Unheimliche Begegnung der dritten Art

Originaltitel
Close Encounters of the third kind
Land
Jahr
1977
Laufzeit
132 min
Bewertung
von Frank-Michael Helmke / 20. Juni 2010

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Kino macht Träume wahr, haucht Fantasien leben ein, entführt in schönere Welten. Die Flucht aus dem Alltäglichen ist es, die uns ins Kino zieht, die Bewunderung von außergewöhnlichen Dingen, an die man kaum zu glauben wagt, weil sie so fern und irreal wirken. Der gebannte, staunende Blick nach oben zur Leinwand, die für uns das Licht des Projektors reflektiert, ist das Gesicht der Erlebnisreise Kino. Und vielleicht ist Steven Spielberg gerade deshalb der populärste, erfolgreichste, und für manche sogar beste Regisseur der Welt, weil er wie kein anderer Vertreter seines Faches diese unschuldige, träumerische Faszination versteht, teilt, und einzufangen weiß. Das mit großen Augen gen Himmel gerichtete Gesicht eines Kindes ist das ultimative Spielberg-Motiv, das nicht nur Position und Ausdruck des Zuschauers im Kinosaal nachahmt, sondern auch dessen Motivation für den Kinobesuch in aller Einfachheit wiedergibt. Spielberg gab dem Kino das Staunen zurück, und dies nicht erst mit seiner größten Kinderfantasie "E.T.", sondern schon sechs Jahre zuvor mit dessen geistigem Vorgänger, "Unheimliche Begegnung der dritten Art" (Close Encounters of the Third Kind, 1977) - eine der wenigen Visionen außerirdischer Kontaktaufnahme, die sich tatsächlich trauen, an ein friedliches Miteinander zu glauben. Und geistlose Baller-Orgien wie "Independence Day" noch Jahrzehnte später in all ihrer unsäglichen Dummheit entlarven.

Identifikation war immer der wichtigste Schlüssel zu Spielbergs kindlichen Fantasien, und so ist der Held von "Close Encounters ..." ein klassischer Jedermann: Roy Neary (Richard Dreyfuss), Elektriker und Familienvater in einer unscheinbaren Kleinstadt im US-Bundesstaat Indiana, ist wahrlich kein außergewöhnlicher Mensch, doch als er eines Nachts auf der Landstraße Sichtkontakt mit einem UFO hat, ändert sich schlagartig sein gesamtes Dasein, vornehmlich aus zwei Gründen: Erstens glaubt ihm natürlich niemand, was er gesehen hat (und auch für seinen einseitigen Sonnenbrand, der von den gleißenden Lichtern des UFOs herrührt, erfindet seine Ehefrau passende Ausreden), weshalb er für ein bißchen spinnert gehalten wird, zweitens wird er fortan von einer merkwürdigen Vision eines flachgipfeligen Berges geplagt, und seine permanenten Modellierungsversuche, um dieses Bild aus seinem Kopf und in eine plastische Skulptur zu bekommen, machen nicht nur ihn langsam wahnsinnig - und helfen wenig zur Bekämpfung des spinnerten Eindrucks.
Doch Roy ist nicht der einzige von Visionen Geplagte: Er schließt Freundschaft mit Jillian (Melinda Dillon), die die selben Raumschiffe gesehen hatte und seit dem nur noch Bilder von besagtem Berg malt - wenn sie nicht gerade nach ihrem kleinen Sohn sucht, der von den Außerirdischen entführt wurde. Was natürlich auch keiner glaubt. Außer vielleicht den Leuten, die wissen, dass es wahr ist: Hoch geheim und fieberhaft arbeitet eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern unter der Leitung des Franzosen Claude Lacombe (gespielt von "Nouvelle Vague"-Regielegende Francois Truffaut in seiner einzigen größeren Darsteller-Rolle) an der Kontaktaufnahme mit den Außerirdischen, und als Treffpunkt für den ersten Kontakt erhalten sie die Koordinaten eines bestimmten flachgipfeligen Berges.

"Close Encounters" zählt gerade deshalb zu den herausragenden Werken des SciFi-Genres, weil er seine Geschichte trotz sehr fantasievoller Motive in simple Alltäglichkeit verpackt - und so besonders greifbar und glaubwürdig macht. So ist das eigentliche Zentrum der Handlung weniger die Suche nach den Außerirdischen als Roy's stetig ansteigende Entfremdung von seinen Mitmenschen, der Kampf zwischen dem, was wir grundsätzlich für gesunden Menschenverstand halten (Es gibt keine UFOs), und was ihm seine eigenen Sinneswahrnehmungen gezeigt haben. Sich der augenscheinlichen Absurdität seiner Erfahrungen bewusst, verzweifelt Roy selbst und hält sich bald für halb wahnsinnig, kann aber dennoch nichts gegen seine Visionen tun. Als er schließlich Unmengen von Erde, Büschen und Maschendraht durchs Küchenfenster befördert, um ein weiteres Modell zu bauen, halten ihn nicht nur seine Nachbarn für verrückt, auch seine Frau hält die Situation nicht mehr aus und flüchtet mit den Kindern. Schmerzhaft, aber realistisch zeichnet Spielberg die Erfahrung eines jeden Querdenkers nach: Man mag Recht haben so sehr man will, wer den versteiften Grundkonzepten des Massendenkens widerspricht, steht immer auf verlorenem Posten.
So wird "Close Encounters …" zur großen Laudatio an offenes Denken, und deshalb sind es auch hier - wie in so vielen Spielberg-Filmen - die Kinder, die recht behalten: Mit ihren unschuldigen, neugierigen Gemütern stehen sie den Erfahrungen und Möglichkeiten unserer Welt weit offener gegenüber als die meisten Erwachsenen. Wenn sich die UFOs nähern und sämtliche elektrischen Geräte wie von Geisterhand angehen und durchzudrehen scheinen, kreiert Spielberg Horror-Motive in "Poltergeist"-Manier, welche seine erwachsenen Charaktere auch mit entsprechenden Angst-Reaktionen beantworten. Nur das Kind geht sorglos und lächelnd dem geheimnisvollen Licht hinter der Tür entgegen - und wird belohnt. Kinder waren schon immer Spielbergs Helden, und so wundert es auch nicht, wenn am Schluss die Türen des großen Mutterschiffs aufgehen und die heraustretenden Aliens sehr kindlich aussehen.
Diese finale Ankunft ist es schließlich, mit der "Close Encounters …" auch dem abgebrütesten Erwachsenen sein kindliches Staunen zurückgibt. Mit viel Sorgfalt, Feingefühl und Geschick inszeniert Spielberg hier eine Harmonie der Ruhe, ein friedvolles Szenario, das keiner Bösewichte bedarf (selbst das Militär ist in diesem Film nicht wirklich gemein) und sich labt an den so vielfältigen Möglichkeiten und Ideen, die das Konzept außerirdischer Kontaktaufnahme mit sich bringt. Und fast schon nebenbei setzt Spielberg noch eine kleine Metapher über die menschliche Unfähigkeit, vernünftig miteinander zu sprechen: Während der Wissenschaftler Lacombe und seine Kollegen den ganzen Film über mit Sprachschwierigkeiten zu kämpfen haben und überall einen Dolmetscher brauchen, kommuniziert man am Ende über die universelle Sprache der Musik (allein für die unvergesslichen fünf Noten der Begrüßung hätte Komponist John Williams dabei schon einen Oscar verdient - den er nicht bekam).

Im selben Jahr gestartet wie "Star Wars" hatte "Close Encounters …" ebenfalls entscheidenden Anteil daran, Science-Fiction wieder salonfähig zu machen und in eines der beliebtesten Genres der nächsten Kinojahrzehnte zu verwandeln. Auch wenn der Film etwas im Schatten von George Lucas' Space-Oper steht, seine kreative Leistung ist in gewissen Aspekten die größere: In seiner weit entfernten Galaxis brauchte sich Lucas an keinerlei bestehende Regeln zu halten und konnte Welten und Kreaturen nach gut dünken entwerfen, blieb mit seiner Story aber archetypischen Märchen- und Legenden-Motiven mehr als treu. Spielberg hingegen stellte sich der Herausforderung, eine Geschichte zu erzählen, die abseits herkömmlicher Spannungsbögen funktioniert und den außerirdischen Kontakt im Hier und Heute greifbar und glaubwürdig macht. Gemeinsam haben die Filme, was sie berechtigterweise beide zu Klassikern machte: Über plakative Schauwerte, wie sie heutzutage jeder Actionfilm geist- und ideenlos abfeiert (ein Vorwurf, den sich inzwischen auch Lucas selbst gefallen lassen muss), weit erhaben, zelebrieren sie den kindlichen Sinn fürs Staunen, für die unendlichen Möglichkeiten da draußen, für das Besondere im Einfachen. Einen Sinn, den wir mit dem Älterwerden zu verlieren scheinen. Er sei nur auf der Suche nach einer Antwort, sagt Roy Neary als er auf Claude Lacombe trifft, und fragt: "Ist das verrückt?". Nein, ist es nicht.

 

Damals im Kino gesehen und restlos begeistert gewesen. Seit dem leider nicht mehr gesehen, bin aber neugierig ob die Atmosphäre und Ausstattung nach so langer Zeit immer noch wirkt. Allerdings ist die Erzählstruktur und nach wie vor sehr einmalige Herangehensweise an das Thema Aliens sicher immer noch Einzigartig - also auf an die Wühltische der realen oder virtuellen Kaufhäuser und sich diesen Klassiker unbedingt anschauen...

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