Das Reich und die Herrlichkeit

Originaltitel
The Claim
Land
Jahr
2001
Laufzeit
120 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Simon Staake / 17. Januar 2011

Ausnahmsweise haben die Übersetzer nicht versagt. Der zuerst seltsam anmutende deutsche Titel "Das Reich und die Herrlichkeit" (selbst Atheisten sollten den Ursprung kennen) kennzeichnet überraschend gut die dichte, fast sakrale Atmosphäre und entspinnt sich zudem aus der symbolischen Namensgebung dieses Films, der in Kingdom Come ("Dein Reich komme") spielt, einem kleinen Goldgräberstädtchen in den kargen Bergen der Sierra Nevada, wo der vorherrschende Winter sich wie eine Geissel Gottes über alles legt und es mit Schnee überzieht.

Der Saloonbesitzer Dillon (Peter Mullan) handelt, als wäre er der Herrscher dieses kalten unwirtlichen Ortes und in gewisser Weise ist er das auch. Als Angehörige der Eisenbahngesellschaft unter der Leitung des schottischstämmigen Danglish (Wes Bentley) in Kingdom Come eintreffen, bringen sie die Verheißung auf neues Glück und neuen Wohlstand, wenn denn das eiserne Monstrum seine Schienen erst einmal durch die Berglandschaft gelegt hat. Doch die Eisenbahnler sind nicht die einzigen, die dem Ort - und besonders Dillon - Hoffnung geben. Die junge Hope (Sarah Polley) und ihre Mutter (Nastassja Kinski) treffen ebenfalls ein, und geben Dillon - den ein dunkles Geheimnis mit den beiden verbindet - die Hoffnung auf Vergebung und Erlösung. Doch nicht alle Sünden sind da um vergeben zu werden, und nicht alle Verheißungen sind da, um erfüllt zu werden.

So überraschend es ist, dass die Grundlage für diesen poetischen (Anti-) Western ein englischer Roman des 19. Jahrhunderts ist (Thomas Hardys "The Mayor of Castorbridge"), umso weniger überrascht es, das sich dieser teilweise aufreizend langsam entfaltende, grandios fotografierte Film an den Epigonen des Genres, genauer des Subgenres des revisionist Western orientiert: Michael Ciminos finanziell desaströses Opus Magnum "Heaven's Gate" klingt an, vor allem aber Robert Altman's "McCabe & Mrs. Miller" (1971). Und wie letzterer Film ist auch "Das Reich und die Herrlichkeit" auf seine Weise eine Abrechnung mit dem frontier capitalism der Goldrauschära, dessen verstörende Schlussviertelstunde nicht nur an das Vorbild gemahnt, sondern mindestens ebenso effektiv und ergreifend ist.

Überhaupt ist es erstaunlich, wie viel Regisseur Michael Winterbottom - ob bewusst oder unbewusst - von diesem Film übernommen hat. Die Namen der Orte geben da ein deutliches Zeichen für die mythische und gleichzeitig entmystifizierende Atmosphäre, Presbyterian Church in "McCabe", und eben "Kingdom Come". Mehr noch als in Altmans Film steht die persönliche Schuld und Sühne im Vordergrund, faszinierend geschickt sind die Schicksale der verlorenen Seelen in Kingdom Come miteinander verbunden.
Die deutlichste Ähnlichkeit zu "McCabe" offenbart jedoch die vorzügliche Fotographie von Alwin H. Kuchler, der die von Altman exzessiv eingesetzten Zoom durch das Spiel mit Tiefenschärfe ersetzt, durch das Charaktere verschwinden und auftauchen, wie aus einem Schneesturm oder in einer Erscheinung. Viele der Szenen bekommen ihren Reiz durch die Weitwinkelfotographie, durch die die Figuren - schwarze Punkte inmitten eines weißen Nichts - inmitten der Landschaft so verloren wirken, wie sie sind. Die prägnante Kameraführung wird dann noch perfekt begleitet von einem starken, melancholischen Score von Michael Nyman, die den Film zu einem audiovisuellen Genuss klassischer Schule machen.

Das einzige Problem des Films ist die sich teilweise doch etwas zäh dahinschleppende Geschichte, insgesamt zwar stark geschrieben, aber beizeiten zu behäbig. Ein kleinerer Mangel, den der Film durch seine hervorragenden Darsteller ausgleicht. Wes Bentley bekommt nach seinem Durchbruch als merkwürdiger Nachbarssohn in "American Beauty" hier gleich das top billing, der wahre Star ist jedoch ein anderer: Peter Mullan, dessen zerknautschtes Gesicht perfekt den Schmerz und die Schuld seiner Figur ausdrückt, beherrscht jede seiner Szenen, eine Oscar-Nominierung dürfte es dafür schon sein. Das Damentrio Jovovich, Kinski und Polley rundet das Bild ab, wobei gerade Sarah Polley aus der düsteren Umgebung hervorstrahlt, wahrlich wie ein Hoffnungsschimmer.
In einem Jahr, das hauptsächlich dafür bemerkenswert war, dass Filme wie "Tiger and Dragon" und "Traffic" die Grenze zwischen Kunstkino und Mainstreampublikum kongenial miteinander verschmolzen, läuft ein Film wie "Das Reich und die Herrlichkeit" Gefahr, in den elitären Zirkel von Baskenmützenträgern und Cappuccinotrinkern zurückzufallen. Verdient hat er das nicht, denn für einen Film, der wie dieser großartige Bilder, exzellente Darstellerleistungen und eine machmal etwas zähe, aber größtenteils ungemein intensive Story vereint, lohnt es sich schon mal, das örtliche Kinoverzeichnis zu durchforsten. Demnächst im Kunstkino um die Ecke. Bitte gehen sie hin.


8
8/10

Ein bildgewaltiges Epos aus der Pionierzeit Amerikas. Der Machtverfall des Patriarchen einer Stadt und sein familiärer Niedergang werden eindrucksvoll erzählt. Als Rahmen, der die Geschichte zusammenhält und auch für eine gewisse Spannung sorgt, dient ein schändlicher Deal, der viele Jahre zurückliegt. Dem deutschen Titel, der aus dem Vater Unser stammt, steht im Original The Claim gegenüber, also der Besitzanspruch auf ein Stück Land. Und genau das war das auslösende Übel für das Familiendrama.
Alle Schauspieler liefern eine überzeugende Leistung ab, besonders Peter Mullen, dem der Spagat zwischen Brutalität und Zartgefühl gelingt, der um Wiedergutmachung bemüht ist, aber auch alles versucht, um seine Macht zu erhalten.

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