Wer ist Johnny Marco? Das ist eine Frage, die in Sofia Coppolas neustem Film "Somewhere" in einer Pressekonferenz dem Schauspieler Johnny Marco (Stephen Dorff) gestellt wird. Schweigend blickt dieser darauf in die Journalistenschar. Natürlich ist das wieder eine jener dämlichen Journalistenfragen, die es bei Pressekonferenzen leider viel zu häufig gibt. Doch auf den zweiten Blick wird klar, dass die Frage gar nicht so trivial ist. Denn der junge, erfolgreiche und gut aussehende Schauspieler steckt in einer tiefen Sinnkrise. Dabei hat er alles. Geld, Frauen und den vielleicht lautesten Ferrari Hollywoods. Dennoch haben die Suite im legendären Chateau Marmont Hotel, die privaten Go-Go-Tänzerinnen (die ihre Stangen extra in Johnnys Schlafzimmer aufstellen) und die berühmten Freunde nicht die geringste Bedeutung für ihn. Denn meistens verbringt Johnny den Tag damit auf der Couch zu sitzen und gelangweilt in den Raum zu gucken. Damit ist er im äußersten Maße eine Figur aus dem mittlerweile sehr bekannten Coppola-Universum. Die Schwestern aus "Virgin Suicides", Bill Murray und Scarlett Johansson in "Lost in Translation", die junge französische Königin in "Marie Antoinette" und nun Johnny Marco - sie haben alles, können alles machen, wachsen in behüteten Verhältnissen auf und trotzdem wirken sie, als würden sie am liebsten die Flucht ergreifen. Sie sind die falschen Personen im richtigen Leben. Sofia Coppola macht Filme über Menschen im Goldenen Käfig. Manchmal ist dieser metaphorisch gemeint, wie in "Lost in Translation", manchmal sehr wörtlich, wie in "Marie Antoinette". Man muss das erwähnen, um die Qualität ihres neuen Films zu begreifen. Denn "Somewhere" ist eine visuell wie auch narrativ äußerst konsequente Weiterentwicklung einer Regisseurin, die uns eindrücklich von der Leere hinter dem Starleben erzählt. Visuell ist der Film aufregend, weil die Regisseurin und ihr Kameramann Harris Savides ("Zodiac", "Milk") Bilder finden, die sich durch eine nüchterne Kargheit auszeichnen. Sie erinnern stark an das US-Independentkino der 1970er Jahre und da in erster Linie an die Arbeiten von Indie-Guru Monte Hellmann ("Two-Lane-Blacktop"). Am deutlichsten wird das in der exzellenten ersten Einstellung von "Somewhere": Die Kamera zeigt eine Wüstenlandschaft. Dann rast ein schwarzer Ferrari von links durch das Bild, verschwindet, um dann etwas weiter oben im Bildkader wieder zu erscheinen. Das zeigt Coppola vier, fünf Mal und das ohne Schnitt oder Musikuntermalung. Am Ende hält der Ferrari an und Johnny Marco steigt aus. Die Szene ist deshalb so schön, weil die sich ständig wiederholende Kreisbewegung des Autos Johnny Marcos Leben widerspiegelt und am Ende von "Somewhere" mit einer minimalen Verschiebung den ganzen Film genial zusammenfasst. Da hilft es natürlich, dass Elle Fanning der jungen Sofia Coppola zum Verwechseln ähnlich sieht. Und Stephen Dorff darf endlich mal eine ernsthafte Hauptrolle spielen. Dabei sollte man erwähnen, dass Sofia Coppola auch bei der Besetzung nichts dem Zufall überlässt. Stephen Dorff, Elle Fanning, Bill Murray, Jason Schwartzman, Kirsten Dunst - das sind alles Kinder von mehr oder weniger berühmten Künstlern. Mit einigen von ihnen ging die Regisseurin sogar in den Kindergarten. Coppolas Vergangenheit ist kein Einzelfall. Sie erzählt immer auch die Geschichte ihrer Darsteller. |
Neuen Kommentar hinzufügen