Ninotchka

MOH (98): 12. Oscars 1940 - "Ninotchka"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 11. März 2025

In der letzten Folge unserer Oscar-Reihe ging es angesichts einer schrecklichen Diagnose für unsere Hauptfigur ja nicht gerade heiter zu. Da kommt heute doch eine Ernst-Lubitsch-Komödie gerade recht, die für eine der größten Leinwandikonen der Kinogeschichte auch den ersten Ausflug ins Komödienfach bedeutete.

Ninotchka

Land
Jahr
1939
Laufzeit
110 min
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
7
7/10

Letzte Woche habe ich mich in "Opfer einer großen Liebe" ja über den mangelnden romantischen Funken zwischen dem dortigen Leinwandpaar beschwert. So ganz will der auch in "Ninotchka" ehrlich gesagt nicht zünden – auch hier bedingt durch eine lange Zeit sehr unterkühlt auftretende Hauptfigur. Aber glücklicherweise gibt es ja noch den guten alten Lubitsch-Touch und einige wirklich clevere Gags, die diese romantische Komödie am Ende doch noch ganz unterhaltsam gestalten.

Ganz unterhaltsam stellen sich auf jeden Fall die sowjetischen Genossen Buljanoff (Felix Bressart), Iranoff (Sig Ruman) und Kopalski (Alexander Granach) ihren Aufenthalt in Paris vor. Dort wollen sie im Auftrag Russlands die nach der Revolution konfiszierten Juwelen der Großherzogin Swana (Ina Claire) gewinnbringend verkaufen – und ein wenig die Vorzüge der westlichen Welt genießen. Für Probleme sorgt allerdings das Auftreten des charmanten Lebemanns Graf Léon d'Algout (Melvyn Douglas, "Manuel"), Geliebter der inzwischen in Paris im Exil lebenden Großherzogin, der das geplante Geschäft sabotieren möchte. Zur Unterstützung schickt Russland darum die ernste und pflichtbewusste sowjetische Kommissarin Nina Ivanovna Yakushova (Greta Garbo, "Menschen im Hotel"), genannt Ninotchka, nach Paris – rechnet aber wohl kaum damit, dass die strenge Kommunistin ausgerechnet dem Charme des lebensfrohen Grafen erliegen könnte.
 


Eine High-Society-Romanze mit Humor? Da kann Regisseur Ernst Lubitsch ("Liebesparade", "Eine Stunde mit Dir") ja nicht weit sein. Bekannt für seinen feinen Spott über die Eigenheiten der Reichen und Mächtigen, nimmt Lubitsch sich in "Ninotchka" diesmal zusätzlich auch noch den russischen Kommunismus zur Brust. Dabei scheint der Zeitpunkt eigentlich denkbar ungeeignet für eine in Europa spielende Komödie, erfolgte die Premiere von "Ninotchka" doch nur wenige Wochen nach dem deutschen Überfall auf Polen. Das konnte zum Produktionszeitpunkt des Films aber natürlich noch keiner ahnen. Und damit auch nicht, dass eine Szene, in der hier ein Hitlergruß für einen Gag genutzt wird, schon wenig später irritierend naiv wirken würde. Allein eine kurzfristig eingefügte Texteinblendung zu Beginn weist auf die aktuellen Ereignisse auf dem alten Kontinent hin, ohne deren Bedeutung aber natürlich vollends erfassen zu können.

Im Mittelpunkt steht hier etwas ganz anderes, nämlich vor allem die humorvolle Entlarvung des Kommunismus. Das sieht man am besten am Auftritt unserer drei russischen Funktionäre, die zwar nach außen hin die Ideale ihrer Heimat preisen, insgeheim aber kaum verbergen können, wie sehr sie sich nach westlichem Luxus sehnen. Schließlich wollen wir alle ja einfach auch mal Spaß haben. Genau das hat man mit dem Film in den ersten 20 Minuten zur Genüge. Die inneren Widersprüche unserer drei Funktionäre nutzt Lubitsch nämlich hier gewohnt clever und mit einem perfekten Timing für gut pointierte Dialoge und wirklich sehr charmante Situationskomik. Die vor allem immer dann punktet, wenn unsere drei Russen mal wieder eine ideologisch einwandfreie Begründung finden, warum es ganz im Sinne des Kommunismus ist, wenn sie sich hier mal etwas Luxus gönnen.
 


Veredelt wird das mit dem in dieser Reihe schon mehrmals gepriesenen "Lubitsch-Touch", bei dem der Regisseur den Humor dank einer kreativen Inszenierung noch mal einen Ticken ironischer und cleverer gestaltet. Wenn unsere drei Genossen sich zum Beispiel von attraktiven Damen wiederholt westliche Luxusgüter aufs Zimmer liefern lassen, begnügt sich der Film damit, uns lediglich deren Kommen und Gehen zu zeigen. Die Kamera bleibt stets vor der Tür, und die Begeisterung der Funktionäre wird allein durch ein immer lauter werdendes Gejohle aus dem Raum erlebbar gemacht – was so noch eine ganze Spur witziger wirkt.

Das damalige Publikum wartete aber natürlich zum großen Teil vor allem auf eine Person: die große Greta Garbo. In ihrem bisher einzigen Auftritt in unserer Oscar-Reihe ("Menschen im Hotel") war ich ja ziemlich enttäuscht von ihr gewesen und hatte sie einer übertriebenen Theatralik bezichtigt. Und hier? Tatsächlich funktioniert Garbo als eiskalte, gefühllose Kommunistin ziemlich gut, und es hat schon seinen Reiz, unserem Grafen dabei zuzusehen, wie er sich an Ninotchka die Zähne ausbeißt. So nett das aber einige Zeit auch anzuschauen ist, irgendwann werden die Wortwechsel zwischen spröder Bolschewistin und vergnügungssüchtigem Aristokraten auch etwas zu vorhersehbar. Das fällt den Machern, gefühlt etwas zu spät, dann auch auf, weswegen das Drehbuch plötzlich eine 180-Grad-Wendung vollzieht und Garbos Figur abrupt "menschlich" werden lässt. Eine langfristig für die Geschichte sicher sinnvolle Entscheidung, die aber erst einmal irritiert – denn bis dahin hatten nicht wirklich romantische Funken zwischen Ninotchka und unserem Grafen gesprüht, und ihre nun plötzlich aufflammende Liebe wirkt entsprechend aufgesetzt.
 


Darunter leidet der Film dann schon deutlich, und auch die berühmte "Garbo lacht"-Szene hilft da nicht viel weiter. Die damit verbundene Marketingkampagne war eine Anspielung darauf, dass Garbos erster Tonfilm einst groß mit "Garbo talks" beworben wurde. Da Greta Garbo zeitlebens für ernste Rollen bekannt war, wollte man dieses Novum nun wohl entsprechend ausschlachten – was in einem deutlich zu überdrehten Lachanfall auf der Leinwand endet, der schon sehr gewollt wirkt. Trotzdem: Garbo zeigt sich hier in deutlich besserer Form, auch wenn ihre Oscar-Nominierung als beste Hauptdarstellerin für "Ninotchka" eine Nummer zu viel ist und die Chemie zwischen ihr und Melvyn Douglas als Graf eher auf tönernen Füßen steht.

Das liegt gefühlt mehr am etwas zu glatt daherkommenden Melvyn Douglas. Schade, dass Lubitschs sonstiger Go-To-Lover Maurice Chevalier ("Der lächelnde Lieutnant") hier wohl nicht verfügbar war – dessen augenzwinkernder Charme hätte dem Film wohl gutgetan. Auf der anderen Seite ist Lubitsch aber auch ein zu guter Regisseur, als dass hier allzu viel anbrennen könnte, und so verhindert die etwas spärliche Chemie zwischen unserem Hauptpaar nicht, dass hier immer noch einige wirklich witzige Momente folgen. Und vielleicht ist da ja dann auch schon die Handschrift eines Mannes zu spüren, der zwei Jahrzehnte später einige der besten Komödien der Filmgeschichte schreiben sollte. Einer der Drehbuchautoren von "Ninotchka" war nämlich kein Geringerer als Billy Wilder, der uns noch Klassiker wie "Manche mögen's heiß" und "Das Apartment" bescheren würde.

Auch wenn manches bei "Ninotchka" nicht perfekt funktioniert und viele der Gags natürlich auch auf Klischees beruhen, für Komödienfans ist das hier am Ende immer noch sehr solide Unterhaltung. Und wer lieber auf Horror steht, darf sich hier zumindest über einen kleinen Auftritt von Dracula-Legende Bela Lugosi in einer allerdings unspektakulären Nebenrolle freuen – auch wenn die deutlich blutleerer als sonst ausfällt. Am Ende lacht auf jeden Fall nicht nur die große Garbo, sondern auch das Publikum zumindest immer mal wieder – und das reicht für einen ordentlichen Filmabend.

"Ninotchka" ist aktuell als DVD auf Amazon in Deutschland verfügbar.

 


Bei Ihrer Ankunft lacht Frau Garbo noch nicht - Ausschnitt aus dem Film
 


Must you flirt? - Ausschnitt aus dem Film
 


"Garbo laughs" - Trailer zum Film.


Ausblick
In unserer nächsten Folge ist ebenfalls ein berühmter Name am Drehbuch beteiligt, wenn auch indirekt. Ein Klassiker von Romanautor John Steinbeck liefert hier nämlich die Vorlage für ein Filmdrama, das den amerikanischen Traum in seinen Mittelpunkt stellt.

Bilder: Copyright

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