Da sind wir nun also. Im Oktober 2012 schlug die Nachricht wie eine Bombe ein, dass George Lucas seine Produktionsfirma Lucasfilm inklusive aller dazugehörigen Urheberrechte - heißt vor allem: das geistige Eigentum an den Marken "Star Wars" und "Indiana Jones" - für vier Milliarden Dollar an den Disney-Konzern verkauft hatte und damit den Weg frei gemacht hatte für neue "Star Wars"-Filme, die nicht aus seiner Hand stammten. Seitdem haben die Sternenkrieg-Fans auf der ganzen Welt diesen Tag herbei gesehnt, an dem es nun also einen neuen "Star Wars"-Film gibt.
Dass Lucas selbst mit seiner Prequel-Trilogie der Episoden 1-3 damals die ähnlich große Vorfreude massiv enttäuscht hatte, tat den Erwartungshaltungen keinen Abbruch. Zumal Disney die Aufgabe des neuerlichen "Star Wars"-Reboots vertrauensvoll in die Hände von J.J. Abrams legte, der auf ziemlich brillante Weise auch schon der "Star Trek"-Franchise zur Wiederauferstehung verholfen hatte.
In der Anbahnung zu diesem am sehnlichsten erwarteten Filmstart des Jahres (wenn nicht: seit Jahren) tat Abrams dann mal wieder das, was er am liebsten tut: Geheimniskrämern und Spekulationen anheizen. Quasi nichts drang über den Inhalt von "Das Erwachen der Macht" nach außen, selbst die letzten Trailer verrieten genau genommen nada über den eigentlichen Plot des Films. Allein das längst verbreitete Wissen, dass die drei Hauptdarsteller der Ur-Trilogie und damit auch ihre Charaktere Luke, Leia und Han Solo wieder mit von der Partie waren, sorgte für wildeste Spekulationen. Denn angesichts der letzten Trailer und des offiziellen Filmposters stellte sich der Fanbasis in den letzten Wochen vor Filmstart vor allem eine bohrende Frage: Wo ist Luke Skywalker?
Dessen Abwesenheit in den bisherigen Werbemaßnahmen erklärt sich nun gleich zu Beginn des Films, im traditionell auch dieses neue "Star Wars"-Kapitel eröffnenden Kriechtext zur Einführung. "Wo ist Luke Skywalker?" fragen sich nämlich alle. Mehrere Jahrzehnte nach "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" ist aus den Überresten des Imperiums der sogenannte Erste Orden hervorgegangen, der wie eh und je gegen die von Prinzessin Leia angeführten republikanischen Kräfte des Widerstands ankämpft. Beide Seiten sind auf der Suche nach dem seit langer Zeit verschwundenen letzten Jedi-Ritter Luke - die einen in der Hoffnung, dass er sie zum finalen Sieg über die Reste des Imperiums führen wird, die anderen im Ansinnen, eben das zu verhindern und Skywalker endgültig auszuschalten.
Der waghalsige Widerstands-Pilot Poe Dameron (Oscar Isaac) erhält nun auf einem Wüstenplaneten (Tatooine lässt grüßen...) einen wichtigen neuen Hinweis zum Aufenthaltsort von Luke Skywalker, wird jedoch vom Ersten Orden gefangen genommen. Ihm zur Hilfe kommt der abtrünnige Stormtrooper Finn (John Boyega), während der knuddelige Droid BB-8, in dem Poe die Geheiminformationen versteckt hat, auf dem Wüstenplaneten von der toughen Wrack-Plünderin Rey (Daisy Ridley) aufgelesen wird.
Mehr als das wollen wir hier auch gar nicht ausplaudern über den Inhalt von "Das Erwachen der Macht". Zu den wenigen Dingen, die aus den Trailern ersichtlich waren, gehört die Tatsache, dass Rey und Finn eindeutig die neuen Hauptpersonen im "Star Wars"-Universum sind, und dass es nicht lange dauern wird, bis diese beiden ein gemeinsames Team bilden, ist wohl auch nicht zuviel verraten. Ansonsten gehört es aber zu den besonderen Freuden für alle Fans und Freunde der alten Filme, hier ohne Vorwissen zu erleben, wie sich die Geschichte entfaltet, wie und wann alte Bekannte auftreten und was es mit dem neuen Bösewicht namens Kylo Ren (Adam Driver) auf sich hat, ein zweiter, cholerischer Darth Vader.
Der "Star Wars"-Fan an sich wird sich hier sowieso sehr schnell sehr wohl fühlen. J.J. Abrams ist sich sehr bewusst, welch großem Erbe er hier huldigen muss, und er tut es mehr als gewissenhaft. Von den ersten Sekunden an atmet "Das Erwachen der Macht" die klassische "Star Wars"-Atmosphäre. Und das nicht nur in der Inszenierung, in der Abrams ehrfürchtige Hommage an Lucas' ursprünglichen Stil mit seinem eigenen, vortrefflichen Händchen für Tempo und Action mischt. Sondern auch in Dialogen und Aufbau der Geschichte - wenig verwunderlich, wurde hierfür schließlich Lawrence Kasdan reaktiviert, der für Lucas damals schon die Drehbücher zu "Das Imperium schlägt zurück" und "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" geschrieben hatte.
So wirkt "Das Erwachen der Macht" tatsächlich wie ein runderneuerter, auf Hochglanz polierter, aber eben doch ganz klassischer "Star Wars"-Film, auch in den zur Auflockerung regelmäßig eingeworfenen Momenten trockenen Humors, die hier allesamt fabelhaft funktionieren (und in der Pressevorführung sogar mit begeistertem Szenenapplaus quittiert wurden). Definitiv neu und modern ist hingegen, dass hier eine junge Frau als maßgebende Heldengestalt aufgebaut wird (Daisy Ridley erweist sich übrigens als starke, charismatische Besetzung, ein Casting-Volltreffer mit deutlich mehr Ausstrahlung als seiner Zeit der stets etwas blasse Mark Hamill). Ebenso lustig wie markant in dieser Hinsicht ist die erste gemeinsame Action-Szene von Finn und Rey, in der Finn im klassischen Reflex aller männlichen Actionhelden seit Anbeginn des Kinos nach Reys Hand greift, um die zu rettende und beschützende Frau beim Weglaufen mit sich mitzuziehen - was Rey ebenso albern wie unnötig findet. Recht hat sie.
Spätestens wenn kurz darauf der "Millennium Falke" mit einem wiederum perfekten Gag seinen ersten Auftritt hat, ist man als alter "Star Wars"-Fan endgültig verzückt und hat sich in diesen neuen Film aus dem Stand verknallt. "Das Erwachen der Macht" ist in dieser Hinsicht aber auch ziemlich unwiderstehlich. Er wartet mit so vielen kleinen und großen Referenzen an die Ur-Trilogie auf, dass man beim Zitate-Zählen kaum noch mitkommt. Im Gegensatz zu Lucas' eigenem neuen Trilogie-Start, der damals eher wirkte wie ein Anwerbungsfilm für ein neues, kindliches Publikum, ist das hier ganz klar ein “Star Wars“ für die Fans. Denn gerade dieser Wiedererkennungswert der zahllosen Anspielungen - manchmal in Form einer durchs Bild kreuzenden Figur, manchmal nur in Kameraeinstellungen oder durch die szenische Atmosphäre eines Handlungsortes - macht "Das Erwachen der Macht" für die längste Zeit zu einem kleinen, himmlischen Paradies für alle Sternenkrieger-Fans.
Aber - jawohl, es gibt ein "Aber" - diese Zitierfreude erweist sich letztlich auch als die zentrale Krux des Films. Ist man zu Beginn noch angetan, wie hier die Kernelemente aus der Eröffnung des ersten "Star Wars"-Films wiederholt und variiert werden, um auch die neue Geschichte anzuschieben (Wüstenplanet, Gefangennahme eines wichtigen "Guten", versteckte Botschaft in einem drolligen Droiden, der dann der zentralen Heldengestalt über den Weg läuft etc. pp.), so häufen sich die bekannten Plotelemente in der dramaturgischen Mechanik von "Das Erwachen der Macht" gegen Ende dann doch zu sehr, als dass sich das noch wie eine ehrerbietige Verneigung vor den Originalen anfühlt, sondern eher wie ein etwas einfallsloses Wiederkäuen. Bei einigen für die gewünschte Handlung dann doch sehr bequemen Plot-Details verfährt man hier zudem nach dem Motto "Besser gar nicht erst genau nachfragen, wie das jetzt eigentlich sein kann", und als Zuschauer ist man gut beraten, in diesen Augenblicken mit entsprechender "Augen zu und durch"-Einstellung zu verfahren.
Das schmälert das Vergnügen dann ein wenig, und so vollends verknallt ist man am Schluss dann doch nicht mehr. Angesichts dessen, was bei diesem Film alles hätte schief gehen können und wie fabelhaft er die meiste Zeit funktioniert, will man aber auch nicht überkritisch sein, zumal "Das Erwachen der Macht" an sich makellose Unterhaltung bietet und fraglos der am besten ausgeführte Blockbuster dieses Jahres ist. Ein 130-Minuten-Film hängt im Mittelteil naturgemäß ein wenig durch, die Faszination seines Publikums hält Abrams aber dennoch ebenso konsequent bei Laune wie das Tempo hoch. Zudem macht er eine wohl dosierte Menge an Mysterien, Geheimnissen und unbeantworteten Fragen auf, die den Fans so einiges zum Spekulieren geben und geschickt die Ewartungshaltung für die kommenden Fortsetzungen schüren.
Eines hat Abrams jedenfalls schon geschafft, was George Lucas anno 1999 mit seinem ersten neuen "Star Wars"-Film nicht gelungen war: Man freut sich jetzt schon auf den nächsten. Möge die Macht auch weiter mit ihm sein.
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