Sturmhöhe

MOH (103): 12. Oscars 1940 - "Sturmhöhe"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 15. April 2025

In unserer letzten Folge setzte Film-Legende John Wayne mit jeder Menge Charisma ein erstes großes Ausrufezeichen in Hollywood. Die Rolle eines zu tief gekränkten Liebhabers bescherte im gleichen Jahr wiederum dem späteren vierfachen Oscar-Preisträger Laurence Olivier den Durchbruch – über das mit dem Charisma müssen wir in dem Fall aber noch mal sprechen.

Sturmhöhe

Originaltitel
Wuthering Heights
Land
Jahr
1939
Laufzeit
104 min
Genre
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
5
5/10

Britische Schauspielerinnen und Schauspieler haben in Hollywood im Laufe der Jahre ja durchaus ihre Duftmarken gesetzt. In den 1930er-Jahren griff die Traumfabrik auf diese dabei sehr gerne für die damals populären Verfilmungen britischer Romane und Theaterstücke zurück – und besetzte britische Männer natürlich vorzugsweise für die Rolle des stilvollen Liebhabers oder kultivierten, aristokratischen Bösewichts. Ein Paradebeispiel für solch ein britisches Aufgebot ist die Adaption des englischen Romanklassikers "Wuthering Heights" (deutsch: "Sturmhöhe"), in der gleich zwei spätere Filmschwergewichte von der Insel zu sehen sind – David Niven und Laurence Olivier. Klingt vielversprechend, entpuppt sich in der Praxis aber leider als äußerst zähe Angelegenheit. Genau wie eine Kutsche im Moor von Wuthering Heights kommt die zentrale Liebesgeschichte und damit auch der Film hier gefühlt kaum vom Fleck. Das liegt vor allem an der mangelnden Chemie zwischen dem zentralen Leinwandpaar und mündet am Ende in einem zu melodramatischen und im negativen Sinne altmodischen Streifen – auch wenn der zugegebenermaßen visuell einiges hermacht.

In der rauen Landschaft des englischen Yorkshire wächst im frühen 19. Jahrhundert der Waisenjunge Heathcliff (Rex Downing) im Hause der Familie Earnshaw auf. Dort entwickelt er eine leidenschaftliche Zuneigung zu Catherine Earnshaw (Sarita Wooton), der Tochter des Hauses. Ihre unschuldige Kinderliebe wird allerdings im Erwachsenenalter auf eine große Probe gestellt. Nach dem Tod des Hausherren wird Heathcliff (jetzt gespielt von Laurence Olivier) nämlich von Catherines Bruder Hindley (Hugh Williams) zum Stallburschen degradiert. Für die nun im heiratsfähigen Alter befindliche Catherine (Merle Oberon) ist das aufgrund gesellschaftlicher Konventionen aber ein Problem. Darum beginnt diese ein Auge auf den wohlhabenden Edgar Linton (David Niven, "Zeit der Liebe, Zeit des Abschieds") zu werfen – während in Heathcliff gekränkte Kampfeslust aufsteigt.
 


Ach, die unerfüllte Liebe. Aus diesem emotionalen Loch wieder herauszukommen ist nicht leicht und hat jeder wohl schon mal schmerzhaft durchlebt. Im Idealfall mit der Erkenntnis, dass Verbitterung und Rache hier als Antwort eher schlechte Ratgeber sind. Für eine packende Geschichte bietet solch eine Reaktion aber natürlich dramatisches Konfliktpotenzial und in "Sturmhöhe" mit zwei ganz großen britischen Mimen auf der Besetzungsliste (auch wenn sie hier noch am Anfang ihrer Karrieren standen) die Aussicht auf intensive 104 Filmminuten. Aber all das schöne Potenzial ist nichts wert, wenn zentrale Storyelemente nicht funktionieren und einige gravierende strukturelle Fehlentscheidungen getroffen werden.

Gefühlt ist schon die Idee, den Film als lange Rückblende zu erzählen, irgendwie eine unnötige dramaturgische Bremse. So strandet zu Beginn ein Reiter in Wuthering Heights, nur um dort auf einen verbitterten Heathcliff zu treffen und sich von der Haushälterin dessen dramatische Lebensgeschichte erzählen zu lassen. Dieses Vorspiel ist zwar ganz ordentlich umgesetzt, jedoch retrospektiv ein Fehler, da man so noch weniger Zeit für die schon an sich sehr umfängliche Hauptgeschichte hat. Zeit, die man lieber in die Ausarbeitung der Beziehung zwischen Heathcliff und seiner großen Liebe Cathy hätte stecken sollen.
 


Zu Beginn nimmt man sich immerhin noch die Zeit, deren glückliche Kinderjahre simpel aber effektiv einzufangen. Die Probleme gehen aber los, als der Wechsel in die zentrale Storyline und das Erwachsenenalter unserer beiden zentralen Protagonisten erfolgt. Bei diesem Wechsel überspringt man gefühlt wichtige Charakterentwicklungen, wodurch sich Heathcliff und Cathy nun wieder wie zwei komplett neue Personen anfühlen. Die müsste man jetzt eigentlich erst mal wieder kurz kennenlernen, doch stattdessen wirft man uns direkt zwischen deren verhärtete Fronten. Die Beziehung der beiden ist erkaltet und während sich Heathcliff in einem depressiven Tunnel befindet, streckt Cathy bereits die Fühler nach einem gesellschaftlich kompatibleren Ehemann aus.

Dabei behandelt Cathy Heathcliff nun so herablassend und gefühlskalt, dass man sich ernsthaft fragt, warum dieser überhaupt noch an ihr hängt. Leider sind weder das Drehbuch noch Hauptdarstellerin Merle Oberon in der Lage, irgendwelche Restfunken der alten Liebe innerhalb von Cathy aufleuchten zu lassen – geschweige denn irgendeine Form von Komplexität. Jeglicher Versuch, hier echte Dramatik reinzubringen, scheitert, da es auf beiden Seiten an der dafür nötigen Tiefe und dem Publikum an einer wirklichen emotionalen Verbindung zu diesen zwei Figuren fehlt.
 


Genau das bricht dem Film, zumindest für mich, das emotionale Genick. Wenn man als Zuschauer nicht mitfühlt, ist bei so einer tragischen Liebesgeschichte ja im Grunde alles verloren. Statt Leidenschaft oder innerem Konflikt bleibt nur eine leere Hülle, die hier gelegentlich versucht, bedeutungsvoll dreinzuschauen. Laurence Olivier bringt zwar eine gewisse Präsenz mit – sein Gesicht funktioniert ganz ordentlich als Projektionsfläche für Zorn und Trübsal –, aber von seinen inneren Dämonen oder einer echten Zerrissenheit ist wenig zu spüren. Da geben dann auch die eher simplen Dialoge nicht viel her. Zumindest David Niven schlägt sich schauspielerisch ganz wacker, hat aber das Pech, eine Figur zu spielen, die über weite Strecken kaum aktiv ins Geschehen eingreifen darf.

In der zweiten Hälfte treffen wir dann wieder auf ein strukturelles Drehbuchproblem. Heathcliffs Racheplan – eigentlich eine interessante Idee für eine ordentliche emotionale Eskalation – wird lieblos eingeführt und auch eher im Eiltempo durchgepeitscht. Dass man sich dafür nicht so wirklich viel Zeit nimmt, birgt nicht einer gewissen Ironie, da der Film die Romanvorlage ja ohnehin schon stark eingedampft hat und (im Gegensatz zur Neuverfilmung mit Juliette Binoche und Ralph Fiennes aus dem Jahr 1992) auf den gesamten zweiten Teil der Romanhandlung verzichtet. Vielleicht ist das hier aber auch gar nicht ein Zeitproblem, sondern eher eine Frage des Fokus. Statt nämlich wirklich in die Abgründe der Figuren eintauchen zu wollen, scheint "Sturmhöhe" nur an simplem Melodrama interessiert zu sein.
 


So plätschert das alles hier emotional so vor sich hin, wobei auch die Inszenierung nie so richtig Schwung reinbringen kann. Und das, obwohl der Regiestuhl mit William Wyler ("Ein Herz und eine Krone", "Ben Hur") durchaus prominent besetzt ist. Ganz selten gibt es mal ein paar stimmungsvolle Einfälle – wie der pfeifende Wind, der Unheil ankündigt. Aber eigentlich ist der einzig echte Lichtblick nur die Kameraarbeit. Zumindest die ist bemerkenswert stimmungsvoll, vor allem dank einer gelungenen Lichtsetzung, und wurde bei den Academy Awards zurecht mit dem Oscar für den besten Schwarz-Weiß-Film ausgezeichnet.

Das war dann aber auch der einzige Oscar-Gewinn bei insgesamt acht Nominierungen – darunter "Beste Regie", "Bestes Drehbuch" und "Bester Hauptdarsteller". Am Ende ist "Sturmhöhe" einfach zu glatt und im negativen Sinne zu altbacken, um wirklich zu berühren. Vielleicht hätte man anstatt seichtem Melodrama die ab und zu angedeuteten Gothic-Aspekte der Geschichte dann doch etwas konsequenter ausspielen sollen. Gut möglich, dass wir in den Genuss einer solchen Version aber bald kommen – eine weitere Neuverfilmung des Stoffs mit Margot Robbie in der Hauptrolle und Emerald Fennell ("Saltburn") auf dem Regiestuhl ist aktuell in Arbeit. Und wenn man über "Saltburn" sicher eines sagen kann, dann das: altbacken war der nicht. Blicken wir also neugierig auf das nächste Kinojahr – überzeugende Gründe, sich die Wartezeit bis dahin mit der Version aus dem Jahr 1939 zu verkürzen, gibt es allerdings nicht.

"Sturmhöhe" ist aktuell als DVD auf Amazon in Deutschland verfügbar. Alternativ ist der Film auch auf der Webseite des Internet Archive kostenlos abrufbar.

 


Trailer zum Film
 


Ausblick
In unserer nächsten Folge dürfen wir gleich wieder Platz für eine besonders dramatische Liebesgeschichte schaffen. Nur würde sich diese nicht nur den Oscar für den besten Film sichern, sondern auch noch zu einem der großen Klassiker der Kinogeschichte avancieren.

Bilder: Copyright

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