MOH (30): 5. Oscars 1932 - "Menschen im Hotel"
In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".
In der letzten Folge waren wir noch dem Charisma von Marlene Dietrich erlegen, nun macht diese schon Platz für die nächste Hollywood-Ikone. Im Gewinnerfilm "Menschen im Hotel" der fünften Academy-Awards von 1932 gibt Greta Garbo zwar nicht ganz unpassend den berühmten Star auch auf der Leinwand, lässt uns am Ende aber schon ein bisschen enttäuscht zurück.
Menschen im Hotel
Die Leute kommen und gehen, aber eigentlich passiert hier im Grand Hotel gar nichts – mit diesen Worten begrüßt und verabschiedet der Oscar-Gewinner in der Kategorie "Outstanding Production" der fünften Academy Awards seine Zuschauer. Diese Aussage ist vom Film eigentlich ironisch gemeint, schließlich kreuzen sich im Hotel die Wege und Geschichten einiger illustrer Gäste. Dabei beinhalten diese unter anderem einen geplanten Juwelenraub, Existenzängste, Liebesdramen und sogar einen Todesfall.
So hat es zum Beispiel der galante Baron von Geigern (John Barrymore) auf die Juwelen der glamourösen aber von Selbstzweifeln geplagten Ballerina Grusinskaya (Greta Garbo) abgesehen. Der sterbenskranke Buchhalter Kringelein (Lionel Barrymore) wiederum möchte im Hotel noch mal richtig auf den Putz hauen, trifft dort allerdings ausgerechnet auf seinen cholerischen Chef Preysing (Wallace Beery), der wiederum einen unglaublich wichtigen Business-Deal eintüten muss.
Soviel hier aber auch los zu sein scheint, am Ende dieser knapp zwei Stunden fühlt es sich tatsächlich so an, als ob eigentlich nichts so wirklich Erwähnenswertes passiert ist. Die verschiedenen Geschichten können in "Menschen im Hotel" aus den jeweils unterschiedlichsten Gründen einfach nicht zünden und wirken am Ende meist oberflächlich und uninteressant. Der Strang rund um den Baron hat zum Beispiel, wieder einmal, mit dem hier dargestellten und heute oft eher irritierend als charmant wirkenden veralteten Bild von Männlichkeit zu kämpfen. Gegen eine ordentliche Portion Coolness ist ja überhaupt nix einzuwenden, aber es ist die Aufdringlichkeit mit der diese Figur sein weibliches Objekt der Begierde anvisiert, die heute nicht so wirklich schmecken will.
Das sich anbahnende große Liebesdrama zwischen dem Baron und unserer Ballerina wirkt aber auch nur halb so überzeugend, wenn der Kollege noch einige Minuten früher am Rockzipfel einer anderen Dame hing. Ob der aufbrausende Unternehmer Preysing seinen wichtigen Business-Deal abschließen kann ist einem auch ziemlich egal, insbesondere nach dem man erlebt hat, wie dieser so mit seiner Stenografin umspringt. Mit dem todkranken Kringelein stellt einem das Drehbuch zwar zumindest einen Sympathieträger an die Seite, nutzt diesen aber leider zu oft, um einfach nur billigen Comic Relief statt echter bewegender Gefühle zu generieren.
Und die große Garbo? Ist ehrlich gesagt eine ziemliche Enttäuschung. Dabei bekommt die damals berühmteste Schauspielerin der Welt vom Drehbuch eigentlich die perfekte Rolle für einen unvergesslichen Auftritt serviert: eine Künstlerin, die nach außen groß und unantastbar wirkt, innen aber von Zweifeln und Dämonen geplagt wird. Was wir aber von Garbo bekommen ist ein aufgesetzt und übertrieben wirkendes Spiel, das stellenweise so schmachtend theatralisch daherkommt, dass es die emotionale Identifikation mit der Figur schon verdammt schwierig macht. Stellvertretend dafür sei ein eigentlich intimes Telefonat genannt, bei dem Garbo gefühlt einen kompletten Theatersaal bespielen möchte und so dick und affektiert aufträgt, dass sie eher wie eine Karikatur als eine echte Person daherkommt.
Auch wenn die Figur natürlich überlebensgroß wirken soll, das ist am Ende einfach zu viel des Guten. Und so fühlt man sich nicht einmal in der bekanntesten Szene des Films, in der Garbo ihre berühmt gewordenen Worte "I want to be alone" spricht, so richtig von dem Schicksal dieser Figur angesprochen. Das haben andere Schauspielerinnen ihrer Generation schon deutlich besser hinbekommen und für ein gelungenes Gegenbeispiel muss man gar nicht allzu weit in die Ferne schauen. Joan Crawford, der andere berühmte weibliche Star des Filmes, füllt ihre Nebenrolle als Stenografin deutlich besser aus und generiert den glaubwürdigsten Charakter des Filmes.
Ein paar Pluspunkte sammelt der Film aber trotzdem noch, wie zum Beispiel durch das wirklich beeindruckende Art Design. Und die Art wie Regisseur Edmund Goulding die Hektik innerhalb dieses kleinen Mikrokosmos mit seiner Inszenierung einfängt sollte ebenfalls lobend erwähnt werden. Nur inhaltlich kann der Film da eben kaum mithalten und gerade angesichts des für damalige Verhältnisse ungewöhnlich großen Staraufgebots vor der Kamera ist das Endergebnis schon fast frustrierend neutrales Ensemble-Kino und schon wieder einer dieser durchschnittlichen "Best Picture"-Gewinner, die den Puls nicht wirklich in die Höhe schießen lassen.
"Menschen im Hotel" ist aktuell auf Amazon Prime in Deutschland verfügbar. Alternativ ist der Film auch auf der Webseite des Internet Archive kostenlos abrufbar.
Trailer zu "Menschen im Hotel"
Und weil es irgendwie so gut zu dem Kommen und Gehen der illustren Figuren im Film passt, hier das Kommen und Gehen damaliger Stars (von Edward Robinson, über Norma Shearer bis zu Clark Gable) bei der Premiere des Films im legendären Chinese Theatre in L.A.
Überblick 5. Academy Awards
Alle nominierten Filme der Kategorie “Outstanding Picture“ der fünften Academy Awards 1932 nochmal auf einen Blick:
- "Menschen im Hotel" (5/10)
- "Spätausgabe" (7/10)
- "Arrowsmith" (6/10)
- "Bad Girl" (9/10)
- "Der Champ" (6/10)
- "Der lächelnde Leutnant"( 7/10)
- "Eine Stunde mit Dir" (5/10)
- "Shanghai Express" (9/10)
Ausblick
In unserer nächsten Folge machen wir einen Satz in das Jahr 1934 zu den sechsten Academy-Awards, bei denen das Feld der nominierten Filme in der Hauptkategorie schon wieder aufgesteckt wurde – das mit dem überzeugenden Oscar-Gewinner sollte aber wieder nicht so richtig gelingen.
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