Folie ist, und verweigert konsequent jede Erklärung für Eisenheims größte Illusionen. Genau wie Eisenheims Gegner, der Kronprinz und der Inspektor, versucht auch der Zuschauer vergeblich zu entschlüsseln, wie der Magier seine besten Tricks zustande bringt. Ob das für den Film gut oder schlecht ist, ist fast schon eine film-philosophische Frage, deren Beantwortung entscheidend beeinflusst, ob "The Illusionist" am Ende begeistert oder man sich ein klein wenig verschaukelt vorkommt.
Die betont subjektive Auffassung dieses Rezensenten ist, dass unerklärte Zaubertricks in einem Film (im Gegensatz zu einer "echten" Zaubershow) nicht funktionieren, weil Film an sich bereits ein Medium der Illusion ist. Ein Film-Zauberer beeindruckt einen Film-Zuschauer daher nicht mit dem "Was" eines Tricks (weil immer die Möglichkeit besteht, dass mit filmischen Mitteln nachgeholfen wurde), sondern mit dem "Wie" - die Enttarnung des Tricks, die Offenlegung der brillanten Täuschung ist bei einem Film der schlussendliche Pay-off. Der Zuschauer muss begeistert darüber staunen, wie erfolgreich er an der Nase rumgeführt wurde. Dass das "The Illusionist" nur halb gelingt, liegt gerade daran, dass er Eisenheims größten Trick nicht aufdeckt. Mehr noch: Während man bei den meisten Illusionen im Film zumindest noch erahnen kann, welcher tatsächliche Kniff dahinter steckt, sind Bestandteile von Eisenheims entscheidender Nummer schlichtweg unmöglich - eine Illusion, die in der Realität des Films nicht herstellbar ist, die nur ein filmischer Spezialeffekt sein kann, und deswegen geschummelt ist.
So verliert dann auch die große Schlusswende ein bisschen ihre Kraft, weil sich der Film nur mit Ansätzen einer Erklärung zufrieden gibt, aber zu viele Detailfragen offen lässt, wie genau das denn nun funktioniert haben soll.
Ob man sich daran nun stört oder nicht, ist hier wie gesagt der Casus Knacktus. Ansonsten kann man "The Illusionist" nämlich keine Vorhaltungen machen. Die Darsteller brillieren, wie zu erwarten funktioniert Norton als undurchschaubares Enigma ganz hervorragend, die Inszenierung von Regisseur und Autor Neil Burger ist stilsicher und elegant und weiß dadurch zu gefallen, dass die Atmosphäre des ausgehenden 19. Jahrhunderts nicht nur in Kulissen und Kostümen gekonnt eingefangen wird, sondern auch in geschickten Referenzen an die frühen Jahre der Kinokunst selbst, die damals noch in ihren Babyschuhen steckte.
Geschmückt von großartig eingefangenen Kinobildern von betörender Schönheit bietet "The Illusionist" zumindest visuell Filmgenuss von erster Güte. Ob man dabei nun ganz genau auf die innere Logik achtet und sich das Vergnügen so ein wenig verleidet, oder sich einfach bereitwillig an der Nase herumführen lässt und am Ende der gelungenen Täuschung applaudiert, bleibt jedem selbst überlassen. Das Ganze auf der großen Leinwand sehen zu können, hätte dieser Film so oder so verdient gehabt.
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