Gelangweilte, wohl situierte junge Menschen - das ist das durchgängige Motiv im filmischen Schaffen von Sofia Coppola, von den "Virgin Suicides" über "Lost in Translation" und "Marie Antoinette" bis hin zu ihrem letzten Film "Somewhere". Da wundert man sich nicht wirklich, dass auch Coppolas neuer Film von gelangweilten, wohl situierten jungen Menschen handelt. Erstaunlich ist höchstens, dass die Filmemacherin damit den wenig einfallsreichen Schritt ging, eine reale Geschichte aufzugreifen, die zwei Jahre zuvor unter demselben Titel schon für ein amerikanisches TV-Movie verwurstet wurde. Aber ach, was soll die arme Frau Coppola denn machen, wenn dieser Stoff doch soooo nah an ihrem Leib-und-Magen-Thema dran ist? Junge besser gestellte Menschen, die durch Konsum-Überfluss und die sonstigen Oberflächlichkeiten einer hedonistischen Spaß-Kultur zu stumpfen, leeren Seelen verkommen sind? Ach komm schon, von sowas kann Frau Coppola doch unmöglich ihre Finger lassen!
Ihre Finger lassen können die Hauptfiguren von "The Bling Ring" nicht von den schönen Sachen, die sich zu Unmengen in den Hollywood-Villen berühmter Film- und sonstiger Stars befinden (sofern man jemanden wie Paris Hilton als "Star" kategorisieren möchte). Bei diesem einst von den Medien so betitelten "Bling Ring" handelt es sich um eine Gruppe von (durchaus nicht armen) Teenagern aus Los Angeles, die es sich eine beachtliche Weile lang unertappt zum Hobby machten, in die Villen ihrer Lieblingsstars einzubrechen und sich aus deren Kleiderschränken und Schmuckschatullen zu bedienen. Wie unfassbar simpel das war, erscheint geradezu absurd, wenn es nicht erwiesenermaßen wirklich so gewesen wäre: Auf einer Klatsch-Website lesen, welcher Star gerade nicht in der Stadt ist, weil er irgendwo anders einen Film dreht oder an einer Party teilnimmt. Per Google seine Adresse heraus bekommen. An unauffälliger Stelle über den Zaun klettern und dann einfach gucken, ob irgendeine Eingangstür nicht abgeschlossen wurde. Bin ich schon drin, oder was?
Es war wirklich so, dass der "Bling Ring" keine Türen aufbrechen und sich auch nicht um Alarmsysteme scheren musste, denn die waren falls vorhanden dann meistens nicht aktiviert. So konnten die Teenager ungestört in die Villen von Paris Hilton, Megan Fox, Orlando Bloom, Lindsay Lohan und noch ein paar anderen eindringen und nach Herzenslust Designerklamotten und sonstige Wertsachen mitnehmen, die sie dann zum Teil selber trugen, zum Teil verscherbelten und damit ihr exzessives Partyleben finanzierten.
Das Problem von "The Bling Ring" ist, dass er mehr als das eigentlich nicht zeigt. Alles, was grob gesprochen zwischen der 15. und der 70. Minute dieses Films passiert, hätte man auch in einer flotten dreiminütigen Montage zusammenfassen können und hätte trotzdem denselben Informationsgehalt vermittelt. Einbrechen, klauen, Drogen nehmen, Party machen. Einbrechen, klauen, Drogen nehmen, Party machen. Einbrechen, klauen, Drogen nehmen, Party machen. Man kommt sich in diesem Film über weite Strecken vor wie in einer nichtssagenden Endlosschleife, bei der man oberflächlichen Konsumopfern dabei zugucken muss, wie sie Kreischanfälle über irgendwelche Designerfummel bekommen.
Natürlich soll irgendwo hier die vermeintliche "Message" des Films liegen, hedonistischer Konsum- und Partyrausch und das scheinbar komplett fehlende Moralbewusstsein der Protagonisten als Konsequenz einer Medien-Gesellschaft aufgezeigt werden, die talentfreie Kleiderständer wie Paris Hilton zu Idolen erhebt und die permanente Selbstdarstellung via Facebook zum akzeptierten Lebensinhalt. Nur ist das erstens so offensichtlich, dass man es auch in besagter Drei-Minuten-Montage untergebracht bekommen hätte; und scheint es zweitens so, als ob Sofia Coppola selbst zum Opfer des schönen Scheins geworden ist, dem ihre Protagonisten so bereitwillig erliegen. Anders ist kaum zu erklären, wie lange und ausgiebig sich die Regisseurin an der Ästhetik von Häusern und Besitztümern der Einbruchsopfer ergötzt, während sie zugleich keinerlei Mühe darin investiert, so etwas wie eine sich fortentwickelnde Handlung zu erstellen oder überhaupt ein weitergehendes Interesse an den Persönlichkeiten ihrer Figuren zu zeigen.
So fehlt es "The Bling Ring" sogar an einer klaren Hauptfigur. Rebecca (Katie Chang) ist die Anführerin der Gruppe und der Motor für alle Einbrüche, doch der Film versucht nicht mal, ihr Innenleben ernsthaft zu verstehen. Der schwule Marc (Israel Broussard), einziger Junge in der Truppe, ist die Figur, mit der die Zuschauer durch den Film gehen, aber zum Ende hin verliert Coppola auch an ihm das Interesse und überlässt die Schlussminuten fast vollständig dem einzigen bekannten Star in ihrem Ensemble - Emma Watson (die beste Freundin von "Harry Potter"), obwohl deren Figur Nikki bis dahin kaum mehr als ein mitgeschleiftes Anhängsel war.
Seine offensichtliche Intention der satirischen Bloßstellung erlangt der Film einzig in den immer wieder zwischengeschnittenen Interview-Passagen, in denen sich Marc und Nikki nach ihrer Überführung rückblickend für ihre Taten zu rechtfertigen versuchen, und sich mit absurdem Gewäsch über Karma und Selbstbewusstseins-Krisen nachträglich sogar noch als Opfer ihrer Umstände darstellen. Doch auch hier bleibt Coppola an der Oberfläche kleben und lässt ihre Figuren ansonsten weiter ihrer narzisstischen Selbstdarstellung frönen, ohne diese irgendwie zu hinterfragen. Einbrechen, klauen, Drogen nehmen, Party machen. Und am Ende steht ein Film, der genauso hohl und leer ist wie seine Hauptfiguren.
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