Die Blütezeit des Erotik-Thrillers waren ohne Zweifel die späten 1980er und frühen 1990er Jahre mit Filmen wie „Sea of Love“, „Basic Instinct“ oder „Color of Night“, um nur ein paar Vertreter zu nennen. Hier eroberte sich das Genre einen Platz im Mainstream und sorgte dafür, dass man sich auch in den gut beleuchteten Ecken von Videotheken zumindest ein wenig erotische Aufregung besorgen konnte – ganz ohne seinen öffentlichen Ruf zu riskieren. Seit dem Aufkommen des Internets führt das Genre allerdings wieder ein Nischenleben – kein Wunder, wenn man überlegt was heute so alles nur einen Mausklick entfernt ist.
So wird man dann doch ein wenig neugierig, wenn ausgerechnet einer der bekanntesten Regisseure dieser Filmrichtung nach 20 Jahren sein Comeback gibt. Mit „Eine verhängnisvolle Affäre“ und „9 ½ Wochen“ hat Regisseur Adrian Lyne dem Genre mit zum einstigen Ruhm verholfen, doch leider ist „Tiefe Wasser“ alles andere als eine triumphale Rückkehr in die alte Heimat. Das liegt vor allem daran, dass nach halbwegs ordentlichem Beginn große Logiklöcher, kaum nachvollziehbare Charaktere und billige Wendungen den Film eher in die Richtung schlechtes B-Movie driften lassen. Und wer seine Hoffnung auf die vom Marketing versprochene Erotik gesetzt hat, dürfte angesichts des völlig harmlosen Geschehens auf dem Bildschirm mindestens genauso enttäuscht werden.
Dabei wäre die toxische Ehe zwischen Vic (Ben Affleck, „Argo“, „Gone Girl“) und Milenda (Ana de Armas, „Knives Out“, „Blade Runner 2049“) eigentlich die perfekte Vorlage für ein erotisch-psychologisches Katz-und-Maus-Spiel. Milenda ist nämlich mit ihrem ehelichen Sexleben so gar nicht zufrieden und nutzt jede Gelegenheit, um sich auf Affären mit jüngeren Männern einzulassen. Dies kommuniziert sie auch offen und bringt ihre Affären auch mal ruhig mit nach Hause – auch wenn da gerade die gemeinsame Tochter am Spielen ist. Vic wiederum will diese Provokationen nicht ganz unbeantwortet lassen und nutzt jede Gelegenheit, um die jüngere Konkurrenz ziemlich deutlich auf die möglichen negativen gesundheitlichen Folgen dieser Abenteuer hinzuweisen. Und da alle Beteiligten eher auf Konfrontation als Konfliktvermeidung setzen, bleibt es schon bald nicht mehr nur bei Drohungen.
Ein klein wenig hätte einen die Vorgeschichte von „Tiefe Wasser“ ja bereits nachdenklich machen müssen. Ähnlich wie schon bei „The Woman in the Window“ entschied sich der Original-Verleiher Disney auch hier dafür, nach mehrmaligem Verschieben des Release-Termins den Film international lieber an die Konkurrenz abzutreten – in diesem Fall Amazon Prime Video. Und das obwohl Hauptdarstellerin Ana de Armas nach ihrem (ein klein wenig zu viel) gehypten Bond-Auftritt ja doch gerade ein ganz heißes Eisen ist. Doch angesichts der Qualität des Films entpuppt sich die Entscheidung von Disney, wie im Fall von „The Woman in the Window“, auch hier als ziemlich weise.
Zumindest in der ersten halben Stunde kann das Setup der Geschichte aber noch für etwas Spannung sorgen. Das liegt weniger an der Rolle von Ana de Armas, deren Figur eigentlich von Beginn an als ziemlich eindimensionale Femme Fatale angelegt ist. Doch was genau in Vic vor sich geht und wie ernst dessen Drohungen gegenüber seiner “Bett-Konkurrenz“ zu nehmen sind, lässt sich am Anfang deutlich schwieriger einschätzen. Eine Zeit lang spielt der Film geschickt mit dieser Unsicherheit des Publikums und lässt einen so die eher mauen Dialoge und die etwas zu stylische Inszenierung durchaus verzeihen.
Doch es dauert nicht lange, bis auch Vic durchschaubar wird, und das bricht dem Film dann so ziemlich das Genick. Ohne dieses Spannungselement wird man nämlich jetzt alleine mit zwei Figuren gelassen, deren Verhalten nur schwer nachvollziehbar ist und die immer mehr in Richtung Karikatur rücken. Die arme Ana de Armas gibt sich zwar durchaus Mühe möglichst verrucht zu wirken, doch ihrer Figur fehlt einfach jegliche Komplexität, um auch nur irgendwie interessant zu wirken. Kurz gesagt, diese Frau ist einfach nur ein Miststück. Der Film nutzt jede Gelegenheit, um mögliche Unklarheiten darüber erfolgreich zu beseitigen und lässt die Dame - offensichtlicher geht’s nicht mehr - dafür dann sogar symbolisch in einen verdorbenen Apfel beißen.
Mit Vic verhält es sich nach vielversprechendem Beginn aber auch nicht viel besser. Nachdem sein Charakter offen auf dem Tisch liegt ist man schnell von ihm gelangweilt und vor allem auch frustriert. Wieso Vic sich das alles antut und diese Beziehung nicht einfach beendet wird nie wirklich glaubhaft vermittelt. Irgendwann wird mal etwas von einer teuren Scheidung gemurmelt, aber so richtig glaubwürdig ist das angesichts des heftigen Psychoterrors nicht wirklich. Vor allem aber existiert so gar keine Chemie zwischen den beiden Figuren, die deren gegenseitige Abhängigkeit voneinander irgendwie verständlich machen könnte. Das liegt aber nicht nur am Drehbuch, sondern auch an Afflecks eher reduziertem emotionalen Schauspiel.
Die Art und Weise, wie die Story dann die Situation eskalieren lässt, macht all dies dann noch unglaubwürdiger. Wenn Melinda schließlich den dritten Lover mit ins gemeinsame Haus bringt stellt sich schon die Frage, warum denn nicht irgendeiner der Beteiligten hier mal endlich den Stecker zieht. Stattdessen scheint es auch für die Affären von Melinda völlig normal zu sein im Haus des Noch-Ehemanns abzuhängen. Da hat man dann irgendwann auch kein Mitgefühl mehr dafür, dass diese Herren eventuell gesundheitliche Nebenwirkungen davontragen.
So wird mit laufender Filmdauer immer offensichtlicher, dass hier eine sinnlose Story zusammenkonstruiert wird nur um irgendwie künstlich Drama und Thrill zu generieren. Das erklärt dann auch, warum die Polizei nie einschreitet oder manche Figuren auf einmal völlig unmotiviert an für die Story gerade entscheidenden Orten auftauchen. Mit einer schon fast an eine Parodie grenzenden und ziemlich lächerlichen Verfolgungsjagd überschreitet der Film dann spätestens am Ende endgültig die Linie zum reißerischen B-Movie.
All das wäre angesichts des Genres ja noch etwas verzeihbar, wenn man zumindest die versprochene knisternde Erotik geliefert bekommen würde. Aber wer auf etwas nackte Haut von Ana oder Ben (beziehungsweise deren Körperdoubles) gehofft hat, wird vom Film ebenfalls im Stich gelassen. Hier wird weder viel Fleisch gezeigt noch sonstige Feuer der Leidenschaft entfacht. Verruchter als einen Griff in den Schritt wird es nur selten und wenn dann wird sowieso gleich wieder brav weggeschnitten. Hier funkt einfach gar nichts zwischen den Hauptfiguren und angesichts der viel zu braven Inszenierung muss man eigentlich festhalten, dass „Tiefe Wasser“ die Genre-Bezeichnung „Erotik-Thriller“ gar nicht erst verdient hat. Wer also auf eine mit Stars gespickte Renaissance des Genres gehofft hat, wird von „Tiefe Wasser“ am Ende leider ziemlich enttäuscht sein.
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