Er hat es sich verdient: Richard Curtis, Drehbuchautor von "Vier Hochzeiten und ein Todesfall", "Notting Hill" und "Bridget Jones" und damit quasi alleinverantwortlich für die englischen Ausnahmeerscheinungen im RomCom-Genre des letzten Jahrzehnts, durfte endlich selbst auf dem Regiestuhl Platz nehmen, um sein neuestes Skript zu verfilmen, und hat sich dafür eine Menge vorgenommen. Scheinbar angedacht als RomCom to end all RomComs entwirft Curtis in "Tatsächlich Liebe" ein Multiplot-Szenario mit zehn verschiedenen Handlungssträngen und über zwanzig Hauptcharakteren, presst Kombinationen von jedem denkbaren Grundmuster des Genres hinein und ergötzt sich von Beginn an in einer derart temporeichen und Schwindel erregenden Mischung aus Albernheit und überzogener Romantik, dass nur zwei Vermutungen übrig bleiben: Entweder hat Curtis dieses Drehbuch auf Speed geschrieben, oder er wusste ganz genau, dass er seinen Zuschauern nicht eine Ruhepause gönnen darf. Denn dann würde auffallen, dass in diesem Film einfach viel zu viel auf einmal steckt, um auch nur ansatzweise funktionieren zu können. Wie sich das für einen Episoden-Film gehört, sind die einzelnen Stränge lediglich über die Charaktere denn über die Handlung verstrickt. So beginnt der Liebesreigen mit Hugh Grant als neuem britischen Premierminister, der sich postwendend in eine Bürohilfe verliebt (Erinnerungen an Monica Lewinsky drängen sich hier nachdrücklich auf, als mehrfach über die etwas breitere Figur des Mädels gesprochen wird und dann auch noch der amerikanische Präsident vorbei kommt, um sie anzubaggern). Seine Schwester (Emma Thompson) sorgt sich indes um ihre Ehe zu einem erfolgreichen Zeitungsmann (Alan Rickman), da dieser zunehmend von seiner neuen Sekretärin (Heike Makatsch, of all people) becirct wird. Eine andere Mitarbeiterin (Laura Linney) schmachtet indes aus der Ferne einen bezaubernden Kollegen an, doch traut sich nicht zum entscheidenden Schritt. Dann wären da noch: Ein Autor (Colin Firth aus "Bridget Jones") der vor zerrütteter Beziehung nach Südfrankreich flieht um sich dort in ein Mädchen zu verlieben, das nicht mal seine Sprache spricht; ein kürzlich verwitweter Stiefvater (Liam Neeson), der seinem zehnjährigen Sohn dabei hilft, mit seiner ersten großen Liebe klarzukommen; eine frisch verheiratete junge Braut (die zauberhafte Keira Knightley aus "Fluch der Karibik"), die das distanzierte Verhalten des besten Freundes ihres Gatten aufzulockern versucht und eine Überraschung erlebt; einen abgestürzten Alt-Rockstar, der mit einer hundserbärmlichen Coverversion von "Love is all around" (passenderweise der Hit zu "Vier Hochzeiten …") die Chart-Spitze stürmen will; zwei Lichtdoubles für Pornofilme, die zwar grundsätzlich splitternackt miteinander arbeiten, aber trotzdem ihre Zeit für eine langsame Annäherung brauchen; und ein Lieferbote, der davon überzeugt ist, in Amerika endlich seine große Liebe (oder genau genommen eine Frau, die freiwillig mit ihm Sex haben will) zu finden. Und das alles gleichzeitig, und dann auch noch zur Weihnachtszeit. Ehrlich, das kann nicht funktionieren. Auch wenn man sich knapp über zwei Stunden dafür Zeit nimmt, und noch so ergonomisch erzählt, ist es unmöglich, so viele verschiedene Geschichten zufriedenstellend abzuhandeln und vor allem abzuschließen. Kein Wunder also, dass Curtis das auch nicht gelingt: Auch wenn er sich selbst schon Zugeständnisse gemacht hat, indem die Plots um den Altrocker, die Porno-Doubles und den Sandwichs liefernden Schwerenöter bereits aufs Dasein als reine Gag-Lieferanten reduziert wurden, so fehlt es ihm immer noch an Raum, weshalb gleich mehrere Handlungsstränge am Ende mehr oder weniger abgesägt werden, bevor sie überhaupt richtig losgegangen sind. Viel mehr, als seine diversen Geschichten anzudeuten, kann der Regisseur und Autor hier nicht leisten, und das ist wirklich schade, denn es ist nicht so, dass es Curtis an Ideen mangeln würde. In der Tat entwickelt er hier mehrere Szenarien, die bei richtiger Ausarbeitung einen eigenen Film gerechtfertigt hätten, hier jedoch im Wust der Handlung unterzugehen drohen (und das zum Teil auch tun). "Tatsächlich Liebe" will zu viel zu schnell in zu kurzer Zeit, erweist sich stellenweise als extrem holprig und ist ein gutes Beispiel dafür, wo die Probleme eines Episodenfilms liegen und wie man an ihnen scheitert. Warum kriegt er dann trotzdem sieben Augen? |
Bilder: Courtesy of United International Pictures, Copyright 2003 |
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