Zach Helm hat das Zeug zum Helden für alle Drehbuch-Autoren Hollywoods. Nach seinem Studium ging der hochbegabte Schreiberling nach Los Angeles und fand schon bald einen gut bezahlten Job als Skript-Doktor - jahrelang schrieb er nach den Wünschen der Studio-Produzenten die Drehbücher anderer Autoren um, damit sie "markttauglicher" werden. Der Frust kam langsam aber stetig, und schließlich legte Helm dieses unrühmliche Handwerk nieder, um ohne jedwede Markt-Kompromisse endlich ein eigenes Drehbuch zu schreiben, dessen Originalität es unwiderstehlich machen sollte. Was auch funktionierte.
"Stranger than Fiction" (die etwas unglücklich klingende Übersetzung wollen wir mal ignorieren) basiert auf einer Grundidee, die wirklich kongenial ist und sofort an Charlie Kaufman denken lässt, den innovativsten und originellsten aktiven Drehbuch-Autor ("Being John Malkovich", "Adaption", "Vergiss mein nicht"). Der Film erzählt die Geschichte des langweiligen und hochgradig pedantischen Steuerbeamten Harold Crick (Will Ferrell), der eines Tages auf einmal eine Stimme in seinem Kopf hört, die all seine Handlungen nacherzählt und kommentiert, als wäre er die Hauptfigur in einem Roman. Nachhaltig besorgt ist Harold, als die weibliche Erzählerin seinen baldigen Tod ankündigt, und mit Hilfe des Literaturprofessors Jules Hilbert (Dustin Hoffman) versucht er herauszufinden, was das für ein Buch ist, in dem er offenbar der unfreiwillige Held ist - um so hoffentlich sein drohendes Ableben verhindern zu können. Verfasst wird dieses Buch von der kettenrauchenden Autorin Karen Eiffel (Emma Thompson), die an einer Schreibblockade leidet und verzweifelt nach der passenden Methode sucht, mit der sie ihren "Helden" Harold am Ende töten wird.
Klingt verrückt genug? In der Tat sind die erzählerischen Kapriolen von "Stranger than Fiction" eine reine Freude und werden getragen von einem fabelhaften Ensemble, zu dem sich auch noch Maggie Gyllenhaal als anarchische Bäckerin Ana, in die sich Harold verliebt, und Queen Latifah als Karens Assistentin Penny gesellen. Eine solch namhafte Besetzungsliste ist ein sehr gutes Indiz für ein außergewöhnliches Drehbuch, bei dem alle Schauspieler begeistert mit der Zunge schnalzen, und gerade Zuschauer mit einer ausgeprägten Affinität zur Literatur werden diese Begeisterung sehr gut nachvollziehen können. "Stranger than Fiction" spielt ein herrlich cleveres, ebenso augenzwinkerndes wie tiefsinniges Spiel mit den Konventionen und Gesetzen der literarischen Dualität aus Komödie und Tragödie, und Hilberts Analysen über die Natur von Harolds "Lebensgeschichte" werden jeden Geisteswissenschaftler begeistert auflachen lassen.
Das macht zunächst enorm viel Spaß, ebenso wie das von Regisseur Marc Forster ("Monster's Ball", "Wenn Träume fliegen lernen") mit verspielten Bildtricks verdeutlichte Pedantentum Harolds, der sein Leben nach einem ewig gleichen, sekundengenauen Zeitplan mit einer festgelegten Anzahl an Schritten und Zahnputz-Bewegungen führt. Dass ausgerechnet Blödel-Meister Will Ferrell diese ganz und gar von Slapstick und offensichtlicher Komik befreite Rolle übernommen hat, mag zunächst verwundern, ist aber tatsächlich Ferrells Versuch, mit einer dramatischen Hauptrolle erstmals ins Charakterfach zu wechseln und sich als ernstzunehmender Schauspieler zu etablieren. Dass das funktionieren kann, haben bereits Kollegen wie Jim Carrey mit der "Truman Show" oder Adam Sandler in "Punch Drunk Love" bewiesen, und wie in diesen beiden Fällen erweist sich auch Ferrell als nahezu perfekt in seiner Rolle. Lautes Gemurmel über eine mögliche Oscar-Nominierung darf man da durchaus ernst nehmen.
Trotz großartiger Grundidee, tollen Dialogen und viel Einfallsreichtum unterwegs, der grandiosen Besetzung und der hervorragenden Regie von Forster gelingt es "Stranger than Fiction" aber dennoch nicht, so richtig in die genialischen Sphären der Charlie Kaufman-Filme vorzudringen. Dafür bleibt der Film in seinem weiteren Verlauf zu vorhersehbar, und gerade am Schluss hat man schon das Gefühl, dass Zach Helm ein wenig vor der eigenen Courage zurückgeschreckt ist und zugunsten eines konventionelleren Endes darauf verzichtete, seine Sache konsequent durchzuziehen. Dennoch entwickelt die poetische Reflexion über die Wahrhaftigkeit von Fiktion eine eigenständige Kraft und gibt dem Film eine zusätzliche Meta-Ebene, auf der er über den ganz realen Wert einer fiktiven Geschichte philosophiert, ohne dabei die emotionale Resonanz seiner Story aus den Augen zu verlieren.
Das ist in seiner Vielschichtigkeit sehr faszinierend und lädt dazu ein, sich den Film mindestens noch ein zweites Mal anzusehen, um all die gedanklichen Spielereien über die Natur von Tragödie und Komödie und die Wechselwirkungen von Fiktion und Wirklichkeit komplett zu erfassen. Was man angesichts dessen aber auch nicht los wird, ist ein unbestimmtes Gefühl von Selbstverliebtheit. Die manchmal etwas effektheischenden, fast schon bemüht originellen Einfälle in der Erzählung, das ständige Debattieren auf hohem intellektuellem Niveau und nicht zuletzt die selbstreflexive Thematisierung der Suche nach einem "perfekten" Ende muten häufig an, als hätte sich der Autor hier selbst besonders toll gefunden. Was in diesem Fall zwar fast immer berechtigt ist, sich aber trotzdem irgendwie komisch anfühlt, da es so richtig komplett genial dann eben doch nicht geworden ist.
Nichtsdestotrotz ist "Stranger than Fiction" ein großartiger Film, der mit seiner Frische und Originalität alle begeistern wird, die an ungewöhnlichen, experimentellen und intelligenten Geschichten ihre Freude haben. Nicht der erhoffte, bahnbrechende Geniestreich aus der Kategorie "Sowas hat man noch nicht gesehen", aber ein begeisternd eigenwilliges Werk, das gespannt auf mehr aus derselben Feder warten lässt. Zach Helm verfilmt inzwischen unter eigener Regie sein Drehbuch "Mr. Magorium's Wonder Emporium", der fertige Film kommt wahrscheinlich Ende des Jahres. Bis dahin verleihen wir ihm den Charlie-Kaufman-Nachwuchs-Perspektiv-Preis. Wollen wir hoffen, dass er sich ihn auch weiterhin verdient.
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