
Schon die Titeländerung deutete es an: Aus der Fortsetzung von "Dead Reckoning, Teil Eins" wurde statt "Teil Zwei" auf einmal "The Final Reckoning" gemacht, um zu verdeutlichen, dass hier definitiv etwas zu Ende geht. Und sollte es hiernach tatsächlich noch weiter gehen mit der "Mission: Impossible"-Franchise, dann nur mit einem grundlegenden Relaunch inklusive neuer Hauptfigur. Doch mit der 1996 begonnenen Reihe rund um Ethan Hunt alias Tom Cruise ist nach diesem Film wohl definitiv Schluss.
Alles an "The Final Reckoning" pfeift das von den Dächern, schon allein die Tatsache, wie der Film mit seinen eigenen Plot-Standards umgeht (falls er sie überhaupt noch berücksichtigt). Das immer wiederkehrende Motiv der Reihe, dass Hunt alias Tom Cruise irgendwann im Plot-Verlauf die Richtlinien seiner anfänglichen Mission verlässt und sein eigenes Ding macht - gestrichen, denn er macht bereits sein eigenes Ding, als der Film anfängt. Und die übliche "Dies ist Ihre Mission"-Nachricht zu Beginn ist diesmal auch gar keine neue Aufgabe, sondern eine als hochoffizieller Appell getarnte Rückschau-Sequenz auf die vorangegangenen sieben Filme, nur um gleich mal das Gefühl zu vermitteln, dass hier eine lange Reise ihr Ende findet, ein Bogen geschlossen wird.

Tatsächlich macht "The Final Reckoning" dieses Bogen-Schließen ziemlich gut, indem er z.B. einen Rückgriff auf den dritten Film macht und im Nachhinein erklärt, um was genau es sich bei dem damaligen MacGuffin eigentlich handelte (was J.J. Abrams, großer Freund offenbleibender Fragezeichen, damals ja ganz bewusst nie beantwortet hat), oder auch zurückverweist auf den spektakulären Einbruch ins CIA-Hauptquartier aus dem ersten Film und jetzt mit fast dreißig Jahren Verspätung den Pay-Off zu einer damals nur so dahingeworfenen Dialogzeile liefert ("Ich will, dass er noch heute auf eine Radarstation nach Alaska versetzt wird"). Ein ständiger Hauch des Revue-passieren-lassens zum Abschied durchweht diesen Film - so sehr, dass man dem eigentlich nichts mehr folgen lassen kann. Denn wenn das hier nicht das Adieu von Ethan Hunt war, wie zum Henker sollte das dann noch aussehen?
Auch die Dimensionen der Handlung kann man nicht mehr größer gestalten als hier, eine noch größere Bedrohung für eine weitere Fortsetzung könnte man sich für diese Reihe also nicht mehr ausdenken. Denn Hunt und sein Team kämpfen hier wirklich gegen die Auslöschung der gesamten Menschheit. Seit dem Ende von "Dead Reckoning" hat die allmächtige künstliche Intelligenz "die Entität" die Kontrolle über einen Gutteil der weltweiten Nuklearraketen erlangt und es ist nur noch eine Frage weniger Tage, bis sie alles kontrolliert, um dann ein für allemal auf der Welt aufzuräumen. Die ganze Welt ist destabilisiert, es herrschen Kriegsrecht und Aufstände, die Apokalypse klopft also an die Tür - und nur ein einziger Mensch kann das noch verhindern... Es ging also noch nie um mehr für Ethan Hunt, und es kann nie wieder um mehr für ihn gehen.
Ja, "The Final Reckoning" ist der Schlusspunkt von "Mission: Impossible", und man hätte sich gewünscht, dass diese Reihe, die mit ihren letzten vier Filmen mehr oder weniger im Alleingang die große Kunst des handgemachten (und eben nicht von CGI dominierten) Action-Spektakelkinos am Leben hielt, auch mit einem entsprechend befriedigenden Abschluss zu Ende geht. Leider muss man allerdings konstatieren, dass man bis zu "M:I 2" zurückdenken muss, um einen Teil der Reihe zu finden, der so schwergängig in Gang kommt wie dieser.

Die erste Stunde von "The Final Reckoning" wirkt wie ein nicht enden wollendes, sehr ungelenkes und schwergängiges "Exposition Dumping". Szene um Szene reiht sich aneinander, in der Figuren sich gegenseitig das Plot-Konstrukt des Films erklären, damit die Leute vor der Leinwand auch kapieren, was hier für den Rest des Films getrieben wird und wieso (und warum das diesmal also wirklich die unmöglichste aller unmöglichen Missionen ist). Gleichzeitig findet keinerlei Entwicklung in der Dynamik zwischen den Figuren statt, denn da wir uns im großen Finale befinden, gibt es keine bedeutsamen neuen Charaktere mehr zu etablieren (wie Hayley Atwells Meister-Taschendiebin im Vorgängerfilm), keine Gruppen-Chemie mehr auszutarieren oder Allianzen zu schmieden - es ist alles gesetzt, und dementsprechend stagniert hier alles gefühlt über eine ziemlich lange Strecke, während sich alle auf ihre nötigen Positionen für die erste von nur zwei wirklich großen Action-Sequenzen des Films zu bewegen.
Warum es fast 170 Minuten Laufzeit braucht, für in Relation eher wenig Spektakel - gerade im Vergleich zu den vorhergehenden Filmen, die mit ihrem nahezu atemberaubenden Tempo über 140 und mehr Minuten begeisterten - ist eine sehr berechtigte Frage, die "The Final Reckoning" nicht wirklich beantworten kann. Aber immerhin: Die beiden großen Sequenzen, die der Film zu bieten hat, sind wirklich ganz, ganz groß. Und während die zweite im Rahmen des Showdowns mal wieder davon lebt, dass Tom Cruise mit seiner einmaligen Waghalsigkeit zahllose Stunts selbst ausführt und so besonders spektakuläre Bilder möglich macht, ist die erste ein cineastischer Triumph in anderer Hinsicht. Zum einen ist es in der langen Reihe irrsinniger Aktionen, die Ethan Hunt in acht Filmen gebracht hat, wirklich der Gipfel der Wahnwitzigkeit, was er hier tut. Zum anderen ist diese Sequenz, dank eines rollenden Sets, welches für permanente Desorientierung sorgt, ein Geniestreich des zur Spannungsmaximierung angewandten Produktionsdesigns. Wenn etwas von "The Final Reckoning" langfristig in Erinnerung bleibt, dann wohl diese atemberaubende, nervenaufreibende, unglaubliche Sequenz.

Es bleibt aber auch dabei, dass dieser Abschlussfilm nur auf dieser technischen Ebene wirklich mitreißen und begeistern kann. Die Versuche der Handlung, das Publikum emotional zu involvieren, bleiben größtenteils erfolglos. Das liegt an zu bedeutungsschwanger aufgeladenen Monologen, die so bemüht großes Pathos erwecken wollen, dass es viel zu gezwungen wirkt, um tatsächlich wirken zu können. Und es liegt auch daran, dass der Film sich selbst bewusst ist, wie erschöpfend die "M:I"-Reihe ihre wiederkehrenden Motive und emotionalen Grundkonflikte durch- und abgenudelt hat. Das ewige Dilemma des Ethan Hunt, die Welt retten zu wollen, aber nicht fähig zu sein, dafür das Leben eines Mitglieds seiner geliebten Ersatzfamilie zu opfern, wird auch hier wieder mehrfach zitiert, wenn auch mit einer finalen Variation - der letzten, die dieses Motiv noch hergegeben hat.
Die Frische, die diese Reihe sogar im siebten Teil noch zeitweise ausstrahlen konnte, ist in "The Final Reckoning" endgültig verloren gegangen, und die Mühsamkeit des Plots hat wohl auch damit zu tun, dass man sich hier selbst in eine Ecke manövriert hat, aus der man schlecht wieder rauskommt: Eine Super-KI als Gegner ist in ihrer Körperlosigkeit und ihrer vermeintlichen Allmacht als Antagonist sehr undankbar. Vor allem, wenn die Frage, wie man solch einem Gegner überhaupt noch ein Schnippchen schlagen kann, immer wieder mit einer allzu schlichten Kausalität beantwortet wird: Die KI geht davon aus, dass... deswegen müssen wir jetzt das Gegenteil tun, wenn wir eine Chance haben wollen. So einfach, so nicht überzeugend.

Trotz alledem: Es wäre ja nicht zwingend nötig gewesen. Warum Schluss machen mit einer Reihe, die stetig erfolgreich gewesen ist und ihren größten Wurf sogar erst mit dem sechsten Teil "Fallout" hingelegt hat? Die Antwort liegt sicher weniger in der kreativen Erschöpfung, sondern im Alter von Tom Cruise. Auch hier läuft Hunt/Cruise wieder mehrfach in seiner unnachahmlichen Weise durch die Gegend, und man will daran glauben, dass er immer noch so schnell ist wie vor zehn, zwanzig, dreißig Jahren. Es ist indes auch auffällig, wie oft er in diesem Film mit freiem Oberkörper zu sehen ist, als wolle Cruise zur Schau stellen, wie krass fit er mit nun über 60 Jahren immer noch ist. Es drängt sich aber eher ein gegenteiliger Gedanke auf. Denn es ist eben deutlich sichtbar der krass fitte Körper eines über 60jährigen. Der dann halt doch definitiv so langsam zu alt für diesen Scheiß ist.
Es ist Cruise zu wünschen, dass er für sich wirklich die Erkenntnis gefunden hat, die dieser Film von der ersten bis zur letzten Minute vermittelt - nämlich Schluss zu machen, solange er dabei noch einen guten Eindruck macht und es zu seinen eigenen Bedingungen tun kann, und Ethan Hunt abtreten zu lassen mit einem dieser Figur angemessenen Schwanengesang. Wie gesagt: Es wäre schön gewesen, dass dieses Finale in seiner Gesamtheit etwas besser und mitreißender gelungen wäre. Aber als Abschied von Ethan Hunt (und dieser Reihe an sich?) ist es zumindest ein ausreichend zufriedenstellendes Ende.
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