Kaum ein Film hat Science-Fiction-Fans in den letzten Jahren so sehr den Mund wässrig gemacht wie Ridley Scotts angekündigte Rückkehr in das Genre, in dem er mit „Alien“ und „Blade Runner“ seine unbestrittenen Meisterwerke ablieferte. Und diese Rückkehr wurde auch deswegen Zeit, da sich in seiner anderen Spezialität, dem Schwert- und Schlachtenspektakel spätestens mit seiner Version von „Robin Hood“ doch deutliche Ermüdungserscheinungen einstellten. Doch gab es noch einen viel wichtigeren Grund für die Antizipation der Genrefans. Von Anfang an hielt sich das Gerücht, bei „Prometheus“ würde es sich um ein Prequel der „Alien“-Reihe handeln. Scott selbst versuchte so gut es ging, Rauchbomben zu werfen, um die Fangemeinde zu verwirren. Erst hieß es nebulös, der Film würde zumindest im selben Universum spielen, dann wieder doch nicht, dann vielleicht doch. Schließlich dann das Gerücht, der Film würde das Geheimnis des toten "Space Jockeys", den die Crew der Nostromo in „Alien“ findet (in einer merkwürdigen Apparatur hockend, unweit entfernt von den glibberigen Eiern, die sich später als so totbringend erweisen), beleuchten. Und hier dürfen wir dann Vollzug vermelden. Ja, „Prometheus“ ist ein eindeutiges „Alien“-Prequel und ja, es geht zu großen Teilen darum, wer oder was der "Space Jockey" ist.
Die beiden Anthropologen Elizabeth Shaw (Noomi Rapace) und Charlie Holloway (Logan Marshall-Green) nennen den „Alien“-Fans als "Space Jockey" bekannten Raumfahrer im XXL-Format den "Ingenieur" und glauben, dass er bzw. seine Artgenossen vor Jahrtausenden die Menschheit zu verschiedenen Epochen besucht haben. Mehr noch: Wie der Name schon sagt, vermuten sie, dass die Ingenieure vielleicht die Erschaffer der Menschheit sind. Von der mächtigen Weyland-Corporation, dessen toter Gründer Charles Weyland (Guy Pearce) sich damit posthum einen Traum erfüllt, wird eine Expedition zum möglichen Heimatplaneten der Ingenieure gestartet. Unter der Leitung von Meredith Vickers (Charlize Theron) bricht das Raumschiff Prometheus mit ihrem Kapitän Janek (Idris Elba) auf, diesen Planeten und damit die Herkunft der Menschheit zu erforschen. Mit an Bord die übliche Ansammlung an Söldnern und Forschern sowie der Android David (Michael Fassbender), dessen Agenda wie die seiner mechanischen Nachfolger in den Alien-Filmen nicht hundertprozentig astrein zu sein scheint. In den Höhlen auf dem Planeten findet die Crew der Prometheus dann tatsächlich Spuren der Ingenieure – und damit dann recht bald auch wesentlich mehr Probleme, als sie erwartet hat...
Jaja, die Erwartungen. Sie sind nicht nur für die Crew der Prometheus ein Problem, sondern auch für den Film selbst. Denn auf nicht weniger als ein Meisterwerk hatte man hier gehofft, warum sonst sollte schließlich ein Ridley Scott zu seinem ersten großen Erfolg zurückkehren, wenn er nicht ganz etwas Besonderes zu erzählen hat. Und man kann „Prometheus“ einiges vorwerfen, aber nicht einen zumindest anfänglich vorhandenen Mangel an Ambitionen. Wer wie Terrence Malick im letztjährigen „Tree Of Life“ mal eben die Herkunft der Menschheit ergründen will – und in der Eröffnungssequenz scheinbar den Beginn von intelligentem Leben auf der Erde darstellt –, dem kann man diesen Vorwurf nicht machen. Aber den, dass der Film diese Prämisse nicht erfüllt und sich stattdessen nach der Hälfte der Laufzeit zu einem immer konservativeren und damit konsequent schwächer werdenden Monsterfilm wandelt.
Da nützt es dann auch nichts, dass der Spannungsaufbau in der ersten Hälfte des Films trotz einiger Längen ziemlich gut gelungen ist, oder dass hier statt auf Action und Knalleffekte zuvorderst auf Atmosphäre gesetzt wird. Denn so ist die Enttäuschung um so größer, wenn am Ende des Films doch wieder Charaktere mit Feueräxten in der Hand durch Korridore laufen, um sich Monster vom Leib zu halten. Und der, nun ja, Wrestlingkampf mit Tentakelmonster am Ende hat dann wirklich schon fast Trash-Niveau. Das ist schade und ärgerlich, dass dieser Film anfängt wie „2001 – Odyssee Im Weltraum“ und endet wie einer der Billig-Monstermashes des Spartensenders Syfy.
Den Drehbuchautoren Jon Spaiths und Damon Lindelof muss man hier die Hauptschuld zuschieben, und wenn man sieht, dass Newcomer Spaiths für den trashigen „The Darkest Hour“ und Lindelof neben der ja auch nicht unbedingt mega-kohärenten Serie „Lost“ für den Flop „Cowboys & Aliens“ verantwortlich zeichnet, dann wird schnell klar, dass hier mit diesen zwei Männern sich nicht die Richtigen an einem Weiterstricken und Ausweiten des „Alien“-Mythos versucht haben. Angeblich war das ursprüngliche Drehbuch von Spaiths, Scott lehnte ab und sagte dann unter der Bedingung zu, dass Lindelof es nach seinen Vorstellungen umarbeitet. Wie auch immer, es wurde offenbar nicht genug umgearbeitet. Und so verhalten sich auch hier Charaktere wie Idioten und willige Schlachtopfer, um überhaupt erst anstehende Monstermassaker zu ermöglichen, Plotlöcher sind so groß wie die Space Jockeys und der erzählerische Rhythmus ist daher das erste Opfer hier.
Auch die übliche Frage „Ist dem Androiden zu trauen?“, die ja in drei der vier „Alien“-Filmen eine wichtige Rolle spielt, vermurksen die beiden Autoren, denn die Frage wird viel zu schnell viel zu deutlich aufgelöst. Das absolut Schlimmste ist allerdings, dass Spaiths und Lindelof für die Existenz von Space Jockeys und Aliens wirklich nur absolute Banalitäten eingefallen sind. Und auch das Mysterium des Space Jockey, dieses faszinierendsten aller Details des ersten „Alien“-Films, darf man als Enttäuschung werten, denn Antworten gibt es wenige bis keine und in dem Moment, als welche versprochen werden, endet der Film, mit dreistmöglichem Verheiß auf ein Sequel. Dazu kommen dann noch Momente, die mit der bisherigen „Alien“-Mythologie so gar nicht zusammenhängen wollen (Stichwort: zombifizierte Crewmitglieder).
Schlimm getroffen hat es dadurch fast die komplette Besetzung, die hier grandios verheizt wird. Noomi Rapace, hier kaum wiederzuerkennen von ihrer Goth-Hackerin in der Original-"Millenium"-Trilogie, hat ein interessantes Gesicht, das aus der Eintönigleit Hollywoods heraussticht, sie bekommt hier jedoch wenig zu tun und wenig Môglichkeiten zum Glänzen. In einer früheren Drehbuchfassung hatte Charlize Theron vielleicht mal eine interessante Rolle, im fertigen Film ist sie quasi komplett überflüssig. Ähnliches gilt für Topleute wie Guy Pearce oder Charaktermimen wie Sean Harris, der zu Beginn als wenig sozialer, möglicher Rebell/Psychopath eingeführt wird, sich aber in Windeseile als feiger und nicht weiter interessanter Geologe erweist. Idrid Elba als Captain Janek ist immerhin wie eigentlich immer die coolste Sau im Raum(-schiff) und bekommt zusammen mit seinen eigenschaftslosen Sidekicks immerhin einen coolen Abgang.
Am Besten hat es trotz wie schon angesprochen durchaus ausbaufähigerer Arbeit mit seiner Figur Michael Fassbender als Androiden David erwischt, da er inmitten der Pappkameraden hier wenigstens überhaupt so etwas wie Charakterisierung hat. Das Lächeln von David, der sich und sein Verhalten nach Peter O'Tooles Titelheld in „Lawrence von Arabien“ modelliert, scheint immer etwas zu verbergen und in seinen Antworten schwingt unterschwellig immer auch etwas potenziell Gefährliches mit. Die Szenen zu Beginn des Films, in der er alleine die Räumlichkeiten der Prometheus durchläuft, archaische Sprachen lernt und problemlos Basketballkorb nach Basketballkorb von einem Fahrrad aus wirft, gehören zweifellos zu den Highlights. Anstatt der heruntergekommenen Atmosphäre auf dem Arbeiterschiff Nostromo ist die Prometheus hell und modern und erinnert an die antiseptischen Designs in „2001 – Odyssee im Weltraum“. Wie gesagt, zu schade, dass „Prometheus“, vielleicht in einer fehl geleiteten Geste gegenüber dem Publikum dann zunehmend auf Monsterhorror von der Stange setzt.
Was bleibt also von „Prometheus“? Die wiederholte Erkenntnis, dass Ridley Scott brutal von seinen Drehbüchern abhängig ist, und wenn diese wie hier daneben gehen, auch seine Professionalität nicht (viel) retten kann. Klar, das ist alles ausgesprochen souverän inszeniert und sieht wie immer bei Scott (dem Älteren) elegant und sehr gut aus. Aber selbst die Spannungsmomente in der zweiten Hälfte wollen ihm nicht recht gelingen und haben etwas Pflichtschuldiges. Selbst die set pieces sind nur ein halber Erfolg. Shaws Auto-Abtreibung in einer Medizinkapsel etwa sollte eigentlich ein Lehrstück an Anspannung, Panik und Angstmacherei sein, aber obwohl man mit Shaws Dilemma mehr als mitfühlen kann, ist die Sequenz nie ganz so schweißtreibend oder beeindruckend wie erhofft oder erwartet. Bleiben als einzige echte Erfolge nur die Eröffnungssequenz mit ihrer netten visuellen Ambivalenz (sind wir hier auf der Erde oder doch einem fremden Planeten?) und der Moment, in dem David eine Animation der Space Jockeys startet. Hier hat der Film für einen Moment den Sinn für Wunder wie Spielberg ihn in „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ beschwor (nicht umsonst spielt in beiden Szenen ein Musikstück eine wichtige Rolle) und etwas wahrhaft Majestätisches. Leider bleibt es bei dieser einen Sequenz, bevor es wieder zum schwächeren Monstermurks übergeht.
Es wäre einfach, die Unzufriedenheit über „Prometheus“ einfach auf die überzogenen Erwartungshaltungen zu schieben, denn natürlich ist der Film im Monsterfilm-Genre immer noch einer der besseren Vertreter, ein technisch perfekter und allemal unterhaltsamer Film. Da er aber sich selbst andere und viel höhere Ziele setzt und an diesen dann in großem Stil scheitert, darf man hier auch hart urteilen. Denn wer sich so wenig für seine menschlichen Protagonisten, ihr Schicksal und eine kohärente Geschichte interessiert, der darf sich auch nicht wundern, dass der Zuschauer schon lange vor der letzten Einstellung des Films – die dann wirklich überdeutlich den Weg zu „Alien“ spannt – sein Interesse und seine emotionales Investment in diesen Film verloren hat.
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