Spaceman: Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt

Originaltitel
Spaceman
Land
Jahr
2024
Laufzeit
107 min
Regie
Release Date
Streaming
Bewertung
5
5/10
von Matthias Kastl / 1. März 2024

Man regt sich als Filmfan ja gerne über die heimische Unsitte auf, englische Filmtitel hin und wieder mit unnötigen deutschen Erweiterungen versehen zu müssen. Im Fall von “Spaceman“ darf man Netflix aber keinen Vorwurf machen, denn der hier zu Lande gewählte Zusatz (“Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt“) ist nicht nur der Titel der dazugehörigen Buchvorlage, sondern kann auch als durchaus freundliche Warnung verstanden werden. Der etwas sonderbar wirkende Satz steht nämlich sinnbildlich für das darauffolgende Filmerlebnis. Angesichts einer merkwürdigen Mischung aus zwar irgendwie interessanten, aber leider nur halbgar umgesetzten Ideen und einer schon extrem monotonen Stimmung sorgt Netflix neues Sci-Fi-Drama nämlich am Ende bei einem ebenfalls für irritiertes Schulterzucken.

Basierend auf dem Romandebüt des mit 15 Jahren in die USA ausgewanderten tschechischen Autors Jaroslav Kalfar erzählt “Spaceman“ vom Schicksal des tschechischen Kosmonauten Jakub Procházka (Adam Sandler, “Der schwarze Diamant“, “Leg dich nicht mit Zohan an“). Jakub wird von seinem Land in einer Ein-Mann-Mission Richtung Jupiter geschossen, um dort die mysteriöse Chopra-Wolke zu untersuchen – ein Phänomen, das die Welt gerade in Atem hält. Fernab von seiner schwangeren Ehefrau Lenka (Carey Mulligan, “Promising Young Woman“, “Shame“) leidet Jakub an Bord der Raumstation sehr unter der Einsamkeit, die allerdings nicht lange Bestand hat. Schon bald erhält er nämlich Besuch von einer auf den ersten Blick nicht gerade vertrauenserweckenden Lebensform (im englischen Original gesprochen von Paul Dano, “There Will Be Blood“, “Die Fabelmans“), die sich aber schnell als eher neugieriger denn feindseliger Zeitgenosse entpuppt und vor allem ein sehr großes Interesse an Jakubs Beziehungsproblemen zeigt.


Schon das World Building deutet an, dass uns mit “Spaceman“ definitiv kein Sci-Fi-Mainstream erwartet. Während die Buchvorlage konkret im Jahr 2018 spielt und um zahlreiche Rückblenden aus der Zeit des Mauerfalls angereichert wurde, bleiben die Filmemacher hier deutlich vager und verpassen ihrer Produktion ein sehr eigenwilliges 1970er-Jahre-Ambiente. Das weckt vor allem Erinnerungen an den russischen Sci-Fi-Klassiker “Solaris“, was durch das osteuropäische Flair des Setdesigns nur noch verstärkt wird. So wirkt das Raumschiff wie ein improvisierter Flickenteppich von der Resterampe eines kommunistischen Weltraumprogramms, und die Handlung auf der Erde, die ausschließlich in Tschechien spielt, konfrontiert uns immer wieder mit eher trist anmutender sozialistischer Architektur. Gleichzeitig befindet man sich auch noch in einer Art Parallelwelt, denn hier sind es nicht die Russen und Amerikaner, sondern stattdessen Tschechen und Südkoreaner, die sich einen Wettlauf im Weltraum liefern.

So skurril und ja auch irgendwie interessant das auch klingen mag, es gelingt dem Film leider nie wirklich Kapital aus dieser Welt zu schlagen. Was auch daran liegt, dass man sich am Ende fast ausschließlich auf die Geschehnisse auf dem Raumschiff konzentriert und viele durchaus interessante Fragen zu den Strukturen dieser Welt schlicht unbeantwortet lässt. Das wäre natürlich nur halb so schlimm, wenn man uns im All eine interessante Haupthandlung bieten würde, aber genau hier offenbart der Film ein ähnliches Problem. Auf dem Papier klingt die Idee einer philosophischen Diskussion über Nähe und Beziehungen zweier zwar sehr unterschiedlicher, aber durch ihre Einsamkeit verbundener Reisender faszinierend. Aber mit dieser schönen Idee konkret etwas Interessantes anzufangen weiß “Spaceman“ leider nicht.


So bleiben die Dialoge zwischen Jakub und der fremden Lebensform, genauso wie zahlreiche Rückblenden in Jakobs Leben, stets sehr oberflächlich. Anfangs sorgen ein paar kleine skurrile Einfälle noch hier und da für ein Grinsen, doch auch die lässt man mit der Zeit fallen, um sich ganz dem wirklich zäh voranschreitenden Austausch zwischen unseren beiden Hauptfiguren zu widmen. Der ist aber eben leider weder tiefsinnig noch berührend, was zum großen Teil auch an Sandler liegt, der seinen ausdruckslosen Gesichtsausdruck über die komplette Laufzeit nie ablegt. Ohne jegliche Gefühlsregungen ist es aber schwierig sich mit dessen Figur emotional zu verbinden. Und da auch Jakubs Gegenüber schon alleine durch die Optik in dieser Beziehung ebenfalls etwas gehandicapt ins Rennen geht, wird das Geschehen auf dem Bildschirm mit zunehmender Laufzeit zu einer relativ drögen Angelegenheit.

Alleine Carey Mulligan sorgt emotional für ein wenig Auflockerung, da sie deutlich mehr aus ihrer allerdings auch etwas komplexeren Figur herausholt. Angesichts der großen räumlichen Distanz schafft es aber auch sie nur bedingt Interesse für die Zukunft ihrer Beziehung mit Jakub zu wecken. Kleingehalten werden diese Emotionen von einem Schleier der Tristesse, den Regisseur Johan Renck mit seiner sehr gemächlich und kühl gehaltenen Inszenierung nur noch verstärkt. Renck war ja als Regisseur für die großartige Serie “Chernobyl“ verantwortlich und fast scheint es so, als wollte er die emotional gedämpfte Atmosphäre der Serie auch auf den Film übertragen. Im Gegensatz zu “Chernobyl“ gibt es aber hier schlichtweg keine wirklich spannenden Figuren, und so zieht er dem Film mit seiner Inszenierung noch einen weiteren emotionalen Stecker.

Ganz vereinzelt blitzt das Potential der Geschichte in manchen Dialogzeilen aber trotzdem auf, und deswegen bleibt man irgendwie dann doch am Ball, mit der Hoffnung auf irgendeine interessante Erkenntnis am Ende. Doch die fällt am Schluss für unsere Hauptfigur deutlich belangloser als gedacht aus. Und irgendwie auch nicht wirklich verdient, da man bei Jakub nie das Gefühl einer inneren Weiterentwicklung und Veränderung hat. Und das macht, bei allem Lob für den Mut, einen ungewöhnlichen Ansatz zu wählen, “Spaceman“ schlussendlich zu einem eher frustrierenden als erhellenden Filmerlebnis.

Bilder: Copyright

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