
Es gibt gute Gründe, sich auf einen neuen Film des Teams Danny Boyle/Alex Garland zu freuen. Denn seit Boyle den erfolgreichen Garland-Roman "The Beach" inszenierte, verbindet die Beiden eine intensive und fruchtbare Partnerschaft, die dazu führte, dass sich die Interessen des Schriftstellers erst einmal deutlich in Richtung Kino und Drehbücher verlagert haben. Für Danny Boyle hat es Genregrenzen ja eh noch nie gegeben, nachdem der "Trainspotting"-Regisseur zuletzt noch mit dem Kinderfilm "Millions" überraschte, folgt nun also die Rückkehr ins phantastische Territorium. Dem hatten die beiden Kreativen mit ihrer Untoten-Mär "28 Days Later" vor einigen Jahren schließlich schon einmal eine Frischzellenkur verpasst (schon gut, rein technisch gesehen waren das keine Zombies). Wenn diese beiden begeisterungsfähigen Filmemacher nun also einen aufwändigen SF-Film ankündigen, einen echten Weltraumschinken, bei dem nicht weniger als das Schicksal unseres blauen Planeten auf dem Spiel steht, dann erwartet man doch zumindest eine Art "Armageddon mit Hirn", wenn nicht sogar noch etwas mehr.
In rund 50 Jahren steht das Undenkbare kurz bevor: Die Sonne verliert ihre Kraft und stirbt, die Auswirkungen auf das Erdklima sind bereits gewaltig. Eine Raumschiffexpedition soll nun versuchen, mittels einer gewaltigen Explosion den "Motor" der Sonne wieder in Gang zu bringen. Die Besatzungsmitglieder sind zwar jeder Experte auf ihrem Gebiet, sich untereinander aber nicht immer ganz grün. Und die Spannungen untereinander nehmen noch gewaltig zu, als es plötzlich gilt eine wichtige Entscheidung zu treffen. Denn dies ist bereits die zweite Reise ihrer Art, das Vorgängerschiff "Icarus 1"verschwand einst spurlos. Als man nun aber ein Signal eben dieses Schiffes auffängt, lautet die Frage: Planmäßig weiter fliegen oder einen Abstecher wagen? Wobei das verlockende an dieser Option weniger die Aussicht auf eventuelle Überlebende ist, sondern vielmehr die auf eine zweite funktionsfähige Bombe um den gewaltigen Auftrag zu erfüllen. Die Meinungen sind zunächst geteilt, doch die Mannschaft gerät schnell in eine Situation, die derart bedrohlich ist, dass für Diskussionen sowieso keinerlei Raum mehr bleibt.
Wer auch nur ein kleines Faible für große Weltraumopern hat, der fühlt sich von Beginn an wohl in "Sunshine". Wobei mit "Weltraumoper" nicht die Märchenstunden eines George Lucas oder andere bunte Phantasiewelten gemeint sind. Hier bewegen wir uns dann doch schon eher im Terrain von "2001" und "Alien". Mit Ersterem gemein hat dieser Film zwar auch einen Hauch des philosophischen Ansatzes, in erster Linie aber die vermittelte Ehrfurcht vor der Schöpfung, und mit Letzterem die etwas unheimliche und klaustrophobische Atmosphäre an Bord des Raumschiffs. Genauso schön wie gefährlich präsentieren sich hier das All und die Sonne, mittels erstklassiger Kameraarbeit eingefangen in großartigen Bildern. Winzig klein, hilflos und unbedeutend erscheinen die Crewmitglieder bei ihren Außeneinsätzen, ständig darauf bedacht sich nicht schutzlos der in diesen Gefilden genauso faszinierenden wie absolut tödlichen Sonnenstrahlung auszusetzen. Mit riesigen Sonnensegeln erreichen sie den nötigen Schutz, aber schon der kleinste Fehler oder Fehltritt kann das ändern. Nicht jeder wird die Mission bis zum Schluss begleiten, aber auch der Tod hat hier manchmal etwas Erhabenes.
Das Budget von "Sunshine" ist überschaubar, für Hollywood-Verhältnisse gar als schmal zu bezeichnen. Trotzdem gelingen diese tollen Bilder und zumindest hin und wieder vermitteln sie ein Gefühl von "Epos". Die Charaktere sind deutlich feiner und glaubwürdiger gezeichnet als in der sonst üblichen Genreware. Das Wissen um die hohe Wahrscheinlichkeit, von dieser Mission nicht lebend zu den daheim Gebliebenen zurückkehren zu können, ihnen aber, wenn alles gut geht, dafür das Weiterleben zu ermöglichen, treibt die Beteiligten in eine Mischung aus Fatalismus und Stärke, doch sie begehen auch Fehler. Unter den Darstellern ragen Cilian Murphy ("Red Eye") und Chris Evans ("Fantastic Four") als nicht eben harmonisch agierendes, aber sich der Situation entsprechend zusammen raufendes Team ein Stück heraus.
Boyle und Garland werden auch nicht müde zu betonen, wie akkurat sie sich mit der technischen und wissenschaftlichen Seite des Themas beschäftigt und bei entsprechenden Experten rückversichert haben. Im Bezug auf die Prämisse mit der Bombe, die das "Herz" der Sonne wieder auf Touren bringen soll, darf man da trotzdem mal kurz mit der Stirn runzeln, viele kleinere Einfälle wirken aber tatsächlich sehr überzeugend, genannt sei hier nur der im Schiff angelegte Garten, dessen Botanik den unbedingt benötigten Sauerstoff produziert und dessen Beschädigung daher für große Probleme sorgt. Lange Zeit macht es großes Vergnügen, diesem Abenteuer zu zuschauen, nicht nur weil es so schön anzusehen ist, sondern auch dank einer spannenden Geschichte, nachvollziehbaren Entscheidungen und glaubwürdigen Konflikten.
Aber irgendwie hat das dynamische Duo Boyle/Garland diesem Konzept offenbar doch nicht so ganz getraut und kommt deshalb nach knapp zwei Dritteln immer stärker vom Wege ab. Plötzlich besteht die Handlung dann nur noch aus dem von unzähligen Billigfilmen bekannten "Zehn kleine Negerlein"-Prinzip, als eine Art überhöhter, religiös motivierter Bösewicht auf ziemlich unglaubwürdige Art erscheint und sein Unwesen zu treiben beginnt. Da befinden wir uns dann statt in den meisterlichen Höhen eines Kubrick oder Scott auf einmal in den eher trashigen Niederungen eines "Event Horizon".
Das ist für sich genommen ja noch nicht mal unbedingt etwas Schlechtes, aber angesichts des vorher Aufgebauten und Gebotenen verkauft sich der Film damit eindeutig unter seiner Würde. Im ehrenwerten Bemühen, nicht zu kopflastig zu werden und stattdessen auch den Actionfreund zu befriedigen, verzetteln sich Boyle/Garland in der letzten halben Stunde des Films gewaltig und bekommen erst ganz zum Schluss gerade noch genug die Kurve, um "Sunshine" zu einer einigermaßen runden Sache zu machen. Angesichts der großen Erwartungshaltung, die man nicht nur wegen der Beteiligten sondern eben auch aufgrund der ersten Eindrücke zu Recht haben durfte, bleibt aber am Ende ein leichtes Gefühl der Enttäuschung zurück. Ein guter Film zweifellos, aber einer der das eigene Niveau letztendlich nicht halten kann - und daher leider doch kein großer Wurf ist.
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